Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1987, Jg. 20, H. 88-92)

Wind zu machen‘, wie Peter Cook einst 
sagte, und darauf vertrauen, daß seine 
Entwürfe tatsächlich die versprochene 
Leistung liefern.« (Banham ’82) 
»In jedem Falle ist die high-tech-spe- 
zifische Anwendung (der Methoden des 
Maschinenbaues) deutlich anders als die 
ingenieurgemäße — in der Tat sind es ge- 
rade diese Unterschiede, die es erlauben 
von Architektur statt Ingenieurbau zu 
reden. Indessen, bei Lloyd’s können die 
Unterschiede so subtil und winzig sein, 
daß Irritationen verständlich sind. Bei 
genauem Hinsehen jedoch wird eine sol- 
che Verwechslung unentschuldbar. Mit 
jedem einzelnen Detail konfrontiert — 
z. B. der Befestigung der Geländerpfo- 
sten der Außentreppen — erblickt man 
eine Entwurfslösung, welche ihrem We- 
sen nach in der normalen Ingenieurpra- 
xis nicht entwickelt werden würde. Ein 
Ingenieur dürfte in der Tat einen Gelän- 
derpfosten für den halben Preis gemacht 
haben, aber das Ergebnis wäre nicht 
halb so als Architektur zu würdigen. Das 
soll nicht heißen, daß die Architektur 
nicht noch enorm viel von gerade den 
einfachsten Vorgehensweisen der Inge- 
nieure zu lernen hätte und es verkleinert 
auch gewiß nicht die entscheidende Be- 
deutung des Beitrags, den Ingenieure 
wie Peter Rice beim gesamten Design 
von Lloyd’s geleistet haben. ’Enginee- 
ring‘ ist eine Weise Dinge zu entwerfen, 
Architektur ist eine andere. Der 
Triumph von Lloyd’s ist es, paradoxer- 
weise, daß es so oft schwierig ist, beide 
auseinanderzuhalten. — Nichtsdesto- 
trotz spürt man angesichts von Lloyd’s 
einen neuen Beweis dafür, daß letzten 
Endes ’alles Architektur ist‘.« (Banham 
'86) 
»... gerade die Freiheit der Wahl 
macht den Funktionalismus in der Praxis 
so anspruchsvoll — und so erfreulich, 
wenn er gelungen ist. Die Doktrin ist, 
wie de Zurko in seinen Schlußfolgerun- 
gen sagt, im Grunde genommen plurali- 
stisch und schreibt keinen besonderen 
Satz von Antworten vor. Das macht sie 
herausfordernd für die Entwurfspraxis 
und so herausfordernd für diejenigen 
von uns, die zu ihrer Erklärung ange- 
setzt haben: Wenn der Funktionalismus 
so vielgestaltig ist, wie können wir dann 
sagen, wann er richtig und ästhetisch ge- 
lungen ist? Ein Teil der Antwort mag 
man wiederum bei dem Vater des mo- 
dernen Funktionalismus finden — nicht 
bei Louis Sullivan, dessen Slogan ’Form 
follows function‘ sicherlich fast eine 
Tautologie ist, sondern bei Horatio 
Greenough, dessen Formulierung der 
Beziehung zwischen Funktion und As- 
thetik sowohl plausibler als auch beun- 
ruhigender ist: '. . . Schónheit ist das 
Versprechen der Funktion, die den Sin- 
nen gefällig gemacht wird!‘ Dies wider- 
spricht nicht dem, was de Zurko über die 
Gasraffinerie sagte, aber es legt die 
ästhetische Verantwortung fest zurück 
in die Hände des Architekten/Entwer- 
fers. ’Den Sinnen gefällig machen‘ ver- 
langt die volle Ausübung des traditionel- 
len Geschicks der Profession und ihrer 
gepriesenen Talente.« (Banham ’82) 
HIGH-TECH: 
EINMAL KLASSIZISTISCH, 
EINMAL GOTISCH 
Banhams Einordnungsprobleme in die 
Moderne sind für Buchanan offensicht- 
lich keine Fragestellung. Seine Analyse 
der Formensprache von High-Tech 
greift auf die Vorbilder der Gotik und 
der Renaissance bzw. des Klassizismus 
zurück: 
N ormann Foster und Richard Ro- 
» gers - ursprünglich auch Partner 
— waren seit jeher verbunden als die bei- 
den Superstars der englischen High- 
Tech-Architektur — ein alles umfassen- 
des Etikett, das beide zurückweisen. 
