kontrolle (wie bei der Genossen-
schaft) entfallen. Da das eindeu-
tige Unternehmensziel — dic Ge-
winnmaximierung — entfällt,
wächst zunächst der Handlungs-
spielraum; umgekehrt sind nun
Ziele komplexer, Anforderun-
gen oft höher, dafür sind auf-
grund von Politiknähe und Steu-
erbefreiung die Ressourcen teil-
weise größer. Jedenfalls sind nun
managerielles Handlungsfeld
und die Prinzipien der Komplexi-
tätsreduktion offener. Daher die
erhöhte Bedeutung wertgeleite-
ter Handlungssicherheit und
Kontrolle. Dafür sind aber eine
klare Gemeinwirtschaftsphiloso-
ohie, Organisationskultur und
individuelle — Wirtschaftsmoral
von strategischer Bedeutung.
Werden diese aber — wie jahr-
zehntelang in der gewerkschattli-
chen Gemeinwirtschaft — weder
gefragt noch gefórdert, dann set-
zen sich die Normen der privat-
wirtschaftlichen Umgebung
durch. Nur daß es dann in der Ge-
meinwirtschaft zu einer parado-
xen Umkehrung privatwirt-
schaftlicher Maximen kommt:
statt Gewinne zu internalisieren
und Kosten zu externalisieren,
wurden nun Gewinnmöglichkei-
ten externalisiert und Kosten in-
ternalisiert. Also: Kosten wur-
den einerseits regelrecht „produ-
ziert“ statt sie zu minimieren, da
die Gewinnausschüttung be-
grenzt wurde. Die Transforma-
tion von potentiellen Überschüs-
sen in Kosten kann beispielswei-
se die Form von Ausstattungslu-
xus, von überbetrieblichen Lei-
stungen, Höchstgehältern, über-
höhten Spenden und Geschen-
kenannehmen. „Fiktive“ Kosten
können andererseits auch inter-
nalisiert werden, um Gewinn-
möglichkeiten zu externalisie-
ren. Nicht-gemeinnützige Ge-
sellschaften wie die Terrafinanz,
Baustoffunion, Heizungs- und
Antennengesellschaften wurden
systematisch vor- und nachge-
schaltet, um dort verfügbare Ge-
winne zu Lasten der NH bezie-
hungsweise der Mieter und Steu-
erzahler zu machen. Und immer
waren es die Führungskader sel-
ber, die von diesem Geschäft mit
sich selber (teilweise versteckt
hinter Strohmännern) am mei-
sten profitierten. Ob BGAG
oder gar DGB als Organisatio-
nen davon profitierten, muß
noch geklärt werden. So wurde
die NH „gemolken“ bis sie an
Substanzverzehr kollabierte (der
natürlich auch der Veränderung
der objektiven Rahmenbedin-
gungen, Marktsättigung, ver-
fehlte Wachstums- und Boden-
oevorratungspolitik usw. ge-
schuldet war). Statt die Bestim-
mungen der Wohnungsgemein-
nützigkeit reformpolitisch zu ver-
treten und ideelles Kapital dar-
aus zu ziehen, haben Vorstände
und Eigentümer immer nur kurz-
fristig gedacht, die gemeinniitzig-
keitsrechtliche ^ Vermógensbin-
dung nur als lästige Schranke
empfunden und daher nie die
entsprechenden Eigenkapitaler-
höhungen vorgenommen. Inve-
stitionen aus Eigenmitteln und
Überschüsse wollte man tun-
lichst dort realisieren, wo man
ohne gemeinnützigkeitsrechtli-
che Sozialbindungen verfügen
konnte, beispielsweise bei der
NH-Städtebau oder Internatio-
nal.
All dies ist keine Frage indivi-
dueller Unmoral, sondern des
Fehlens einer anderen Moral.
Nur der Kadergeist einer Akade-
mie der Gemeinwirtschaft, ein-
gebettet in eine intellektuelle Re-
formkultur hätte hier ein anderes
Fundament legen können. Jene
aber wurde früh (in den Fünfzi-
ger Jahren) geopfert (heute
Hochschule für Wirtschaft und
Politik, Hamburg). Diese aber —
zum Beispiel in Gestalt einer
konkretisierten sektoralen Re-
formstrategie, wie es in den
Zwanziger Jahren durch Martin
Wagner, Bruno Taut als Gewerk-
schaftsstrategie gelang — hatte
zwischen den sozialpartner-
schaftlichen und den zu abstrakt
oppositionellen Flügeln der Ar-
beitnehmerorganisationen keine
Chance.
Selbstverwaltungsverbund statt
Konzern
Viertens: Wenn dieser Kader-
geist nicht technokratisch abdrif-
ten soll, muß er eingebunden sein
in den Diskurs mit den Betroffe-
nen: Bewohner, Belegschaft,
Vertreter des öffentlichen Le-
bens in den Stadtteilen. Dies war
auch das Konzept zu Beginn des
gewerkschaftlichen Engage-
ments 1924: Programmgebende
Muttergesellschaft (DEWOG),
örtliche professionelle Servi-
ceunternehmen und Verwal-
tungsgenossenschaften in allen
Siedlungen. Während die Nazis
dieses funktionierende differen-
zierte Selbstverwaltungskonzept
zerstörten und 1938 durch regio-
nal zentralisierte „Neue Heima-
ten“ ersetzten, pflegen die
Schweden und Norweger das von
uns importierte Konzept bis heu-
te erfolgreich: jede Baueinheit
eine Bewohnergenossenschaft
im Verbund mit der Mutterge-
sellschaft. Dort ruht die Gemein-
wirtschaft auf dem soliden Fun-
dament von tausenden von
Selbstverwaltungseinheiten. Die
kulturelle Basis von Demokratie
und Solidarität wird in täglicher
Kleinarbeit gesichert. Und das
soll bei uns nicht gehen? Längst
sind die programmatischen An-
sätze (WOHNBUND) da, erste
Beispiele von Bewohnergenos-
senschaften (Duisburg und
Frankfurt) auf dem Weg.
