Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1987, Jg. 20, H. 88-92)

Tempel oder die palladianischen Villen 
stehen. J. Glancey führt uns in die Kin- 
derstube und die Studienzeit der Genera- 
tion Norman Fosters zurück, um die Ver- 
bindung beider plausibel werden zu las- 
sen. 
N orman Foster beauftragte John 
» Batchelor jenes Farbposter mit 
Details zu zeichnen, das der Juli-Ausga- 
be 1983 von Architectural Review beige- 
heftet ist. John Batchelor? Der Name 
mag zunächst in Architektenkreisen 
nicht vertraut klingen, aber eine große 
Zahl englischer Architekten, die ab Mit- 
te der 30er Jahre geboren sind, werden 
sein Talent kennen. John Batchelor war 
es, der jene hervorragenden Zeichnun- 
gen von Raketen, Schiffen, Flugzeugen, 
Autos, Zügen und Kränen für ’Eagle‘ 
(Adler) anzufertigen pflegte, den wahr- 
scheinlich schönsten Comic für Jungen, 
der je publiziert wurde - eine Inspiration 
für eine ganze Generation englischer 
Architekten und Ingenieure. "Eagle 
war durch und durch optimistisch in be- 
zug auf die Errungenschaften und Mög- 
lichkeiten moderner Technologie und 
war nicht wegzudenken aus einem Kin- 
derzimmer, das vollgeräumt war mit 
Stabilbaukastenteilen, auseinanderge- 
nommenen Rennwagen, Spielzeugautos 
und Ian Allans ’ABC der Britischen 
Eisenbahnlokomotiven‘. Die erste Ge- 
neration, die mit John Batchelor und 
dem ’Eagle‘ aufgewachsen war, begann 
in den späten 50er und frühen 60er Jah- 
ren ihr Berufsleben. Ihre tiefverwurzel- 
te Liebe zur Maschine trat hervor wäh- 
rend der heißen, weißen Revolution der 
Ära Wilson in Archigrams ’Plug-in-Ci- 
ties’, in einer Hochachtung fiir die 
Schriften Buckminster Fullers und den 
Bauten von Jean Prouvé. Die Manner, 
die die Comic-Vision inspiriert hatte, 
kamen nun in Berührung mit einer neu- 
en Generation, die ihrerseits von den 
Blättern des Comics inspiriert worden 
war. Norman Foster gehört zu dieser 
zweiten Generation. « 
»Betrachten wir das Sainsbury Cent- 
re. Es ist in die Landschaft so elegant ge- 
setzt wie ein englisches, palladianisches 
Landhaus in seinen Park. Zugleich ist es 
jedoch Teil jener Welt, die vom 'Eagle', 
vom Stabilbaukasten oder von Colin 
Chapmans Lotus-Autos beschworen 
wird.« 
»Wenn Sainsbury als ein heutiger 
griechischer Tempel interpretiert wer- 
den kann, dann sollte an Fosters Ausbil- 
dung an der Manchester Universität 
erinnert werden. Ahnlich wie an vielen 
anderen der weniger "progressiven' 
Schulen zu dieser Zeit wurden dort noch 
die Studenten angehalten, die Säulen- 
ordnungen zu zeichnen und Ferien, das 
hieß toskanische Villen zu skizzieren 
oder auch heimliche Trips in das Skandi- 
navien von Jacobsen, Utzon und. Erski- 
ne. Während dieser Zeit hatte Foster be- 
gonnen, seine eigenen Intentionen zu 
klären. die Verbindungen zwischen Sie- 
na und Cape Canaveral, den architekto- 
nischen Ingenieurarbeiten Buckminister 
Fullers und denen des Autodesigners 
Colin Chapman wurden geknüpft. Der 
’Adler‘ war gelandet.« (Glancey) 
Nicht nur seine Protagonisten auch 
High-Tech hat seine Kindertage hinter 
sich gelassen. In der Aufbruchszeit der 
Ara Wilson » . . . war High-Tech noch 
grundsätzlich gegen Kunst, Gegenstand 
der Beschäftigung waren ’Bauen als (nie 
endender) Prozeß‘ und die Unbestimmt- 
heit der Nutzung. Das Versprechen war 
fröhlicher Spaß für alle. Wie sich die 
Dinge gewandelt haben. Englische 
High-Tech-Architektur ist nunmehr 
ganz anders. Nicht länger ’Anti-Art‘, 
sondern ’High-Art‘, streben die Bauten 
nicht so sehr danach pragmatischer und 
spielerischer Prozeß zu sein als raffinier- 
te und elegante Vollblüter. Die Wende- 
punkte waren Fosters Willis Faber Du- 
mas und Piano & Rogers Centre Pompi- 
dou.« (Buchanan ’83) 
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MIT HIGH-TECH UND 
HANDWERKSKUNST . 
