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hatte, den Bauten in Nordafrika, den Ar-
beiten von Candilis (sehr Corbu-beein-
fluBt), von Emery, von Leuten, deren Na-
men man heute kaum mehr kennt. In Bern
waren wir allein, aber drauBen, da sah
man, was diese Corbu-Anregungen ausló-
sen konnten.
Man sah, daß man das ganze Bauen und
Wohnen eben anders ansehen konnte. —
Und als wir vom Tech weggingen, Gerber
und ich, da hatten wir gelost, wer geht zu
Corbu, wer versuchts bei Niemeyer. Ich
zog das Corbu-Los und ging mich vorstel-
len. Ich glaube, ich war einer unter 800,
habe lange mit Wogensky gesprochen, bis
zu Corbu bin ich gar nicht durchgedrun-
gen. Und Gerber, der ging nach Siidame-
rika. - Das war alles todernst gemeint.
Man wollte Schüler sein und konnte es gar
nicht. Man wollte noch genauer lernen.
Wir hatten damals ganz wenige Publika-
tionen, abgegriffene, wir kannten die Er-
zählungen Corbus über seine Erlebnisse in
Rio.
du Fresne: Man sah also in diesen Bü-
chern, wie die Sachen gemacht waren, ver-
suchte durch intensives Betrachten, durch
Lesen zu verstehen.
Pini: Und ganz wichtig: Gerber und ich,
wir haben jeglichen anderen Lehrer refu-
siert. Es war gar nicht môglich, unsin einer
Schule zu einem Abschluß zu führen. Was
andere Schüler durchaus akzeptiert hat-
ten, von irgendeinem Lehrer gelehrt zu
werden, das ging für uns nicht. Für uns wa-
ren das alles drittklassige Lehrer, ob nun
am Tech oder an der ETH, da gab es kei-
nen, von dem wir das Gefühl hatten, er
hátte ein Recht, uns waszulehren. Wir ha-
ben die Schule verlassen. - Am Abend
hattest du den Meister und am Tag, da hát-
test du deinen Lehrer akzeptieren müssen
- unmóglich. Innerhalb eines halben Jah-
res hatten wir Krach, innerhalb eines Jah-
res muBten wir gehen. — Wir hatten ja auch
keinerlei Existenzangst. Wir waren nicht
die, die da etwa Ängste hatten, was ge-
schehen sollte ohne Diplom. Corbu hatte
ia auch keins. Wenn er es so gemacht hat-
7 Küche
8 Terrasse
9 Schlafraum
0 Bad
2 Galerie
13 Bibliothek
te, was sollten wir uns abbrauchen mit
Leuten, die gar nichts zu sagen hatten. —
Und unsere große Liebe zu Corbu, unsere
absolute Begeisterung, war natürlich ein
Fundament für die Gruppe, wie es danach
ein solches nicht mehr geben konnte. —
Wir stiegen ein ins absolute Nichts. Es war
eine wahnsinnig schöne Zeit. Eine Zeit
der Vorbehaltlosigkeit, eine Zeit des
Glaubens an sich selber. Die Rückschläge
kamen dann schon. Aber eine der Stärken
des Atelier 5 ist natürlich seine Entste-
hungsgeschichte. Heute müssen wir unse-
re Kräfte woanders suchen.
du Fresne: Kannst du ja auch, ich denke da
an die Mensa”, das war doch eine verwirk-
lichte Vision, die vereinigend wirken
konnte... doch zurück.
Pini: Diese Zeit der beschränkten Per-
spektive hatte doch vieles erleichert, da-
mals.
du Fresne: Ich sehe da einen rezepthaften
Ansatz. Die Vorstellung, daß sich aus ei-
nem ungeheuren Wissen um die Architek-
tur die Möglichkeit ergeben könnte,
Schlüsse zu ziehen, die zu einem gebauten
Werk führen (nicht zu verbalen Außerun-
zen oder Geschriebenem), die ist mit Fra-
gezeichen zu versehen. - Die Geschichte
des Atelier 5 zeigt da einen vóllig anderen
Weg. Sie ist die einer totalen Abkapse-
lung, einer total einseitigen Ausrichtung
und Konzentration auf ein Vokabular, auf
eine Sprache. Wo man nicht wußte, wie
sich ausdrücken, nahm man das Wörter-
buch zur Hand. Und zwar ein ganz be-
stimmtes, einseitiges Wörterbuch.
Pini: Aus Musterschülern gibt es wohl kei-
ne Architekten, Schreiberlinge vielleicht.
du Fresne: Und gewisse Dinge sind sich
doch durchaus gleich geblieben. Dieses
nicht Akzeptieren eines anderen Lehrers.
Wir haben ja nicht andere Vorbilder auch
noch akzeptiert, so wie man das heute et-
wa bei einem Galfetti sehen kann, der sich
plötzlich für Wagner interessiert, für den
Wiener Städtebau, ich denke da an sein
Projekt der Post Bellinzona. - Das heifit,
man hat gelernt, in einem Paar Schuhe zu
gehen, ein zweites Paar, das man noch
ausprobieren wollte, gab es nicht. Das hat
uns wahrscheinlich von der Qualität her
gesehen den Kragen gerettet.
Pini: ... Und von der Möglichkeit, zusam-
men zu arbeiten, denn schon über die rich-
tige Interpretation innerhalb der Corbu-
Schule hat es ja einigen Streit gegeben bei
uns. Ich denke da zum Beispiel an Müller
Thun”. — Diese Abkapselung, diese Kon-
zentration, das ist eine ganz wichtige Sa-
che. Nur in diese Einseitigkeit konnte und
kann man sich total hineinsteigern.
du Fresne: Die Kritik an Müller Thun, das
war ja eine Kritik an der Opulenz, eine
Kritik am Zuviel.
Pini: Hier sah man plótzlich eine Gefahr,
daß zu hemmungslos nachgearbeitet wur-
de. Hier kam schon die Frage auf, ob denn
das nicht eine zu einfache Art sei, Corbu
nachzuleben, nachzustricken. Das Pro-
blem ‚Lernen oder Kopieren’, das war auf
Mitte rechts: Grundriß 3. Stock
unten: Längsschnitt
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