Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

VAN. 
Xonometrie des 1 reppensystemS Lehrwerkstätten und Unterkunft für nahe benachbart. Die Verbindung 
45 Kurs-Teilnehmer. Allerdings von Intelligenz und Handeln, von 
sind wir sehr bescheiden. Kopf und Hand ist unlösbar. Nach 
R. G.: Jahres-Etat? einiger Zeit des Zögerns und der 
D. E.: Knapp eine Million DM. Unsicherheit entdecken unsere 
Damit führen wir 7 Kurse je 10 Per- Kurs-Teilnehmer das sehr gern. 
sonen pro Jahr durch. Unterkunft, Die ständige Begleitung der Hand- 
Essen, Reise-Kosten einbegriffen. arbeit durch den Kopf ist eine 
Wir zahlen auch einen Unterhalts- große Herausforderung - und so 
beitrag, weil unser Standard-Kurs- etwas macht Spaß. 
Teilnehmer in seiner Zeit hier für R.G.: Kann ein reiner Schreibtisch- 
seine Familie kein Einkommen hat: Mensch bei Ihnen zusteigen? 
Ein Verheirateter erhält zum Stipen- D. E.: Nein, wir wollen es nicht ver- 
dium hinaus noch 1000 DM im mischen. Aber sie sollen sich tref- 
Monat. fen. Architekten und Kunsthistori- 
R. G.: Wie sieht das Konzept aus? ker sind als Besuch, zur Diskussion 
D. E.: Theorie und Praxis sollen sehr willkommen, aber sie können 
gleichberechtigt sein, sich verbin- unsere Kurse nicht mitmachen. 
den, trotz oft extremer Schwierigkei- R. G.: Arbeitsteilung? 
ten. Fehlstellen gab es auch in der D. E.: Wir wollen nicht, daß der 
Praxis. Es war notwendig, dem Denkmalpfleger Steine bearbeitet. 
Steinmetzen beizubringen, was Genauso wenig wie der Steinmetz 
Stein ist, also Material-Kunde. Tra- eine chemische Analyse machen 
ditionsgemäß ist Handwerkerausbil- soll. Jeder soll seiner Ausbildung 
dung auf ein Fach begrenzt. Wir folgen - aber sie sollen sich verste- 
glauben, daß Denkmalschutz nur hen. Wissen, was jeder einzelne 
berufsübergreifend gemacht wer- kann. Was er erwarten darf. Auch 
den kann. Der Schreiner muß wis- wissen, daß sie keine unseriösen, 
sen, was der Steinmetz kann. Der unanständigen Forderungen an den 
Steinmetz muß wissen, wie sich anderen stellen. Miteinander Pro- 
Eisen verhält. Er benutzt es nicht bleme lösen. 
nur, um damit zu arbeiten, sondern R. G.: Warum werden die Leute aus 
auch um Steine zu verbinden. Die der eigenen Kultur nach Venedig 
gotische Kathedrale ’ wäre ohne gelockt? 
Eisenklammern überhaupt nicht D. E.: Europa entstand durch wan- 
denkbar. Sie würde umfallen. Wenn dernde Handwerker. Wir können 
einer sagt, gotische Kathedralen ihre Wege und ihr Erbe verfolgen. 
sind Steinbauten, ist das oberfläch- Straßburg, Como, Lucca. Wir müs- 
lich. Man muß wissen, was andere sen die wandernden Handwerker 
Materialien leisten können. Und wieder schaffen, die ihr Wissen wei- 
was nicht. tergeben, hinterlassen ... 
R. G.: Sie sind dann Restauratoren? R.G.: Arbeitsgenehmigungen? 
D. E.: Nein keineswegs Handwer- OD. E.: Das Mittelalter war viel wei- 
ker, das ist etwas anderes. Sie sollen ter. Da war es egal, woher einer kam. 
in ihrer eigenen, originären Arbeit Heute behindern die Bürokratien. 
entwickelter sein. Mehr Wissen R. G.: Wissen erweitern ... 
über die Bauten haben, mit denen D.E.:... geht einerseits nicht ohne 
sie umgehen. Daß sie kritischer wer- das Opfer, mal weniger Geld zu ver- 
den. Auch sich selbst gegenüber. dienen, aber man hat etwas davon. 
>. D Und gegen die gängigen Stadterhal- Viele bringen es gern - ich sehe das. 
Europdisches Zentrum tungspolitik. Steinmetze werden wieder neugie-: 
. T R. G.: ... was ist das? rg. 
für Handwerker- D. E.: Die schnelle Lösung. Die radi- DD E: Kritik an der DD 
. . . kale Lösung. Das Umkrempeln . E.: Sie gibt noch zuviele Aufträge 
Fortbildung IM Denkmalschutz, Venedig historischer Städte. an größere Firmen und nicht an ein- 
R. G.: Wo arbeiten die Leute zelne Handwerker. Auch weil die 
Roland Günter im Gespräch mit Dietrich Ebert anschließend? Handwerker nicht organisiert sind. 
D. E.: Wir raten ab von Berufs- Daher entwickeln sich nun Genos- 
veränderungen. Es gibt sie auch senschaften vor allem in Italien. 
kaum. Wir sagen: Gebt eurer Arbeit R.G.: Wie geht das vor sich? 
