Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1985, Jg. 18, H. 79-83)

LEN 
Der weitgehende Ausschluß und hues), möchte ich den Lesern und „Das Abenteuer der Ideen”, die sich 
die Unterrepräsentanz der „deut- _Kennern der örtlichen Situationen Kleihues zum Berichtsjahr der IBA 
schen Nachwuchsarchitekten” bei überlassen. Der „Orts”-Begriff, der von Lampugnani in der Berliner 
den beiden großen Inszenierungs- an den reduktionistischen Norberg- Neuen Galerie hat inszenieren 
veranstaltungen neuerer Archi- Schulz’schen „genius loci” erinnert lassen. 
tektur, der Eröffnung des Deut- (vgl. meine Rezensionen in 78 und Demgegenüber gibt sich Hämers 
schen Architekturmuseums in 79 ARCH*), prägt alle Beschreibun- Statement zum „IB A-Alt”-Konzept 
Frankfurt und dem „Bilanzierungs- gen jener Projekte, die nach Werner sehr zurückhaltend („Renovation 
versuch” der IBA in Berlin im ver- grob dem „‚aufgeklärten’ deutschen urbaine: pour des relations plus 
gangenen Jahr motivierten ihn zur Neo-Rationalismus” zuzurechnen sensibles avex la ville”, 45 f). Kurze 
Darstellung und zu einem „Klassifi- sind. Eine Textanalyse, das Auf- Erwähnung finden die Ursachen 
zierungs”-Versuch der jüngeren zeigen der inneren Widersprüche und Bedingungsgründe der Heraus- 
deutschen Architektur. „Erste der Entwürfe und zwischen bildung des Konzepts deı 
wichtige Orientierungshilfen” für Anspruch und Entwurf und eine „renovation urbaine discrete”, die 
seinen eingestandenermaßen ganz persönliche Einschätzung der 1983 im Berliner Abgeordneten 
schwierigen Versuch, Ordnung in Ästhetik und der vermittelten haus verabschiedeten 12 Grund 
die Vielfalt der jungen Architektur- Bedeutungsgehalte muß ich mir sätze der behutsamen Stadterneue- 
szene zu bringen, seien die „natio- leider an dieser Stelle verkneifen; rung, die Konflikte und Rückschläge 
nalen Autoritäten” der Nachkriegs- dies würde den Rahmen dieser der letzten Jahre, die Ergebnisse 
zeit, die „zu regelrechten Vater- Rezension bei weitem übersteigen. zum Berichtsjahr und das Pro- 5.“ . 
Figuren für diese oder jene Archi- Wohltuend heben sich davon die gramm bis 1987. Zum Schluß seiner Werk ist ein Schulbau ganz in 
tekturauffassung” geworden wären Beschreibung und Erläuterung des Ausführungen berichtet Hämer, Aymonino’scher Tradition (z.B. des 
(z.B. Böhm, Behnisch, Mohl, „Internationalen Begegnungszen- daß ein merklicher Übergang zu naturwissenschaftlichen Gymna- 
Ungers und Kleihues). Zusammen- trums” (Steidle/Geiger/Lux) in verspüren sei von einer hoffnungs- siums gleich nebenan): Grundrisse 
fassend bemerkt Werner, daß die Berlin-Wilmersdorf ab. Steidle losen Situation, von der Resignation und Ansichten, die auf dem 
neuere deutsche Architektur „rela- beschreibt den Versuch, ein zusam- und Ablehnung der Bewohner hin „Modul” des Quadrates basieren, 
tiv arm an extremen Außerungen” —menhängendes Baukonzept für die zu ein bißchen Hoffnung und einer Erschließungsverläufe wie Arka- 
sei, Bedenklich findet er „die tiefe, unterschiedlichen Aufgabenbe- wachsenden Identifikation. „La den, Galerien, Rampen, Treppen, 
weltanschauliche Kluft” zwischen reiche des Projekts zu entwickeln. rechute qui en decoulerait seraiten die den Baukörper strukturieren 
den dominanteren Auffassungen, Dieser Versuch der Integration von effet catastrophique” (Hämer). und „endlose” Reihen gleichartiger 
„die durch das ideologische Aus- bau- und stadtstrukturellen, diffe- Die Statements der beiden IBA-  Fensteröffnungen. Zur Vervollstän- 
einanderdriften der IBA-Teile renzierten funktionalen, sozial- Direktoren stehen im Zusammen- digung (und erhofften urbanen Be- 
‚Stadterneuerung und ‚Stadtneu- räumlichen und Ökologischen hang mit Lore Ditzens Deskription lebung) des Campus fehlt jetzt nur 
bau’ ... eher vertieft als überwun- Dimensionen deutet an, daß - da der Ursachen und Bedingungen der noch der dritte Bauabschnitt, das 
den” werde. Die vorhandenen stimme ich Werner zu - „abseits Entwicklungslinie zur IBA von sog. „Centro Civico” mit Bibliothek, 
Denkansätze und Handlungsweisen postmoderner Attitüden” so eine ihren Vorläufern bis zu denjüngsten Versammlungsräumen u. a. Gleich- 
böten doch „gerade der neueren „mögliche Form einer eigenstän- Widersprüchen, Schwierigkeiten sam als Anhang zu der Dokumenta- 
Architektur ein beachtliches Funda- digen deutschen Gegenwartsarchi- und Konflikten im IBA-Alltag tion über Pesaro wird noch der Ent- 
ment für Strategien einer gegen- tektur aussehen könnte” (Werner). („Lernprozesse”, 33 ff). Für sie ver- wurf von Aymonino u. a. für das 
wartsbezogeneren, sozialeren Es verwundert darum auch nicht, heißt „die Zukunft ... kaum Erleich- neue Krankenhaus in Venedig- 
Architektur, die selbst pluralisti- daß Steidle dem „neuen ... Formen- terung” - da ist ihr wohl zuzustim- Mestre vorgestellt. 
