Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1987, Jg. 20, H. 88-92)

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hatte, den Bauten in Nordafrika, den Ar- 
beiten von Candilis (sehr Corbu-beein- 
fluBt), von Emery, von Leuten, deren Na- 
men man heute kaum mehr kennt. In Bern 
waren wir allein, aber drauBen, da sah 
man, was diese Corbu-Anregungen ausló- 
sen konnten. 
Man sah, daß man das ganze Bauen und 
Wohnen eben anders ansehen konnte. — 
Und als wir vom Tech weggingen, Gerber 
und ich, da hatten wir gelost, wer geht zu 
Corbu, wer versuchts bei Niemeyer. Ich 
zog das Corbu-Los und ging mich vorstel- 
len. Ich glaube, ich war einer unter 800, 
habe lange mit Wogensky gesprochen, bis 
zu Corbu bin ich gar nicht durchgedrun- 
gen. Und Gerber, der ging nach Siidame- 
rika. - Das war alles todernst gemeint. 
Man wollte Schüler sein und konnte es gar 
nicht. Man wollte noch genauer lernen. 
Wir hatten damals ganz wenige Publika- 
tionen, abgegriffene, wir kannten die Er- 
zählungen Corbus über seine Erlebnisse in 
Rio. 
du Fresne: Man sah also in diesen Bü- 
chern, wie die Sachen gemacht waren, ver- 
suchte durch intensives Betrachten, durch 
Lesen zu verstehen. 
Pini: Und ganz wichtig: Gerber und ich, 
wir haben jeglichen anderen Lehrer refu- 
siert. Es war gar nicht môglich, unsin einer 
Schule zu einem Abschluß zu führen. Was 
andere Schüler durchaus akzeptiert hat- 
ten, von irgendeinem Lehrer gelehrt zu 
werden, das ging für uns nicht. Für uns wa- 
ren das alles drittklassige Lehrer, ob nun 
am Tech oder an der ETH, da gab es kei- 
nen, von dem wir das Gefühl hatten, er 
hátte ein Recht, uns waszulehren. Wir ha- 
ben die Schule verlassen. - Am Abend 
hattest du den Meister und am Tag, da hát- 
test du deinen Lehrer akzeptieren müssen 
- unmóglich. Innerhalb eines halben Jah- 
res hatten wir Krach, innerhalb eines Jah- 
res muBten wir gehen. — Wir hatten ja auch 
keinerlei Existenzangst. Wir waren nicht 
die, die da etwa Ängste hatten, was ge- 
schehen sollte ohne Diplom. Corbu hatte 
ia auch keins. Wenn er es so gemacht hat- 
7 Küche 
8 Terrasse 
9 Schlafraum 
0 Bad 
2 Galerie 
13 Bibliothek 
te, was sollten wir uns abbrauchen mit 
Leuten, die gar nichts zu sagen hatten. — 
Und unsere große Liebe zu Corbu, unsere 
absolute Begeisterung, war natürlich ein 
Fundament für die Gruppe, wie es danach 
ein solches nicht mehr geben konnte. — 
Wir stiegen ein ins absolute Nichts. Es war 
eine wahnsinnig schöne Zeit. Eine Zeit 
der Vorbehaltlosigkeit, eine Zeit des 
Glaubens an sich selber. Die Rückschläge 
kamen dann schon. Aber eine der Stärken 
des Atelier 5 ist natürlich seine Entste- 
hungsgeschichte. Heute müssen wir unse- 
re Kräfte woanders suchen. 
du Fresne: Kannst du ja auch, ich denke da 
an die Mensa”, das war doch eine verwirk- 
lichte Vision, die vereinigend wirken 
konnte... doch zurück. 
Pini: Diese Zeit der beschränkten Per- 
spektive hatte doch vieles erleichert, da- 
mals. 
du Fresne: Ich sehe da einen rezepthaften 
Ansatz. Die Vorstellung, daß sich aus ei- 
nem ungeheuren Wissen um die Architek- 
tur die Möglichkeit ergeben könnte, 
Schlüsse zu ziehen, die zu einem gebauten 
Werk führen (nicht zu verbalen Außerun- 
zen oder Geschriebenem), die ist mit Fra- 
gezeichen zu versehen. - Die Geschichte 
des Atelier 5 zeigt da einen vóllig anderen 
Weg. Sie ist die einer totalen Abkapse- 
lung, einer total einseitigen Ausrichtung 
und Konzentration auf ein Vokabular, auf 
eine Sprache. Wo man nicht wußte, wie 
sich ausdrücken, nahm man das Wörter- 
buch zur Hand. Und zwar ein ganz be- 
stimmtes, einseitiges Wörterbuch. 
Pini: Aus Musterschülern gibt es wohl kei- 
ne Architekten, Schreiberlinge vielleicht. 
du Fresne: Und gewisse Dinge sind sich 
doch durchaus gleich geblieben. Dieses 
nicht Akzeptieren eines anderen Lehrers. 
Wir haben ja nicht andere Vorbilder auch 
noch akzeptiert, so wie man das heute et- 
wa bei einem Galfetti sehen kann, der sich 
plötzlich für Wagner interessiert, für den 
Wiener Städtebau, ich denke da an sein 
Projekt der Post Bellinzona. - Das heifit, 
man hat gelernt, in einem Paar Schuhe zu 
gehen, ein zweites Paar, das man noch 
ausprobieren wollte, gab es nicht. Das hat 
uns wahrscheinlich von der Qualität her 
gesehen den Kragen gerettet. 
Pini: ... Und von der Möglichkeit, zusam- 
men zu arbeiten, denn schon über die rich- 
tige Interpretation innerhalb der Corbu- 
Schule hat es ja einigen Streit gegeben bei 
uns. Ich denke da zum Beispiel an Müller 
Thun”. — Diese Abkapselung, diese Kon- 
zentration, das ist eine ganz wichtige Sa- 
che. Nur in diese Einseitigkeit konnte und 
kann man sich total hineinsteigern. 
du Fresne: Die Kritik an Müller Thun, das 
war ja eine Kritik an der Opulenz, eine 
Kritik am Zuviel. 
Pini: Hier sah man plótzlich eine Gefahr, 
daß zu hemmungslos nachgearbeitet wur- 
de. Hier kam schon die Frage auf, ob denn 
das nicht eine zu einfache Art sei, Corbu 
nachzuleben, nachzustricken. Das Pro- 
blem ‚Lernen oder Kopieren’, das war auf 
Mitte rechts: Grundriß 3. Stock 
unten: Längsschnitt 
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