Beide setzen Gebäude (zum Teil) oft bis 
an die Grenzen der technischen Mög- 
lichkeiten aus wiederholbaren Elemen- 
ten zusammen, die aus den alten, indu- 
striellen Materialien Metall, Glas und 
Kunststoff vorfabriziert sind. Beide nei- 
gen der Konzeption des ’All-Raums‘ zu, 
der durch mechanische und elektrische 
Versorgungseinrichtungenbedient wird, 
so dab er flexibel zu nutzen ist und belie- 
big unterteilt werden kann. Aber die 
Unterschiede zwischen ihren bekannte- 
sten Bauten sind ebenso schlagend wie 
ihre Ahnlichkeiten. Wáhrend Foster ein 
Klassizist genannt werden kann, sind die 
wichtigen Arbeiten von Rogers ent- 
schieden gotisch. 
Klassizistische Gebäude tragen ein 
Dekorum, dessen sowohl sozialer wie 
architektonischer Ausdruck konventio- 
nell vermittelt ist. Sie sind geschlossen 
und vollendet in der Form. Die Komple- 
xitát der Funktionen und die Anpassung 
des Raums an diese werden axialer 
Symmetrie untergeordnet und versteckt 
hinter formal gestalteten Fassaden, de- 
ren Komposition sich weitgehend eines 
nur begrenzten Vokabulars wiederhol- 
barer Elemente bedient, wie Sáàulen und 
Fenstern, die sorgfältig als unabhängige 
ikonografische Elemente geformt und 
nichtsdestoweniger in Maßstab und 
Form auf das Ganze zugeschnitten sind. 
Foster’s Bauten sind gleichfalls ge- 
schlossen in der Form, selbst wenn es 
sich um ausgedehnte Komplexe handelt. 
Sie sind axialsymmetrisch oder haben ei- 
ne starke interne Achse, wie im Fall von 
Willis Faber und dem Hammersmith- 
Projekt und sie verschlucken die Kom- 
pliziertheiten von Struktur, Funktion 
und Grundrif hinter einer glatten Haut, 
die sich aus einer minimalen Zahl von 
Elementen zusammensetzt. 
Auch diese bis hin zu knapper Ele- 
ganz verfeinerten Elemente sind wahr- 
haft ikonografisch. D. h. sie schaffen ein 
neues Dekorum; keines historischer 
Konvention, sondern eines des struktu- 
rellen 'Minimalismus' und der verordne- 
ten Effizienz. Das Versprechen, das die- 
se Bauten einzulósen suchen, ist viel- 
leicht das der Leistung in Reinform oder 
das einer Befreiung durch Technik hin 
zu einem unbeschwerten Egalitarismus, 
aber innerhalb eines eng definierten 
(und daher einschránkenden) und or- 
chestrierten Ganzen. 
Gotische Bauten neigen dazu indivi- 
dualistischer, weniger durchs Protokoll 
eingezwängt zu sein und Konventionen 
eher auszuweiten als zu verfeinern. Viel- 
falt wird in ihrer toleranten Asthetik zu 
Reichtum statt zur Dissonanz und so 
kann jede Komponente ein Eigenleben 
aufweisen. Rogers’ Hauptwerke, das 
Centre Pompidou und nunmehr 
Lloyd’s, sind beide offen in der Form, 
scheinbar unvollständig, der Bauvor- 
gang hört erst auf, wenn die Anpassung 
an die Aufgaben hinreichend gelungen 
ist. Wie die Gotik, so zelebrieren auch 
diese Bauten die Konstruktion (und die 
Versorgungseinrichtungen), indem sie 
sie an der Außenseite zur Schau stellen. 
Die Betonung liegt weniger auf der Ge- 
samtform als auf den Details und dem 
System. Und architektonischer Reiz 
entsteht aus der Zusammenballung von 
strukturellen, verkleidenden, mechani- 
schen und erschließenden Bauteilen, je- 
der von ihnen ist relativ autonom in der 
Form und manchmal auch in der Situ- 
ierung. Unter der heroischen Zurschau- 
stellung von Elementen scheint die 
Struktur von Rogers! Bauten zu stóh- 
nen, zu zerren und manchmal gar freu- 
dig zu jauchzen und in der Regel kommt 
ein Surren mechanischer Vorgänge hin- 
zu. 
Foster's Bauten sind zurückhaltender 
und weniger angestrengt — Struktur und 
Versorgungsleitungen sind eben einfach 
da. Nebensáchliches ist so beiläufig be- 
handelt, da es nicht von der Gesamt- 
form, dem Raum und seinen Haupter- 
eignissen, ablenkt. 
Beide Ansátze versprechen architek- 
tonische Vorzüge. Foster's Bauten sind 
sehr, sehr elegant und in einem gewissen 
Sinn sind sie viel perfekter als die von 
Rogers. Aber sie kónnen eine entmuti- 
gende, ja abschreckende Eigenschaft 
aufweisen: Ihre Zurückhaltung, die Zu- 
rücknahme von Substanz und Form, die 
Reduktion der Elemente lassen sie vor- 
beieleiten oder kurz anhalten. aber ei- 
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