Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

Beispiele 'artgemäßer’ Dorfgestaltung in den 
"eingegliederten Ostgebieten” 
rechte Seite: Die Gestaltung des Dorfmittelpunktes 
als Wettbewerbsaufgabe 
links: Ein Beitrag des Architekten Wickop zur 
nationalsozialistischen Dorfgestaltung 
unten: Dorfmodell mit Grünplanung aus dem Haupt 
dorfbereich Minden (in den ”eingeliederten 
Ostgebieten ”) 
immer kindlich nett, genau so wie die große Architektur des Rat- Wie wichtig die Gründung neuer Städte in der realen Planung ge- 
hauses. Es ist Volkskunst, und manche Schilder sind so unmittelbar nommen wurde, konnte nicht festgestellt werden. Die Allgemeine 
künstlerisch, daß sie Henry Rousseau gemalt haben könnte;” (Taut Anordnung Nr, 13/11 läßt immerhin erkennen, daß sie in den Kon- 
1918: 898). Aus solchen Eindrücken heraus entwickelt er auchein zeptionen enthalten war und die Möglichkeit zur Durchführung 
anderes Verständnis für diese Kultur: „Und es geht jetzt wohldoch eingeplant wurde. Konkrete Beispiele für geplante Stadtneugrün- 
nicht mehr die Herablassung des Gebildeten festzuhalten; denn dungen lassen sich z.B. für die Städte Sosnowitsch und Zichenau 
der Gebildete will sich doch schließlich nicht blamieren. Jetzt muß nachweisen. 
er doch auch das andere, was diese Eingeborenen sich geschaffen Am Beispiel einer geplanten „neuen Stadt Sosnowitz” läßt sich 
haben, mit anderen Augen ansehen, und aus der Kälte spöttischen gleichzeitig die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Planungs- 
Lächelns muß in ihnen der Glanz des liebevollen Verständnisses behörden und lokalen Regierungsstellen verdeutlichen. Denn trotz 
werden” (Taut 1918: 898). In den „eingegliederten Ostgebieten” des Einflusses, den die Planungsabteilung des RKF, nicht zuletzt 
aber beinhaltete die Planung des RKF völliges Ignorieren der vor- durch die Funktion Himmlers als Reichsführer-SS, hatte, bestan- 
handenen Kultur und der sozialen Strukturen. So erst bestand die den anscheinend erhebliche Kompetenzstreitigkeiten zwischen 
Möglichkeit, nationalsozialistische Gestaltungskriterien zu entwik- verschiedenen Instanzen, die mit räumlicher Planung befaßt 
keln und durchzusetzen. waren. Da wir uns hier auf die landschaftsplanerische Tätigkeit des 
Ein entsprechender Anspruch wurde auch in der Allgemeinen RKF konzentrieren, gehen wir auf diesen Aspekt der Planung nicht 
Anordnung Nr. 13/II des Reichsführers-SS, RKF vom 30. 1. 1942 ein. 
„Planung und Gestaltung der Städte in den eingegeliederten Ostge- Der Gedanke, eine neue Stadt Sosnowitz zu bauen, um das dicht 
bieten” (auszugsweise bei Mäding 1943: 69/70) angedeutet, wenn besiedelte oberschlesische Kohlenrevier aufzulockern, und um für 
dort von „germanisch-deutscher Kulturlandschaft” und der „Größe die anzusiedelnde deutsche Bevölkerung annehmbare Wohn- und 
dieser kolonisatorischen Aufgabe” gesprochen wurde. Diese Richt- Lebensverhältnisse zu schaffen (vgl. BAK, R113/1523, Vermerk 
linien sprachen dem Landschaftsgestalter die Kompetenz zu,ander der RfRO vom 20. 1. 1941), scheint von der Raumordnung bzw. 
Stadtplanung wesentlich teilzunehmen, da die Landschaft als der Landesplanung ausgegangen zu sein, die eine Großstadt Neu-Sos- 
wichtigste, die Planung und Gestaltung der Stadt beeinflussende nowitz mit ca. 120.000 Einwohnern plante (vgl. BAK, R113/1523, 
Faktor definiert wurde. „Die Landschaft ist derjenige Gestaltungs- Vermerk der RfRO vom Dez. 1942). Die Willkürlichkeit des wei- 
faktor, der am stärksten die Abwandlung allgemeiner Planungs- teren Vorgehens macht ein Vermerk der RfRO über die Tagung der 
grundsätze im Einzelfall und damit die praktische Gestaltung be- Landesplaner sichtbar: „Als der Oberbürgermeister von Sosnowitz 
stimmt. Die Einordnung der Stadt in die Landschaft ist daher fürdie von dieser Idee erfuhr, hat er mit der ihm eigenen Energie den Plan 
Gestaltung entscheidend ... (Ausl. d. Verf.) ... Je mehr die charakte- aufgegriffen und mit einem besonderen Planungsstab von etwa 15 
ristischen Merkmale der Lage in ihrer jeweiligen Besonderheit in Köpfen die Projektierung auf eigene Faust begonnen. Er rechnet 
der Stadtgestaltung zur Geltung gebracht werden, um so stärker mit 200.000 Einwohnern, da nach seiner Ansicht das städtische 
trägt die Landschaft zur Ausprägung großer, einmaliger Gesamt- Groß-Elektrizitätswerk nur dann wirtschaftlich sei. Auch hat er 
bilder bei” (Allg. Anordnung Nr. 13, 1942: 70). Die große Bedeu- bereits mit Ausbauplanungen begonnen, in dem er für das Kraftwerk 
tung, die der Landschaft zugemessen wurde, veranschaulicht die und für das Wasserwerk Projektierungsarbeiten in Auftrag gegeben 
vorrangige Stellung der Landschaftsgestaltung im Gefüge der Pla- hat. Muß schon die Landesplanung wegen der willkürlichen Fest- 
nungshierarchie beim RKF. Ihr wurde ausdrücklich die wichtigste setzung der Groß-Stadt-Größe die eigenmächtige Planung des 
Stellung beim Aufbau der Städte zuerkannt Oberbürgermeisters verurteilen, so muß sie noch entschiedener 
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