Traditionspflege und Perspekti-
vendebatte
Fünftens: Wer nicht weiß, woher
er kommt, kann auch nicht wis-
sen, wohin er geht. Die NH war
so traditionslos, daß sie nicht ein-
mal ihren Geburtstag im richti-
gen Jahr (nämlich 1924 in Berlin
und nicht der Zufall von 1926 der
Hamburger Regionalgründung)
feiert und sich auch nie vom Stig-
ma ihres Nazi-Namens und —
schlimmer noch - der NS-Orga-
nisationskonzepte (nàmlich Ver-
zicht auf Selbstverwaltungsorga-
nisationen in den Siedlungen) be-
freit hat. Eine Gemeinwirtschaft
ohne Pflege von Tradition, My-
then und Hoffnungen geht eben
nicht.
Diesem Unternehmen, einer
der Hauptlobbyisten der Bonner
Wohnungspolitik, ist es daher
auch nicht aufgefallen, dafs in ei-
ner Vielzahl von Schritten, an de-
nen die NH auch beteiligt war.
die objektive Funktion der
GWW geradezu ins Gegenteil
verkehrt wurde. War die GWW
ursprünelich Wohnreformsektor
im Dienste der Bewohner (Kon-
sumenten), von dem auch Re-
formdruck auf die vorgelagerten
kostentreibenden Märkte aus-
ging: bodenreformerische Be-
mühungen, gemeinwirtschaftli-
che Bemühungen im Baustoff-
und Bausektor (Bauhütten
usw.), Umgehung der Kapital-
marktfinanzierung durch Son-
derkreisläufe. So erscheint die
GWW heute, als in dieser Kette
einzig übrig gebliebener regulier-
ter Markt, als „sozialisierte‘“ Ab-
satzorganisation der Hochpreis-
politikinteressen der „liberali-
sierten* Vormärkte (Boden-,
Baustoff-, Bau- und Kapital-
markt), also der Produzenten.
Über die Institutionen WGG,
Sozialer Wohnungsbau, Kosten-
miete und Nachsubventionie-
rung werden die Gewinninteres-
sen der Anbieter in den Vor-
märkten staatlich gesichert statt
gedämpft und kontrolliert. Am
deutlichsten ist dies im Bereich
der Bodenpreise und Kapital-
kosten. Die Privatbanken haben
in den letzten dreißig Jahren ei-
nen einzigartigen Siegeszug voll-
bracht und alle Reste reformeri-
scher Sonderfinanzierungskreis-
läufe verdrängt. Die Bauhütten
sind zugunsten der Sozialpart-
nerschaft zu Beginn der sechziger
Jahre von der IG Bau, Steine, Er-
den geopfert worden. Bodenre-
form ist heute ein Fremdwort.
Konsument und Steuerzahler
sind dem ganzen hilfloser ausge-
liefert als dem reinen Marktsy-
stem. Der ruhmreiche gewerk-
schaftliche Aufbruch in die Woh-
nungspolitik der zwanziger Jahre
endete —- bitter und paradox zu-
gleich — im gleichsam „tariflich“
gesicherten Gewinn der Anbie-
ter in den wohnungswirtschaftli-
chen Vormärkten. Die NH sel-
ber wurde das erste Opfer. Es
können noch andere folgen.
Nun rächt sich, daß SPD und
Gewerkschaften es versäumt ha-
ben, mehr reformökonomisch-
ordnungspolitische Konzepte
aufzubauen: an Hochschulen,
Fortbildungsstätten, in den eige-
nen Programmen und Organisa-
tionen. Eine Gemeinwirtschaft
ohne Gmeinwirtschaftstheorie, -
politik und -kultur kann sich
nicht halten. Klaus Novy
Abschied von Henry Ford —
oder was zeigt der Untergang der Neuen Heimat an?
Der Verkauf der allergrößten
Teile des größten europäischen
Wohnungsunternehmens an den
Brotfabrikanten Schießer für den
symbolischen Preis von einer
Mark eignet sich für bissig bittere
Kommentare. Der Untergang
vollzieht sich ohne einen Funken
von Noblesse als Schmierenstück
kleiner und großer Versager.
Wenn das Aufsichtsratsmitglied
Vetter im Bundestagsausschuß
beteuert, er habe ‚von all dem,
arst (zu) spät erfahren, was an In-
vestitionspolitik in der Neuen
Heimat geschah, wird er gleich
darauf von Mitgliedern des Be-
triebsrates widerlegt. die schon
Jahre zuvor in zwei Gesprächen
auf die immense Überschuldung
hingewiesen haben. Vielleicht
haben die kleinen Abschrei-
bungsgeschäfte, die der Vor-
stand der Neuen Heimat an Vet-
ter vermittelte, die Erinnerung
verblassen lassen? Oder sind es
einfach die kleinen Lügen des
ehemaligen großen Vorsitzen-
den? Oder - um noch ein Beispiel
zu bringen — was ist von der
Wahrnehmungsfáhigkeit eines
Gewerkschafters, der bei der
Neuen Heimat engagierten HBV
zu halten, wenn er die Repräsen-
tationsbauten der NH in der Drit-
ten Welt verteidiet: .. Wir kÓnnen