igh-Tech bevorzugt ingenieur- 
»H mäßige und industrielle Ent- 
wurfspraktiken, ein entsprechendes Er- 
scheinungsbild und Konstruktionstech- 
niken aus dem 'Stabilbaukasten', welche 
Standardelemente direkt aus dem Her- 
stellerkatalog verwenden. Es ist schon 
ein professioneller Mythos, daD Flexibi- 
litát, Schnelligkeit und Effizienz bei ei- 
ner 'Architektur von der Stange‘ Kosten 
spart, einer Architektur, die ehrlich ist 
gegenüber ihren industriellen Baumate- 
rialien und die nicht von ästhetischen 
Kriterien, persönlichem Geschmack 
oder modischer Vorliebe regiert wird, 
sondern durch eine ’strukturelle Lo- 
gik'... 
Wenn Vorfertigung, Funktionalismus 
und Anti-Asthetik die Schlüsselelemen- 
te des Rüstzeugs von High-Tech sind, 
wie kann man dann Verbindungen zwi- 
schen High-Tech und Handwerkskunst 
ziehen oder das Argument aufrecht er- 
halten wollen, daß High-Tech verant- 
wortlich zeichnet für die Wiedereinfüh- 
rung von handwerklichem Geschick in 
die Bauindustrie? 
Es muß der doppelte Mythos, daß 
High-Tech eine nur von funktionalisti- 
schen Grundsätzen beherrschte, vorfa- 
brizierte und anti-ästhetische Architek- 
tur ist, hinterfragt werden. 
Eine Hochzeit zwischen Handwerks- 
kunst und High-Tech klingt gewollt pa- 
radox oder nach einer rein journalisti- 
schen Laune. Es ist keines von beidem. 
Die Arbeit mit leichten Stahlkonstruk- 
tionen unterliegt einer Anzahl beson- 
ders schwieriger Zwänge. Hängekon- 
struktionen z.B. erfordern eine unge- 
wöhnlich exakte und hochqualifizierte 
Detaillierung. Eine Dachkonstruktion 
aus Gittertragwerken reagiert auf Last 
und Druck sowohl mit vertikaler Bewe- 
gung als auch mit horizontalem Schub 
entlang der diagonalen Achsen, wäh- 
rend die Wärmeausdehnung in den Au- 
Benskeletten in eine starke Seitwärtsbe- 
wegung übertragen wird. Diese hatte bei 
der Fleetguard Fabrik von Richard Ro- 
gers & Partner eine Größenordnung von 
40 mm. Um mit solchen Variablen um- 
gehen zu können, darf man sich nicht 
nur auf das Spezialwissen der Ingenieure 
verlassen, sondern man muß ebenso auf 
die Geschicklichkeit und kreative Vor- 
stellungskraft der Schweißer, Stahlske- 
lettmonteure,und — Metallblechschnei- 
der, Verkleidungsmonteure, Werkzeug- 
macher und Designer setzen. Weit da- 
von entfernt eine geschulte Arbeiter- 
schaft überflüssig zu machen, beruhen 
High-Tech-Gebáude auf der Zusam- 
menarbeit von Handwerkern und sie 
fungieren sogar als Treibhaus für die 
Entwicklung industriellen Handwerks. 
Wenn auch die Grundelemente von 
High-Tech-Gebáuden noch aus der Se- 
rienproduktion kommen mógen, so ent- 
stehen doch immer Situationen, die be- 
sonders entworfene und angefertigte 
Teile erfordern. 
Die  Aluminium-Verkleidung des 
Sainsbury Centre’s von Foster Associa- 
tes wurde als charakteristisches Design 
speziell für dieses Gebäude entwickelt, 
während die Gerberettes des Centre 
Pompidou aus der regulären Produktion 
von Krupp stammen. Auch die Fähig- 
keit vor Ort zu improvisieren kann we- 
sentlich dafür sein, daß der Zeitplan ein- 
gehalten wird oder daß nicht vorherseh- 
bare lokale Schwierigkeiten überwun- 
den werden. Architekten arbeiten daher 
nicht länger in ’glorious isolation‘. Sie 
müssen sich auf die Expertise eines 
Fachteams verlassen können, und zwar 
sowohl am Zeichenbrett und während 
des Planungsstadiums, als auch später 
während des Zusammensetzens vor Ort. 
Die folgenden praktischen Erfahrungen 
illustrieren diesen Zusammenhang . . . 
Bei der Fleetguard Fabrik von Ri- 
chard Rogers & Partner wird das Ge- 
wicht des Daches von Stáben zwischen 
der oberen Decke und den Hauptsáulen 
getragen. Diese Stábe sollten miteinan- 
der durch Standardgabelstücke verbun- 
den werden, die an ihren Enden ver- 
schweifit wurden. Nun stellte aber Cha- 
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