Wind zu machen‘, wie Peter Cook einst
sagte, und darauf vertrauen, daß seine
Entwürfe tatsächlich die versprochene
Leistung liefern.« (Banham ’82)
»In jedem Falle ist die high-tech-spe-
zifische Anwendung (der Methoden des
Maschinenbaues) deutlich anders als die
ingenieurgemäße — in der Tat sind es ge-
rade diese Unterschiede, die es erlauben
von Architektur statt Ingenieurbau zu
reden. Indessen, bei Lloyd’s können die
Unterschiede so subtil und winzig sein,
daß Irritationen verständlich sind. Bei
genauem Hinsehen jedoch wird eine sol-
che Verwechslung unentschuldbar. Mit
jedem einzelnen Detail konfrontiert —
z. B. der Befestigung der Geländerpfo-
sten der Außentreppen — erblickt man
eine Entwurfslösung, welche ihrem We-
sen nach in der normalen Ingenieurpra-
xis nicht entwickelt werden würde. Ein
Ingenieur dürfte in der Tat einen Gelän-
derpfosten für den halben Preis gemacht
haben, aber das Ergebnis wäre nicht
halb so als Architektur zu würdigen. Das
soll nicht heißen, daß die Architektur
nicht noch enorm viel von gerade den
einfachsten Vorgehensweisen der Inge-
nieure zu lernen hätte und es verkleinert
auch gewiß nicht die entscheidende Be-
deutung des Beitrags, den Ingenieure
wie Peter Rice beim gesamten Design
von Lloyd’s geleistet haben. ’Enginee-
ring‘ ist eine Weise Dinge zu entwerfen,
Architektur ist eine andere. Der
Triumph von Lloyd’s ist es, paradoxer-
weise, daß es so oft schwierig ist, beide
auseinanderzuhalten. — Nichtsdesto-
trotz spürt man angesichts von Lloyd’s
einen neuen Beweis dafür, daß letzten
Endes ’alles Architektur ist‘.« (Banham
'86)
»... gerade die Freiheit der Wahl
macht den Funktionalismus in der Praxis
so anspruchsvoll — und so erfreulich,
wenn er gelungen ist. Die Doktrin ist,
wie de Zurko in seinen Schlußfolgerun-
gen sagt, im Grunde genommen plurali-
stisch und schreibt keinen besonderen
Satz von Antworten vor. Das macht sie
herausfordernd für die Entwurfspraxis
und so herausfordernd für diejenigen
von uns, die zu ihrer Erklärung ange-
setzt haben: Wenn der Funktionalismus
so vielgestaltig ist, wie können wir dann
sagen, wann er richtig und ästhetisch ge-
lungen ist? Ein Teil der Antwort mag
man wiederum bei dem Vater des mo-
dernen Funktionalismus finden — nicht
bei Louis Sullivan, dessen Slogan ’Form
follows function‘ sicherlich fast eine
Tautologie ist, sondern bei Horatio
Greenough, dessen Formulierung der
Beziehung zwischen Funktion und As-
thetik sowohl plausibler als auch beun-
ruhigender ist: '. . . Schónheit ist das
Versprechen der Funktion, die den Sin-
nen gefällig gemacht wird!‘ Dies wider-
spricht nicht dem, was de Zurko über die
Gasraffinerie sagte, aber es legt die
ästhetische Verantwortung fest zurück
in die Hände des Architekten/Entwer-
fers. ’Den Sinnen gefällig machen‘ ver-
langt die volle Ausübung des traditionel-
len Geschicks der Profession und ihrer
gepriesenen Talente.« (Banham ’82)
HIGH-TECH:
EINMAL KLASSIZISTISCH,
EINMAL GOTISCH
Banhams Einordnungsprobleme in die
Moderne sind für Buchanan offensicht-
lich keine Fragestellung. Seine Analyse
der Formensprache von High-Tech
greift auf die Vorbilder der Gotik und
der Renaissance bzw. des Klassizismus
zurück:
N ormann Foster und Richard Ro-
» gers - ursprünglich auch Partner
— waren seit jeher verbunden als die bei-
den Superstars der englischen High-
Tech-Architektur — ein alles umfassen-
des Etikett, das beide zurückweisen.