schen Auffassungen genug Raum repertoire der Architektur ... in men. An die Politik stellt sie die In New York wird wieder gebaut: 
geben könnte - ...”. Läßt Werner Deutschland und anderswo” ableh- Forderung, „das ‚neue Verständnis Wolkenkratzer, Wohnkomplexe, 
den geneigten Leser über seine nend gegenübersteht („Das ‚Prinzip von Stadtbau’ glaubwürdig zu kommerzielle Einrichtungen. Casa- 
„Klassifikations”-Kriterien weitge- Hoffnung’ in der Erneuerung der stützen”. Inwieweit diese Forderung bella beschäftigt sich mit diesem 
hend im Dunkeln, so kommt in Stadt”, 32). Für ihn sind „die Bedin- CGehörfindetund wie stark der „wirt- neuen Bauboom, der durch private 
dieser Argumentation die Schwäche gungen für eine neue urbane schaftliche Druck” und die politi- Investoren, „Developers”, vorange- 
seiner gesamten Ausführungen Ordnung und einen neuen architek- schen Anspruchsformulierungen trieben wird und den ökonomischen 
zum Vorschein, das Fehlen einer tonischen Ausdruck wenig hoff- und Legitimationsversuche der nun Mechanismen, die dahinter stecken 
eindeutigen, kritischen Distanz. (Im nungsvoll”. Auf der Grundlage bestätigten bürgerlichen Koalition anhand von vier Fallbeispielen: dem 
Gegensatz dazu der erfrischende seiner Erfahrungen mit beiden IBA- in Berlin-West vor allem die „IBA- Uferbereich der Battery Park City, 
Beitrag von Sybille Maus über die Teilen scheint sich fürihn nurinder Alt” negativ treffen werden, wird die dem brachliegenden Eisenbahnge- 
„sogenannte junge deutsche „IBA-Alt”, dem gemeinschaftlichen Zukunft zeigen - die Weichen sind lände Lincoln West, dem innerstädti- 
Kunst”: „Ich in Deutschland-West”, Versuch eines Teams, „auf die Prob- gestellt. schen Bereich des Union Square und 
47 ff.) Ich meine, die erwähnten leme des Ortes und der Zeit in ihrer dem Zentrum des Nachtlebens, 
Denkansätze, soweit sie differen- vollen Komplexität architektoni- Times Square. 
ziert in der Werneienen Deskrip- sche Antworten und Konzepte zu Casabella Nr. 507; Nov. 1984 5 Der Bent N das Boundary 
tion überhaupt erkennbar werden, finden”, in ihren „neuen, ihren . ; : treet Estate in der vergangenen 
sind zu gegensätzlich, z.T. in sich zu experimentellen, manchmal real- TEST SUNG Seh ESS On Nummer von Casabella wird in die- 
widersprüchlich, so daß sie kaum utopischen Komponenten” das Ausgabe: Jumes Surling. Care ser Ausgabe mit einem Beitrag über 
untereinander kompatibel sind - „Prinzip Hoffnung” in der Erneue- A mOninO New York und "London das Millbank Estate, einem zweiten 
das ist auch gut so! Gerade die rung der Stadt ansatzweise zu N orgeste jit wird das jüngste Pro- innerstädtischen Sanierungsprojekt 
gegenwärtigen Verhältnisse fordern verkörpern. jekt von James Stirling für eine öf des London County Council aus den 
einen eindeutigen theoretisch-ana- Von Hoffnungen spricht auch der fentliche Bibliothek in Latina in Ita-  ahren 1899 bis 1902, fortgesetzt. 
