Rauchgeschädigte Blätter. Rauchgeschädigte Nadeln. Tafel aus Schroeder/Reuß, 1883
und sicher erkennen zu können. So unterscheiden die beiden Ver-
fasser bei Bäumen fünf Beschädigungsrade, die sie detailliert
beschreiben. Zum Beispiel: „Bei schwacher Beschädigung werden
die Blätter der Laubhölzer fahl, bleichen aus und bleiben oft küm-
merlich und klein. Bei verstärkter Einwirkung erhalten sie rot-
braune Flecken und Spitzen und welken ab. Ähnlich verhalten sich
die Nadelhölzer. Bei schwacher Schädigung werden die Nadeln,
zumal die älteren fahl, mißfarbig, schmutzig-grün, und zwar
zunächst auf der Oberseite, die dem Rauche ausgesetzt war. Schaut
man an solchen Zweigen den Nadelstrich entlang, so hat er ein fah-
les, verschlossenes Aussehen, blickt man jedoch gegen den Strich,
so erscheint er vollkommen saftig und grün. Nach und nach werden
die ganzen Nadeln krank und fallen ab und zwar zuerst die älteren
Heinrich Kley: Pfui Deifel. Aus dem Skizzenbuch, ca. 1y . Jahrgänge. Dem Buch beigefügt sind mehrfarbig angelegte Tafeln,
die Nadeln und Blätter verschiedener Baumarten zeigen, welche
RUHRKAMPPF: 1923 besetzen die Franzosen das Ruhrgebiet „chronisch rauchgeschädigt” sind. ©
nn „Faustpfand” für ihre Reparationsforderungen. Der „Ruhrkampf” (J. v. Schroeder/C. Reuß, Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch und die
beginnt, und alle Fabriken, Hütten, Kokereien liegen still. Folglich Oberharzer Hüttenrauchschäden. Berlin 1883)
„bleibt das sommerliche Pflanzenwachstum von den sonst sehr N
starken Raucheinwirkungen verschont.” H. Bergerhoff von der SCHWEFLIGE SAURE: (H,SO,) entsteht, wenn sich
landwirtschaftlichen Hochschule Bonn-Poppelsdorf nutzt diese Schwefeldioxid (SO,) in Wasser (H,O) löst. Bis ca. 1920 versteht
Gelegenheit zu eingehenden Aufwuchsuntersuchungen. Das man darunter die „brennflüchtige,, Form des Schwefels, die heute
Revier „erblüht”. Überall findet Bergerhoff „vorzügliche”, hier als SO, bezeichnet wird. Schon im Mittelalter war dieses Gas, das
sonst ungewohnte Ernteergebnisse, und sogar die Bäume „erho- immer entweicht, wo Kohle verbrennt oder schwefelhaltige Erze
len” sich. Bergerhoff: „Die Schwerindustrie muß die alleinige Ver- verhüttet werden, als Pflanzengift bekannt. 1848 beginnt A. Stöck-
antwortung für die Rauchschäden tragen.” hardt in Tharandt seine Laborversuche, an deren Ende 1864 der
(H. Bergerhoff, Untersuchungen über die Berg- und Rauchschädensfrage mit beson- „historische Versuch” steht, mit dem dann „die chronische Vergif-
derer Berücksichtigung des Ruhrbezirks. Bonn-Poppelsdorf 1928) tung durch schwefelige Säure in der Natur unzweifelhaft nachge-
wiesen ist.” Stöckhardt „begast” seine Versuchspflanzen mit
SAUERER REGEN: Schon 1876 gibt es vergleichbare Meß- bestimmten Konzentrationen schwefliger Säure - also SO, -; und
daten über den Schwefelsäuregehalt im Regen über verschiedenen obwohl er diese bis zu der unvorstellbar geringen von 1 : 1 Mio (=
Städten. Essen und Stolberg beispielsweise kommen auf die Hälfte 2,9 mg SO,/m’) steigert, gehen die Pflanzen früher oder später ein.
des damals höchsten bekannten Wertes aus Glasgow. Verläßliche
Meßmethoden vorausgesetzt enthält der Essener Regen des 19. „VORFLUTER” LUFT: „Die Massen verbrauchter Stein-
Jahrhunderts ähnlich viel an Säure (6-7 mg SO,) wie 1980 (5,2 mg, kohle verschwinden spurlos in dem gewaltigen Luftmeer.” Auf die-
gemessen vom Umweltbundesamt). Um 1925 beträgt der pH-Wert sen Satz des bekannten Chemikers Clemens Winkler (1838-1904)
des Ruhrgebietsregens 4,0 (BRD-Durchschnitt 1980 4.1; unbelaste- beriefen sich viele der zeitgenössischen Fachleute und Fabrikbesit-
ter Regen 5,6) zer, wenn ihr sorgloser Umgang mit Luftschadstoffen einmal kriti-
siert werden sollte. Man vertraute ganz selbstverständlich auf die
SCHADENSERSATZGENOSSENSCHAFTEN: „Selbstreinigungskraft des Luftozeans”, dem man ähnlich viel zuzu-
fordert der VIII. Internationale landwirtschaftliche Kongreß in muten glaubt wie dem Meer. In Analogie zum Abwasser und den
Wien 1907. Er beklagt nicht nur die Zunahme der Rauchschädenin Flüssen, die den Dreck verdünnen und fortzuschaffen haben, sind
allen Industrieländern, sondern auch, daß es immer schwieriger die Schornsteine „Abgaskanäle” und die vorbeiströmende Luft ein
werde, für Ernte- und Aufwuchsverluste entschädigt zu werden, da „Vorfluter”
nur noch selten ein bestimmter Schaden einem einzelnen indu-
striellen Verursacher zuzuordnen sei. Deshalb möchte der Kongre8 ZENTRALE ABGASBESEITIGUNG: ist ein Vor-
gesetzlich vorschreiben lassen, „zwangsweise Schadensersatzge- Schlag der Ingenieure Fichtl und Lemberg aus dem Jahre 1911, das
nossenschaften zu bilden, welche die gemeinsam angerichteten Problem wachsender Rauchschäden zu lösen. Sie wollten alle ent-
Schäden gemeinsam ersetzen.” stehenden Verbrennungsgase auffangen und über unterirdische
Rohrleitungen „zentralen Wasch-, Filtrier- und Absorptionshallen”
SCHROEDER/ REUSS: Dr. Julius von Schroeder, Chemi- zuführen, um sie dort von allen „schädlichen Bestandteilen” zu rei-
ker an der forstlichen Untersuchungsanstalt in Tharant (Sachsen), nigen. Zu dieser Zeit sind bereits verschiedene Verfahren zur
und Carl Reuß, Oberförster in Goslar (Harz) veröffentlichen im Rauchgaswäsche bekannt und zumindest in kleinem Maßstab
Jahre 1883 ein dickleibiges Standardwerk: „Die Beschädigung der erprobt.
Vegetation durch Rauch und die Oberharzer Hüttenrauchschä- (Ein genauer Nachweis der Fundstellen sowie eine zusammenhängende Darstellung
den.” Dieses Buch faßt nicht nur den zeitgenössischen Wissens-und ist zu finden bei: Gerd Spelsberg, Rauchplage. Hundert Jahre Saurer Regen. Aachen
Forschungsstand zusammen, es will auch im jeweiligen Konfliktfall !984 (Alano))
praktischer Ratgeber sein, um Rauchschäden bei Pflanzen schnel‘ Zusammengestellt und geschrieben von Gerd Spelsberg
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