ZEITUNG
Die Auslegung
Insgesamt 110 Quadratmeter
Wohn- und Arbeitsfläche sind
aufgeteilt in einen Arbeitsbe-
reich als klimatechnische Puffer-
zone undin eine Zone mit beheiz-
Eingang
Fotos: Dieter Kaspari
Die Architekturlehre an unseren
Hochschulen hat aufgrund be-
schränkter Studiendauer und des
steigenden Lehrstoff-Umfanges
sehr an Spontaneität verloren. Es
scheint auch nicht möglich, die-
sen Mißstand im Rahmen der re-
guláren Vorlesungs- und
Übungsroutine zu beheben. Be-
sonders in Füchern, in denen das
Be-Greifen von Zusammenhän-
gen vom realistischen Erleben,
von „actio-reactio“ abhängig ist,
wie inden konstruktiven Fächern
und besonders beim Entwerfen
von Tragwerken, müssen daher
von den Studierenden und ihren
Lehrern außerlehrplanmäßige
Leistungen erbracht werden.
Dies erscheint umso wichtiger,
als der hohe Abstraktionsgrad,
der z.B. bei heutigen rechneri-
schen Nachweisen notwendig ist,
oft die reale Erleb- und Nachvoll-
ziehbarkeit von Wirkzusammen-
hängen zwischen Last, Spannung
und Verformung in Abhängig-
keit von Materialwert und Bean-
spruchung der lastabtragenden
Form erschwert.
Zur Unterstützung der Lehr-
veranstaltungen in „Ingenieur-
hochbau“ (Tragwerksentwurf
bzw. angewandte Tragwerksleh-
re) und des Seminars „Bauen in
Entwicklungsländern“ errichte-
ten Studenten der Fachhoch-
schule Aachen im Fachbereich
Architektur unter der Leitung
des Autors eine pavillonartige
Gebäudestruktur aus Bambus
mit einer „Gitterschale“ als
Dachtragwerk. Das Projekt war
gleichzeitig Teil einer For-
schungsarbeit, deren Zielsetzung
es ist, für Entwicklungsländer
erdbebenwiderstandsfáhige, bil-
baren kleinen Räumen zum
Wohnen und Arbeiten. Ein an-
gebauter Energiespeicher soll
durch die Masse von 10 Tonnen
Rheinkies zur Klimastabilisie-
rung beitragen. Da das Gebäude
nur zeitweise genutzt wird, kann
man bei Sonneneinstrahlung die
Temperatur auch ohne zu lüften
sehr hoch gehen lassen und die
Überschußenergie speichern.
Durch äußerst geringe Massen
Grundrif
Einfach Bauen
ist (k)eine Kunst
Foto: Detlef Hansen
Experimente mit
Bambus und Lehm an der FH Aachen
lige Konstruktionen aus Ortli-
chen Materialien zu entwickeln,
die in Selbsthilfe errichtet wer-
den kónnen. Die verwendeten
Werkzeuge sollten móglichst ein-
fach, alle Verbindungsmittel in
abgelegenen Gebieten leicht er-
háltlich oder in Notfällen jeder-
zeit verfügbar sein. Bambus als
Baumaterial wurde gewählt, weil
es in vielen Teilen der Erde ko-
stenlos zur Verfügung steht, und
weil die Nutzer dieses Materials
oft schon traditionell mit der Be-
arbeitung zur Errichtung von
Wohngebäuden in Selbsthilfe
vertraut sind.
Die Form der Gitterschale für
die Dachkonstruktion erweist
sich aufgrund ihrer Flexibilität
als vorteilhaft gegenüber ande-
ren traditionellen Systemen. Die
Gitterschale verhält sich als zu-
sammenhängendes. weitgehend
im Wohn- und Arbeitsbereich
läßt sich die Temperatur im Be-
darfsfall sehr schnell wieder auf
ein vernünftiges Maß reduzieren.
Zur Regelung dieser Vorgänge
ist ein Prozeßrechner vorgese-
hen. Dieser wird auch die Viel-
zahl der anfallenden Maßdaten
registrieren und analysieren.
Die aus dem Bau und dem Be-
trieb des Gebäudes gewonnenen
Erkenntnisse sollen bei Ausle-
gung und Bau eines weiteren Ge-
bäudes mit ähnlicher Technik
verwendet werden. Dabei wird
mehr auf Wohnen Wert gelegt
werden. Glasflächen sollen dann
in Isolierverglasung ausgeführt
sein um den Nutzeffekt einer
nicht isolierverglasten Pufferzo-
ne, wie sie beim Bau des schon
realisierten Gebäudes vorgese-
hen ist, nach Möglichkeit auch
meßtechnisch zu verifizieren.
Nach einem geeigneten Standort
wird z.Z. noch gesucht. Wie hier
soll eine Einbindung in die natür-
liche Umgebung des Gebáudes
mit modernen Mitteln realisiert
werden.
Guenther Kunz
auf Druck bzw. Zug beanspruch-
tes System bei Erschütterungen
nachgiebig und belastet auch die
darunterliegenden Wandkon-
struktionen nicht mit horizonta-
len Lasten aus Gewólbeschub.
Nach einer äußeren Lasteinwir-
kung stellt sich die ursprüngliche
Lage der Einzelteile im Gesamt-
gefüge wieder von selbst ein.
Voraussetzung dabei ist aller-
dings daß die Gitterstábe in den
Knoten schubfest und gegen Ver-
drehen gesichert verbunden sind.
Vor der Errichtung des Ver-
suchsbaus waren zahlreiche Vor-
arbeiten notwendig, wie Form-
findungsuntersuchungen mit Hil-
fe eines Hängemodells, Detail-
entwicklung und Material- sowie
Bauteiltests im Labor.
Der Pavillon schließlich, mit
einer Grundfläche von 6,0 x 6,0
m stellt mit einem Minimum an
Materialeinsatz (ca. 60 kg Bam-
bus) und seinen einfachen Ver-
bindungsmitteln (Hanfseile, kei-
ne Schrauben oder andere Stahl-
teile) und mit einem Arbeitsauf-
wand von ca. 10 Stunden für 6 bis
10 „Selbstbauer“ eine ideale
Voraussetzung für das Tragge-
rüst eines einfachen, in Entwick-
lungsländern mit Bambusvor-
kommen sehr kostengünstigen
„Einfamilienhauses“ dar. Als Er-
gänzung dieses Versuchsbaus
werden zur Zeit Verbundkon-
struktionen aus Bambus, Jute
und Lehm für die Verwendung
als Wand- und Dachelemente un-
tersucht. Auch dabei fließen wie-
der die Kreativität und der frei-
willige Arbeitseinsatz von Stu-
denten in das Gesamtergebnis
ein
Bernd Baier
IF