Enter En politischen gegenwärtige Berliner Ober- lien. Wieder einmal beschränkt sich Michael Peterek 
 bichaune Gestmmter Archifale EEE und, verbes-  Stirling nicht bloß auf den Ed 
; 5 serer Kleihues ın seinem emen eines Gebäudes (in diesem Fall ein . 
turauffassungen führen muß, ande- ur JBA („Die Rekonstruktion der langgestreckter, Ge ehtechıca Bau- TRANSPARENT 7 bis 12 - 84 
rerseits aber auch eine Kumulation zerstörten Stadt”, 41 f). Kleihues körper mit zwei großen, zylindri- Der Erscheinungstermin der Dop- 
vereinbarer Auffassungen und | meintaber etwas qualitativ anderes, schen Rotunden als den Zentralräu- pelhefte — der Manuskripte für Ar- 
Denkansätze ermöglichen kann, nämlich die „den Städten (!?) inne- men der Bibliothek), sondern er cChitektur, Theorie, Umraum, 
Die folgende Vorstellung geplan- wohnende Kraft und Hoffnung ..., sucht die Auseinandersetzung mit Kunst — verzögerte sich, auch wenn 
ter und ausgeführter Projekte wirkt sich stets zu erneuern, ohne die dem Kontext: Der ehemalige Bau- der Sachverhalt eines „Ein-Mann- 
wie eine selektiv ausgewählte Illu- Spuren der Geschichte zu ver- block wird in einen öffentlicher. Betriebes” nicht mehr zutrifft. Aber 
stration der Wernerschen „Bemer- leugnen”, Er möchte durch „Rekon- Park verwandelt, der die vorhande- auch Umstellungen, Organisations- 
kungen”. Natürlich dürfen beieiner struktion” und „Verbesserung” der nen Bauten als Gartenpavillons auf. veränderungen benötigen eine An- 
solchen Veranstaltung die „Väter” „zerstörten Stadt” an „die Gesetz- nimmt und den Neubau als einer,  laufzeit. Als Schwerpunkte der drei 
nicht fehlen; das Haus Mohl in mäßigkeiten und die konstituieren- die Grünanlage dominierenden Hefte können genannt werden: Pla- 
Karlsruhe und das Kleihues’sche den Elemente der Stadt”, den bau- Palazzo” mit vorgelagerter Loggia nen und Bauen in der sogenannten 
Atelierhaus in Berlin. Inwiefern das lich-räumlichen Aufbau, den Stadt- präsentiert. Dritten-Welt mit Beispielen aus Ne- 
Mohlsche Werkbundhaus ein „Bei- grundriß und das „Bild der Stadt”, Seit über zehn Jahren ist Carlo pal und Neu-Guinea; Architektur- 
trag zu den Stadtplanungsprob- erinnern. Soziale und sozialräum- Aymonino in Pesaro tätig: zunächst Objekte und Projekte aus Öster- 
lemen an einem bestimmten Ort” liche Aspekte des Stadtbaus, die im in der Altstadt (Entwicklungspları reich; Kunst, anspruchsvolle Deko- 
sein kann (so der Anspruch des Kleihues’schen Legitimationsver- für das historische Stadtzentrum, ration und Spielaktion; Freiraum- 
Baden-Württembergischen Werk- such natürlich nicht fehlen, däm- Neubau von Wohnungen), später nutzung. Kurzbeiträge, Buchbe- 
bundes) und inwieweit das Atelier- mern nur als Marginalien in seinem am Stadtrand (Projekt für den „Cam- sprechungen, Arbeitsdokumenta- 
haus von Kleihues die „Besonder- Konzept dahin. Wie dieses „Ge- pus Scolastico”). Nach Fertigstel tionen in Kurzform (HfG Linz) un- 
heit des Ortes” respektiert, sich an schichtsbewußtsein” strukturiert ist, lung des zweiten Bauabschnittes terstreichen das breite Spektrum. 
ihm „orientiert” und der „Qualität erhellt der kritische Bericht von dem Berufsschulzentrum, widme:‘ das diese Zeitschrift als Anrepung 
des ausgeprägt erlebnisspezifischen Helfenstein („Beim Zeitgeist zum (Casabella dem Campus einen aus- zur Auseinandersetzung immer 
Ortes gerecht werden kann” (Klei- Aperitif”, 62 f) über die Ausstellung führlichen Bericht. Das jüngste wieder anbietet.
	        
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