Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

zur Welt als Weltstadt herzustellen Fazit Wer also für West-Berlin friedfer- lin. Was soll nun dargestellt werden, 
und darzustellen!“ tige Politik betreiben will, ich meine ein imaginäres Ganz-Berlin oder das 
Nun, kurz nach dem Ermächti- Natürlich ist eine wilhelminische eine Politik, die auch hinlänglichdes reale West-Berlin? — Die politi- 
gungsgesetz beauftragte Hitler die Oper kein Palast des Führers, und Glaubens würdig ist, der muß sich schen Gegebenheiten sind doch 
Stadt Berlin, die Mächlerpläne aus- der widerum bestimmt kein Zzuallererst gegen jede Bautätigkeit klar: Nach außen die Machtverhält- 
zuarbeiten, und war von den wilhel- Museum für deutsche Geschichte im östlichen Thiergarten wehren. nisse der 4 Aliierten, das archtekto- 
minischen Möglichkeiten ent- bis 1945. Auch kann man nicht die Die Bautätigkeit sei nun hoch oder nische Spiegelbild gibt die Mauer; 
täuscht. In dieser Zeit begann nun Tirpitzschen Flottengesetze mitdem tief, gerade oder geschwungen. nach innen der Hochmut der 
die Reichsbahn unter Leibbrand —A4-Jahresplan Hitlers oder dem direkt oder museal, Amter, und deren architektonisches 
den Plan zu prüfen, alle Streckenaus WEU-Beschluß samt dem SDI Pro- Spiegelbild ist schlicht, die nackte 
dem Eisenbahnring herauszuneh- gramm Reagans vergleichen. Es Ich möchte die bisherigen Argu- Orientierungslosigkeit. Die Mauer 
men, um den gesamten Verkehrauf macht durchaus einen Unterschied, mente kurz in 5 Thesen zusammen- kann sicher nur so hingenommen 
diesem Ring fließend abwickeln zu ob man den Weltmarkt,die Welt- fassen. werden, wie es die afrıkanischen 
können. Die notwendigen Betriebs- macht, oder den Weltraum erobern Staaten mit ihren Kolonialgrenzen 
flächen lagen im Norden günstig zur will, ob die Zukunft auf dem Was- ® ES gibt kein alternatives Museum, vormachen: man akzeptiert sie, wie 
Stadt und waren im Süden reichlich ser, im Osten oder in den Sternen denn man rettet den sterbenden den Neumond. Aber muß sich des- 
vorhanden, weshalb man an diesen liegt. „ Wald nicht dadurch, daß man inihm halb West-Berlin eine Planung 
Stellen riesige Durchgangsbahnhöfe Wenngleich sich also nichts in ein botanisches Museum errichtet. gefallen lassen, die zwar noch aus 10 
vorsah. Die fehlende Nord-Süd- gleicher Weise wiederholt, die @ Al 2a ht der scheinh km Höhe zu wissen glaubt, wo die 
Verbindung wollte man dem Nah- Kunst der Fehleinschätzung ist sich OR RI Alte Um Are,  1etzte Steckdose hinzugehören hat, 
verkehr überlassen, vornehmlich stets gleich geblieben. DE CO Ca 2 Te MEANS ;edoch nicht in der Lage ist zusagen, 
dem modernen flexibleren Straßen- In EN Kı ESCHE Kr CH NUr warum in West-Berlin was wo sei? 
verkehr. Ach ja,. Volkspartei, Einen schönen Hinweis darauf x er nd nackt sieht, weiß was Natürlich ist West-Berlin abhän- 
Volkswagen, Volkstrasse. — Speer bietet das sowjetische Ehrenmal. Es SCHIEN SM, gig von den Subsidien der Bundesre- 
und Hitler erkannten sehr schnell wurde aus dem Schutt der gespreng- ® Eine entscheidende Gegebenheit publik, aber muß West-Berlin des- 
ist der topologische° Zusammen- halb den Tiergarten als Exerzierfeld 
hang einer Stadt. Er verschafft jeder bundesrepublikanischer Politik hin- 
. Die Planungen für den „7-=*ralen Rer ir” *an der Mauer Bautätigkeit im östlichen Tiergarten nehmen? Soll der Tiergarten natıo- 
A ; am den politischen Anspruch auf welt- nale Ansprüche oder West-Berliner 
; weite Geltung. EN EEE Soll 
e er Tiergarten an die Peripherie einer 
® Der Anspruch auf weltweite Gel- Frealen Mitte oder in der Mitte einer 
tung ist Berlin immer wieder zum realen Peripherie liegen? 
Verhängnis geworden. Deshalb ist Solange auf dererlei politische 
jede Bautätigkeit im östlichen Tier- Fragen keine Antworten gegeben 
garten für West-Berlin eine perfide werden, solange sollten die Archi- 
Zumutung und für alle übrigen nur t+ekten schweigen 
die gestelzte Attitüde eines Agressi- . 
ven Vorwurfs. 
DA daraus folgt Alternative Antworten 
Sr e . RR Wenn ich trozdem zu Ihnen rede, so 
KM 9 uk neajertige Poli für undin hat das seinen Grund. Vor 14 Tagen 
a est-Berlin muß . rt z 
KAUM a.) den scheinbaren Sachzwang einer haben mich Christian Ströbele und 
HEN S Udo Kna besucht, um mich 
a El Nord-Süd-Trasse entlarven PP aß 
EN . davon zu überzeugen, daß die alter- 
“ A b.) vollendete Festpunkte im Norden t litischen V ben: d 
A za und Süden verhindern und AAVEN PONUS NEN VOrERDEN MY 
RP Ba . n für West-Berlin ausreichen wüden, 
nn ARE re c.) jede verbindende Planung von - . - 
TR vorneherein zurückweisen. eine demonstrative Architektur der 
Friedfertigkeit zu tragen. 