Beide setzen Gebäude (zum Teil) oft bis
an die Grenzen der technischen Mög-
lichkeiten aus wiederholbaren Elemen-
ten zusammen, die aus den alten, indu-
striellen Materialien Metall, Glas und
Kunststoff vorfabriziert sind. Beide nei-
gen der Konzeption des ’All-Raums‘ zu,
der durch mechanische und elektrische
Versorgungseinrichtungenbedient wird,
so dab er flexibel zu nutzen ist und belie-
big unterteilt werden kann. Aber die
Unterschiede zwischen ihren bekannte-
sten Bauten sind ebenso schlagend wie
ihre Ahnlichkeiten. Wáhrend Foster ein
Klassizist genannt werden kann, sind die
wichtigen Arbeiten von Rogers ent-
schieden gotisch.
Klassizistische Gebäude tragen ein
Dekorum, dessen sowohl sozialer wie
architektonischer Ausdruck konventio-
nell vermittelt ist. Sie sind geschlossen
und vollendet in der Form. Die Komple-
xitát der Funktionen und die Anpassung
des Raums an diese werden axialer
Symmetrie untergeordnet und versteckt
hinter formal gestalteten Fassaden, de-
ren Komposition sich weitgehend eines
nur begrenzten Vokabulars wiederhol-
barer Elemente bedient, wie Sáàulen und
Fenstern, die sorgfältig als unabhängige
ikonografische Elemente geformt und
nichtsdestoweniger in Maßstab und
Form auf das Ganze zugeschnitten sind.
Foster’s Bauten sind gleichfalls ge-
schlossen in der Form, selbst wenn es
sich um ausgedehnte Komplexe handelt.
Sie sind axialsymmetrisch oder haben ei-
ne starke interne Achse, wie im Fall von
Willis Faber und dem Hammersmith-
Projekt und sie verschlucken die Kom-
pliziertheiten von Struktur, Funktion
und Grundrif hinter einer glatten Haut,
die sich aus einer minimalen Zahl von
Elementen zusammensetzt.
Auch diese bis hin zu knapper Ele-
ganz verfeinerten Elemente sind wahr-
haft ikonografisch. D. h. sie schaffen ein
neues Dekorum; keines historischer
Konvention, sondern eines des struktu-
rellen 'Minimalismus' und der verordne-
ten Effizienz. Das Versprechen, das die-
se Bauten einzulósen suchen, ist viel-
leicht das der Leistung in Reinform oder
das einer Befreiung durch Technik hin
zu einem unbeschwerten Egalitarismus,
aber innerhalb eines eng definierten
(und daher einschránkenden) und or-
chestrierten Ganzen.
Gotische Bauten neigen dazu indivi-
dualistischer, weniger durchs Protokoll
eingezwängt zu sein und Konventionen
eher auszuweiten als zu verfeinern. Viel-
falt wird in ihrer toleranten Asthetik zu
Reichtum statt zur Dissonanz und so
kann jede Komponente ein Eigenleben
aufweisen. Rogers’ Hauptwerke, das
Centre Pompidou und nunmehr
Lloyd’s, sind beide offen in der Form,
scheinbar unvollständig, der Bauvor-
gang hört erst auf, wenn die Anpassung
an die Aufgaben hinreichend gelungen
ist. Wie die Gotik, so zelebrieren auch
diese Bauten die Konstruktion (und die
Versorgungseinrichtungen), indem sie
sie an der Außenseite zur Schau stellen.
Die Betonung liegt weniger auf der Ge-
samtform als auf den Details und dem
System. Und architektonischer Reiz
entsteht aus der Zusammenballung von
strukturellen, verkleidenden, mechani-
schen und erschließenden Bauteilen, je-
der von ihnen ist relativ autonom in der
Form und manchmal auch in der Situ-
ierung. Unter der heroischen Zurschau-
stellung von Elementen scheint die
Struktur von Rogers! Bauten zu stóh-
nen, zu zerren und manchmal gar freu-
dig zu jauchzen und in der Regel kommt
ein Surren mechanischer Vorgänge hin-
zu.
Foster's Bauten sind zurückhaltender
und weniger angestrengt — Struktur und
Versorgungsleitungen sind eben einfach
da. Nebensáchliches ist so beiläufig be-
handelt, da es nicht von der Gesamt-
form, dem Raum und seinen Haupter-
eignissen, ablenkt.
Beide Ansátze versprechen architek-
tonische Vorzüge. Foster's Bauten sind
sehr, sehr elegant und in einem gewissen
Sinn sind sie viel perfekter als die von
Rogers. Aber sie kónnen eine entmuti-
gende, ja abschreckende Eigenschaft
aufweisen: Ihre Zurückhaltung, die Zu-
rücknahme von Substanz und Form, die
Reduktion der Elemente lassen sie vor-
beieleiten oder kurz anhalten. aber ei-
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