ARCH'-ZEITUNG
nung und Architektur strebten
Goepfert und Hölzinger eher ei-
ne zeitgemäße Bestätigung des-
sen an, was einst Gegenstand des
Bauhauses gewesen war: ganz-
heitliches Gestalten. Zusammen
formulierten sie: ,, Wir sehen in
unserer Arbeit nicht das Produkt
des Architekten, in welches der
Kiinstler seine Arbeit mehr oder
weniger gut integriert, sondern
verstehen Integration so, daß aus
einer gemeinsamen künstleri-
schen Verhaltensweise und in
Reflektion auf alle Umweltfakto-
ren, die optischen wie die geisti-
gen, ein gemeinsames Ganzes
entsteht“.
Die Ästhetik kinetischer Archi-
tektur
Im Gegensatz zu den konstruktiv
bedingten Strukturen und modu-
laren Ordnungen, die das indu-
strialisierte Bauen erforderlich
macht, entwickelten Goepfert
und Hölzinger ein autonomes
Formvokabular. Die Elemente
„Winkel, Welle, Halbschale und
Spirale“, die sich vielfältig kom-
binieren und reihen lassen, nie-
mals aber einen Hinweis darstel-
len auf Wirtschaftlichkeit und
Funktion, beziehen ihre Legiti-
mation aus.der Überlegung, es
handle sich hierbei um „stilistisch
unbelastete Grundformen, in
welchen die Erscheinungen der
Natur ebenso enthalten sind wie
die Formfindungen und Aus-
druckswerte der Kultur- und
Kunstgeschichte“.
Natürlich kann ein „Aus-
druckswert der Kunstgeschich-
te“ nicht als stilistisch unbelastet
angesehen werden. Das Zitat ist
auch eher als ein Beispiel dafür
anzusehen, daß Goepfert und
Hölzinger darum wußten, daß ihr
Vokabular letztlich eine Vernei-
gung vor der rationalen geome-
trischen Form bedeutet. Ob sich
nun hieraus ein Formalismusver-
dacht ableiten läßt oder nicht:
Tatsache ist, daß Goepfert und
Hölzinger ihre Strukturen in ein
zwingendes Verhältnis mit Licht-
und Schattenreflektionen zu
bringen vermochten.
Beispielhaft steht hierfür das
im SchloBpark Karlsruhe für die
Bundesgartenschau 1967 reali-
sierte Seerestaurant, das ein voll-
endeter Versuch für die Uberset-
zung der Zero-Kunst in Archi-
tektur gewesen ist. Die Bauge-
stalt läßt sich noch heute auf Ab-
bildungen unmittelbar als Aus-
druck und Ergebnis einer Raum-
gitterkonstruktion mit einge-
nängten „winkelförmigen“
Lichtröhren erkennen, in denen
bewegliche Reflektoren ein kom-
plexes Spiel von farbigen Licht-
erscheinungen | auslósten. Die
SGesamtgestalt der miteinander
kombinierten Winkelelemente
steht für ein Experiment ein, des-
sen Gelingen sich in der ruhigen
chen Gemeine
-opntrup
Tu
l'eilansicht
Wasserfläche des Schloßgarten-
sees spiegelte.
Wie das Seerestaurant als eine
kinetische Architektur anzuse-
henist, so láBt sich die Gestaltung
des Karlsruher Schlofparks als
eine Übertragung der Idee des
.Optophoniums* auf einen
Landschaftsraum verstehen.
Hier wurden Bodenmodulierun-
gen, „blicksperrende Pflanzrie-
gel“, aber auch einzelne Zero-
Objekte nicht nur in eine dyna-
mische Raumfolge eingebunden,
sondern zugleich als eine Art
_Reflektoren“ behandelt, die auf
der riesigen Projektionsfläche
des Schloßgartens einem Licht-
konzert unterworfen wurden,
das nach dem Steuerungsprinzip
des „Optophoniums“ die Grün-
fläche ausleuchtete. Interessant
ist hierbei die Bemerkung, daß
die einzelnen — Gestaltungs-
schwerpunkte, mit denen der
Park strukturiert wurde, als Ak-
tionspunkte gedacht waren, „die
das passive Verhalten des An-
schauens in einen aktiven Mit-
vollzug umwandeln“.
Mit der Aufforderung zum ak-
tiven Mitvollzug wird eine
Grundbedingung kinetischer Ar-
chitektur und Umweltplanung
berührt. Vom Bodenrelief bis
zum Mehrfamilienhaus appellie-
ren die Entwürfe von Goepfert
und Hölzinger an den Betrach-
ter, sich in Bewegung zu setzen
und um die Objekte zu kreisen,
so daß diese selbst sich scheinbar
zu drehen beginnen und damit je-
ne Veränderungen der Licht-
und Schattenreflektionen zum
Ausdruck bringen, mit denen der
Planer gerechnet hat. Für die Ar-
chitektur Hölzingers, die nicht
nur als Lichtphänomen, sondern
auch unter dem ästhetischen Ge-
sichtspunkt einer „Verdichtung
im Raum“ zu beurteilen ist, ist al-
so nicht mehr im traditionellen
Sinn der Bewohner und Benutzer
Subjekt der Planungsarbeit, als
vielmehr der Betrachter. Dessen
Aktivierung steht vor dem Hin-
tergrund einer „Demokratisie-
rung“ der Kunstrezeption. Hier-
bei soll nicht länger der Grad der
Informiertheit und Bildung den
Zugang zum Verständnis ästheti-
scher Phänomene regeln, son-
dern ein Mitvollziehen, dem im
Prinzip jeder vorurteilslose
Mensch gewachsen ist.
Stellt sich manchem die Frage,
ob solcher Demokratisierungs-
tendenz nicht die Vornehmheit
der kinetischen Architektur, ihr
weißer „entmaterialisierter“
Charakter entgegensteht, so ist
doch zu bemerken, daß die ab-
strakten Formen, die Hölzinger
wählt, einen breiten Interpreta-
tionsspielraum und dadurch einen
leichteren Zugang gewähren, als
der erste Eindruck für möglich
hält. Ragt nicht das Wohnhaus
des Architekten dem Betrachter
wie eine Trutzburg entgegen?
Fragt man jedoch nach der Funk-
tion solcher autonomen Archi-
tekturformen, so springt sogleich
die enorme Transparenz der Pri-
vatsphüre ins Auge. Dem eher
abweisenden Äußeren der Ge-
bäude entspricht im Innern ein
geradezu befreiendes Raumge-
fühl. Bewußt oder unbewußt: für
ein solches Konzept wird Adolf
Loos als Pate zu nennen sein, des-
sen bekannte Vision von den
„weißen Mauern Zions“ sich im
übrigen wie eine Antizipation
der Zero-Asthetik lesen läBt.
Gerd de Bruyn
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