R. G.: Dietrich Ebert, Sie sind als R. G.: Wieviel Leute sind es? eine andere Dimension. D. E.: In Italien hat sich herauskri- 
Architekt ausgebildet, haben beim D. E.: Pro Kurs-Zyklus zwischen 30 R. G.: Warum ist Denkmalpflege stalliert, daß man nur pro Projekt, 
Europa-Rat in Straßburg gearbeitet, und 40. Bisher insgesamt über 400. attraktiv fürs Handwerk? während der Laufzeit zusammenar- 
bauten auf und leiten das Euro- Im letzten Oktober haben wir sie DD. E.: Weil sie interessanter ist. beitet. Das ist tragfähiger, vernünfti- 
päische Zentrum für Handwerker- zusammengerufen, um zu sehen, Höhere Anforderungen stellt. Her- ger. Es entspricht mehr der Hand- 
Fortbildung im Denkmalschutz in was aus ihnen geworden ist. ausfordert. werker-Mentalität, die deutlich auf 
Venedig. Ein Stichwort zur Grün- R. G.: Wo leben die Stipendiatenin R.G.: Trägt sich das finanziell? Einzelarbeit gerichtet ist. 
dung? Venedig? D. E.: Mittlerweile kann man auch R. G.: Italienisches Denken? Lieber 
D. E.: Das Zentrum ist ein Kind des D. E.: Auf der Insel San Servolo - im Denkmalschutz Geld verdienen. Flexibilität als Ideologisierung. Wo 
Denkmalschutz-Jahres 1975 ... zwischen Venedig und dem Lido.In Ein guter und beim Denkmalamt findet die entwickeltste Tätigkeit der 
R. G.: ... dessen Organisator Sie einem der zahlreichen früheren gut eingeführter Handwerker kann Denkmalpflege statt? 
waren ... Irrenhäusern, die 1978 aufgeben durchaus davon leben. D. E.: Schwer zu sagen. Am ehesten 
D. E.: ... es wurde 1977 geboren, wurden - mit der Psychiatrie- R.G,:Gibtes eine Renaissance des inltalien. Wo sie Priorität hat, macht 
ohne große Vorbereitungen - ein- Reform Basaglias. Handwerks? sie keine Kompromisse und ist sehr 
fach, weil es notwendig war: es gab R. G.: Was geschah mit dem alten D. E.: Ja. Als Alternative zur sauber. 
keine Weiterbildung von Handwer- Irrenhaus, als das Zentrum dortein- Arbeitslosigkeit: Und als Alterna- R.6G.: In Deutschland? 
kern. Und wir wollten das Vorurteil zog? tive zu uninteressanten Tätigkeiten. Ein übermächtiger Baumarkt. 
ausräumen, der Handwerker hätte D.E.: Es ist ein Beispiel für Denk- Wir wissen noch nicht, wohinessich Orientierung des Handwerks auf 
nur Akkord-Lohn-Interesse und malpflege: wir haben weder Wände entwickelt. schnellen Umsatz. Unterwerfung 
keine Lust an Weiterbildung. versetzt noch beseitigt. Es war für R.G.:Ihr Typ von Schule hat Tradi des denkmalpflegerischen Konzep- 
R. G.: Wer kommt? uns einfach, uns anzupassen. tion. Meisterschulen des Hand tes unter Termine, sei es der Finan- 
D. E.: Leute, die ihren Beruf ken- R. G.: Das hatte Folgen für die werks dann die Werkkunstschulen. zierung, sei es der zukünftigen Nut- 
nen, d. h. einen Lehrabschluß und Kosten ... In Italien hat ein großer Denker, zung. In Italien wird nichts fertig, 
mehrjährige Erfahrungen haben. D. E.:... ja, wir haben eine der billig- Antonio Gramsci gesagt: Die Kultur wenn es fertig werden sollte. Das 
R. G.: Was für Kurse gibt es? sten Gebäude-Sanierungen ge- ist die Intensivierung der Intelli- Denkmal profitiert davon. Es wird 
D. E.: Drei-Monats-Kurse. Für macht. genz, die in jeder Arbeit steckt. Also langsamer und besser gearbeitet. 
Steinmetze, Schreiner, Maler, Stuk- R.G.: Kann man etwas über Zahlen keine Abtrennung der. Intelligenz Wenn in Deutschland ein Problem 
kateure und Schmiede. erfahren? von der Arbeit. Sie arbeiten zwi- auftaucht, wird es oft beseitigt - 
R. G.: Woher kommen die Leute? D. E.: Unsere Zahlen sind öffentlich schen Praxis und Hochschule? damit der Fahrplan nicht in Gefahr 
D. E.: Aus ganz Europa. Und darü- und wirgebensie gern bekannt: weil D. E.: Wir haben einige Ideen des kommt. Oft verstärkt die Mentalität 
ber hinaus, die ersten nun auch aus sie extrem niedrig sind. Umbauko- _Bauhauses. Etwa daß Werkstattund des Handwerkers das noch: wenn er 
der Dritten Welt. sten: 850 000 Mark - für Lehrsäle, T"‚ehrsaal dasselbe sind. Oder sehr sagt. es sei ihm ia alles vorgegeben
	        
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