& a Ak Aber es gibt auch eine Vorausset- 
Ba 5 zung dafür, daß ich Sie jetzt kurz mit 
a ß‘ 2 Skizzen bekannt machen möchte. 
5 Ba 1982/83 habe ich über ein Jahr lang 
f = A versucht, DE Schwierig- 
= nn 8 . keiten zu verstehen. Dabei 
| IR ST Alternative Fragen bemerkte ich, daß das Periphere nur 
“ Das ist ein entschiedenes Nein! im weiteren Zusammenhang 
Aber man muß nicht ein Anhänger erkannt werden kann, und so folgte 
Bahros sein, um zu bermerken, daß die Friedrichstadt, der Tiergarten, 
jedes Nein ein Ja voraussetzt, und Moabit und leider nicht mehr der 
das man wohl vor die Tore ziehen Wedding. Ich bin damals viele 100 
muß, wenn man diesem Dilemma km gelaufen, weil ich mit Seume der 
entrinnen will. Doch man zieht nicht Meinung bin, daß alles viel besser 
MISGEL vor die Tore, um dort zu kampieren, gehen würde, wenn man mehr ginge. 
* 185 sondern um Antworten zu finden! Ich möchte Sie jetzt bitten, sich 
Was heißt denn das: Friedfertig- einmal vorzustellen, Sie säßen hier 
. keit angesichts der Mauer? Solange im Tiergarten auf einer Bank und 
die Möglichkeit, mit diesem Kon- ten Reichskanzlei errichtet und das nicht politisch klar ist, solange sähen auf den Boden. Da wäre 
zept eine demonstrative Architekur steht genau an der Kreuzung beider hängt auch jede friedfertige Archi- etwas Kies und Gras, achtlos wegge- 
der reinen Macht durchzusetzen. Achsen, und es reagiert eben nicht tektur für West-Berlin völlig in der worfenes Papier usf. — Nun neh- 
1936 wurde der Vierjahresplan ver- auf die Siegesallee, sondern steht Luft. — Was bedeutet das, fried- men Sie bitte noch weiter an, Ihnen 
kündet. Speer plante zunächst ins- rechtwinklig zur _kurfürstlichen fertiges Bauen in Berlin? In den würden Flügel wachsen und Sie 
geheim, wurde 1937 per Gesetz all- Achse. Natürlich sind alle Ehrenmä- Grenzen von 1937? Gewiß nicht, _schwebten 100 m über dem Boden. 
mächtiger Generalbauinspekteur ler häßlich oder präziser gesagt sou- aber die Grenzen von 1945 sollenes Da sähen Sie schon viel mehr. Viel- 
und unterrichtete 1938 wohlweislich verän im Geschmack. Doch darauf ja nun auch nicht sein. Also in wel- leicht den Reichstag, Bäume, die 
die Öffentlichkeit nur verbal. 1939 kommt es gar nicht an, es kommt chen Grenzen? In weimarer, wihel- große Achse, Autos usf. — und in 
wurden die ersten Festpunkte darauf an, warum etwas wo wie minischen, preußischen, gar bran- 1000 m Höhe sähen Sie noch viel 
geschaffen: im Norden der Spree- steht. Bei demonstrativer Architek- denburgischen Grenzen? Wo bleibt mehr: Moabit, die Spree, den gan- 
durchstich, im Süden ausgerechnet tur interessiert eben zuallererst die die Gegenwart von West-Berlin, zen Tiergarten usf. und mit zuneh- 
ein Haus des Fremdenverkehrs Bedeutung d.h. die Legierung politi- wenn die Stadt in eine scheinbar bes- mender Höhe würden Sie immer 
(heute Kunstforum, witzig, nicht scher und topologischer Zusammen- sere Vergangenheit oder Zukunft mehr sehen ....... aber gerade hier 
wahr?). Bis zur Schlacht von Stalin- hänge. Deshalb ist es auch völlig flieht? Und ist eine Flucht schon liegt der entscheidende Fehler: Sie 
grad wurde abgerissen. Zerstörun- gleichgültig, Ob nun die Nord-Süd- friedfertig? — Wenn man auf den sehen nämlich garnicht mehr, es ist 
gen durch Bomben betrachtete Verbindung diktatorisch gerade —Spreeinseln eine 750 Jahrfeier vor- immer das aliche Gesichtsfeld 
Speer als „wertvolle Vorarbeit“. Er oder demokratisch geschwungen bereitet, da mag das vielleicht hinge- geblieben. Und da liegt gerade der 
wurde 1942 Reichsminister für _daherkommt, denn es kann einem hen, aber hier am Reichstag, in Fehler aller Planung, das sie den 
Rüstung und Kriegsproduktion Baum ja ziemlich egal sein, ob erin Kreuzberg, im Wedding, am Kur- zentralisierenden Moachtanspruch 
Und jetzt? Was von den augen- einem geometrischen Garten oder fürstendamm wäre doch eine 100- erhebt, auch aus größtem Abstand, 
blicklichen Planungen bekannt einem ach so natürlichen englischen oder 125-Jahrfeier viel angebrach- noch jede Einzelheit zu kennen und 
geworden ist kennen Sie. Deshalb Park gefällt werden soll, entschei- ter. Der Westen Berlins ist eine sehr zu kontrollieren. Planung will glau- 
möchte ich das ganz Ihren Erwägun- dendist, daß und warum eine Nord- junge Stadt und dementsprchend ben machen, daß Sehen und Über- 
gen überlassen. Süd-Verbindung kommen soll. schwer wiegen 40 Jahre West-Ber- sehen dasselbe seien
	        

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