Anmerkung:
„Architektur (und Städtebau) heißt soviel wie die Schaffung von Inte-
rieurs, sowohl außen wie innen. - Ein halbes Jahrhundert lang lieferten
die Architekten ein Außen für den Menschen, auch innen. Das ist aber
gar nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe besteht darin, ein Innen zu schaf-
fen, auch außen.” (Aldo van Eyck).
In Gruppen gegeneinander versetzt, entstehen zwei entscheidende
Dinge: an der nach innen gerichteten Seite bekommen die Klassen-
räume einen erweiterten Ausblick, während von außen, vom Flur
S aus gesehen, die nach innen gezogenen Ecken so ausgebildet sind,
ä daß ein Zwischenraum mit eigenem Charakter entsteht, eine „Pro-
zeßfigur”. Sie ragt in den Raum des jeweils anderen hinein und wird
Montessor Schule, Delft, NL, 1966. Hermann Hertzh-- so als Ganzes nutzbar für das, was sich vielleicht zuerst nur an den
Ashant Häuser Ghana Rändern abspielen mag. Immerhin eine räumliche Ausgangsbasis
en für ein Mehr an Miteinander und gegenseitiger Partizipation. Sind
ET = darauf nicht immer alle Bewohner eines Hauses angewiesen?
ne Das Gebäude erschließt sich als Ministadt, wird überhaupt stadt-
De 1 artig, also qualitativ mehr als ein Haus. Eine Schule, getragen vom
a) Lu fa 1 Se selben Gedanken wie z. B. ein „Plan of a Chiefs Palace”: keine
S [san SR unsympathische Idee für eine Schule, voll von sonst so unmündig
Sn Sl Sa fe gehaltenen Kindern. Die assoziierte Wechselbeziehung von Ge-
5 sun ek 7 are bäude und Stadt beruht hier auf einer konsequenten Artikulierung
a ht LS von groß und klein, von eng und weit, außen und innen, hell und
en SE dunkel, Nische und Dazwischen, Rand und „Mitte”. Eine Sequenz
aa 1 Haren” miteinander kooperierender und gegenübergestellter Einheiten
HC MT] und Elemente findet man schon bei Aldo van Eyck’s Schule in
Nagele, auch in seinem Waisenhaus in Amsterdam, einem Mani-
Anmerkung: fest - das müßte doch spätestens 1985 beurteilt werden können.
Das Licht und der erwiderte Blick, der also von mindestens zwei Seiten, Anmerkung:
sind die Archetypen des Fensters und seiner Wände - nicht nur und Wie vielleicht sowieso die Qualität des kräftigen und aufrechten Gangs
nicht vor allem das Fenster als Gegenstand. Das zeigt doch auch Aldo in der Selbstverständlichkeit liegt, in der die Schnittmenge von Polaritä-
van Eyck und nicht nur in seiner Kirche. Herman Hertzberger nimmt ten gefunden wird. Es sieht nicht so aus, aber selbst stramm aufgestellte
das auf. Männer kennen nicht das „Stehen im Gleichgewicht”. „Steht oder fällt
Da findet man in einer Schule in Delft innenliegende Figuren von er im Punkt des Gleichgewichts, fällt der Mann auf die Nase (wenn er
Fenster und Wand, Figuren, die nicht deshalb ansprechen, weilsie geht) oder er fällt um (wenn er steht)”. Deshalb bewege den Menschen
Figuren sind, sondern weil sie verzahnen, weil sie auch umkehren „die permanente Suche nach Gleichgewicht”. (Negt/Kluge). Gerade das
(etwas was auf Autobahnen ja nicht erlaubt ist): positiv und negativ. Stramme schwankt.
Weil sie z. B. Außeres (hier der Flur) und Innenwelt (hier der Klas- Wo das eingefangen ist, was dazwischen liegt, sind die Gegensätze
senraum) ins Verhältnis zueinander bringen und jeweils den sorg- aufeiner neuen Stufe vereint. Im Mütterhaus in Amsterdam begeg-
fältig prüfbaren Zugang zum anderen gestatten. Die Zugänge zu neich z.B. dem Alten, nachdem das Neue sich mir erschlossen hat
den Klassenräumen sind umgeben von Wänden, die zurückwei- - und mit der Freiheit beides wieder verlassen zu können. Hier, wo
chen, die die Außenräume nach innen eindringen und die Innen- der Ausblick auch nach hinten gestattet ist, trifft doch das Ereignis
räume sich nach außen erweitern lassen. des Übergangs auf das „gestaltgewordene Dazwischen”. Das hebt
sich ab von dem, was räumliche Kontinuität genannt wurde und in
Wirklichkeit doch nur nach akademischem Muster gestrickter, lee-
rer Raum blieb - fast paradoxe Umkehrung also: seiner Aufhebung
entsprach. Hier wird doch umgekehrt der (leere) Raum zu einem
prägnanten Ort und die (abstrakte) Zeit zu einem den Menschen
prägenden Ereignis, das Dauer beansprucht.
Und auch (Raum-)Richtungen werden hier wie dort in der Polari-
tät von Eindeutigkeit und Mehrdeutigkeit besonders spannend
in der Art und Weise, wie sie in ihrer Überschneidung verdichtet
werden. Hier bleibt man nicht auf eine starre Deutung fixiert, da hat
vieles Andeutungscharakter, bleibt vieles nicht ausformuliert. Das
. verzichtet auf jede Befehlsgewalt. Ist das etwa nicht ein nützliches
© mm. . | da Prinzip; Nutzung nahezulegen, die nichts mit abstrakter Funktions-
bestimmung zu tun haben will?
Schule Nagele, NL, 1955, Aldo van Eyck Im Grundriß haben wir es mit der Dialektik der „Auflösung” des
Ganzen zu tun (etwas, was den (Raum-)Teilen Eigenständigkeit
Waisenhaus Amsterdam, 1960, Aldo van Eyck verleiht) und - auf der anderen Seite - der Verbindung der Teile
a. (etwas, was dem Ganzen die nötige Stabilität, die Einheit gibt).
a m a Haben das nicht schon die Kubisten gelehrt? Da braucht es ord-
ta el nungsgebende Elemente für das Ganze, die mehr repräsentieren
HE N Pa ‚als nur nach welchem Schema auch immer benannte Funktionen.
FE Fr a _- E E % Da wird ein Trägersystem benötigt, das Regularität gibt und gleich-
- Fz El B A zeitig Variationen zuläßt: eine Struktur.
er TE Anmerkung:
a 1 Jeder Austausch nach wenigstens zwei Richtungen hin ist auf Redun-
E EL! danz angewiesen. Sie liefert natürlich nicht alleine die zur Kommunika-
| d a % tion notwendige Vertrautheit, weckt das Vertrauen und schafft so eine
SO al. Sr Bedingung für ein zutrauliches Verhältnis.
C a Ein Grundriß einer Wohnung darf keine Autobahn sein - das
[m liegt auf der Hand. Eine Ordnung nach vorgefaßten Kategorien ist