Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architektur und Städtebau (1988, Jg. 20, H. [93], Jg. 21, H. 94-97)

"L z' 
ARCH”* ZEITUNG 
Linke Seite: Entwurf für eine Villa 
auf Procida, 1938 
rechts oben: Bernard Rudofsky als Gast 
zines japanischen Lokals, 1957 
unten links: Garten des kaiserlichen 
Tempels, Kyoto, 1960, 
Photo: Rudofsky 
unten rechts: Luigi Cosenza und Ber- 
nard Rudofsky, Villa auf Procida, 1937 
Bernard Rudofsky 
In Memorıiam 
Bernard Rudofsky: ein Wiener das auf ihr basierte (1964). Die tekt betrachtet die Gesellschaft 
in Berlin, Neapel, Mailand, Sao Ausstellung wurde Ende der von einem besonderen Flucht- 
Paulo, New York, Tokyo und 0er Jahre geplant, gerade zur punkt: er ist ein „sozialer Apo- 
wieder in Wien. Er war ein un- rechten Zeit, als die Architektur stel“, dessen Wissen ihm er- 
konventioneller Mann. Erliebte blind dem Fortschritt und den laubt, verborgene Wahrheiten 
es mit Freude gegen den Strom Dogmender Moderne vertraute. zuenthüllen. Rudofskys zahllose 
zu schwimmen. Er reiste um die Bernard Rudofsky hatte eine Schriften enthalten Bemerkun- 
halbe Welt, füllte seine Reiseta- einflußreiche Position am Mu- gen zu jedem Aspekt des Le- raum oder inmitten des Lärms 
gebücher mit Skizzen seines wa- seum of Modern Art seit 1941, bens: Architektur (Architecture von New York sind seine Arbei- 
chen und Kritischen Vestandes, aber die Ausstellung wurde erst without Architects, 1964; Streets ten „Hymnen für ein gesundes, 
Seine scharfsinnigen Berichte 1964 eröffnet, nach dem Richard for People, 1968; The Prodigious selbstgenügsames Leben“; Iso- 
über Architektur und Habitus Neutra, Kenzo Tauge, Cio Ponti Builders, 1977); Haus (Behind Il1ation und die Suche nach direk- 
machten ihn bald zu einem ge- und Walter Gropius, der seine the Picture Window, 1931; Spar- tem Kontakt mit der Natur füh- 
suchten Berater. Überall, woer anfängliche Skepsis überwand, ta/Sybaris, 1988); Distanzverhal- renseiner Meinung nach zu inne- 
sich aufhielt, suchte er zulernen intervenierten. ten, Habitus und der Ferne Osten rer Ruhe. 
und weiterzukommnen. Er lebte Die Ausstellung war eın (The Kimono Mind, 1965; Now I Die Suche nach einem neuen 
20 Jahre in den USA, ohne sich Schlag ins Gesicht des Interna- Lay Me Down to Eat, 1980); Lebensstil führten ihn auch nach 
dem american way of life zu ver- tionalen Stils. Rudofsky brachte Kleidung (Are Clothes Mo- Japan; er beschrieb dieses Land 
schreiben. Aber er war fasziniert Beispiele vernakulärer Archi- dern?, 1947; The Unfashionable in einer Serie von Beiträgen für 
vom liberalen, kulturellen Kli- tektur, Konstruktionen ohne Human Body, 1973). domus. Erarbeitete mit Cio Pon- 
ma, fand dort Freunde wie Chri- statischen Nachweis, die er ge- Seine erste längere Reise nach ti und seiner Zeitschrift über 
sto, Saul Steinberg u.a.. Er war sammelt hatte, zusammen: Höh- Italien inden 30er Jahrenwarein mehrere Jahrzehnte zusammen. 
einer der besten Kenner der ja- len, Dolmen, Termitennester wichtiger Beitrag in der Ent- Inden Fußstapfen von Toynbee 
panischen Kultur, aber er schalt u.a.. Ihr einziges Dogma war ein wicklung seiner Asthetik. Inder und Mayekawa suchte Rudofsky 
die japanischen Modernisten, <ommon-sense-Verständnis von mediterranen Welt fand Rudofs- in orientalischer Einfachheit die 
nicht respektvoll mit der großen Architektur, das die Beziehung ky fundamentale Einsichten zur Basiselemente seiner ethischen 
Tradition ihres Landes umzuge- zwischen Zweck (Schutz, Vertei- Verbindung von modernem Le- Revolution. 
hen. digung, religiöse oder politische ben und Spiritualität (notwendig Die interdisziplinären For- 
In seinem überzeugenden und Feste) und verwandten Mitteln für eine Korrekte Balance). schungen dieses kosmopoliti- 
gewinnenden Stil suchte er Ge- zu optimieren suchte. Er favori- Mensch und Architektur inter- schen Mitteleuropäers, Inge- 
wohnheiten, Habitus zu erfor- sierte Archetypen, materielle agieren: die Heiterkeit der Um- nieurs und Malers sind heute 
schen, um übersehene Dinge ans Kulturen und Orte, die die An- welt korrespondiert mit dem noch aktuell, mehr noch, sie ha- 
Tageslicht zu bringen. Rudofsky wendung universeller Regeln Frieden des Individuums. Die ben einen überraschenden und 
war überzeugt, daß für Designer von vornherein ausschlossen. Villen, gebaut an der Küste von erfrischenden polemischen Ton 
das Studium extremer, selbst pa- Die Ausstellung gab Rudofsky Posillipo in Kooperation mit behalten. 
thologischer Formen lehrreich die Chance, die Idee, die zum Luigi Cosenza Ende der 30er Bernard Rudofsky starb letz- 
sei. Er verfolgte dieses Ziel mit Motto seines Lebens werden Jahre und das Hotel in Capri, ten Märzin Wien im Alter von 83 
kultureller Arroganz und mit sollte, weltweit bekannt zu ma- entworfen zusammen mit Cio Jahren. 
Büchern, Artikeln, Vorlesun- chen: keine neue Bauweise, eine Ponti, bieten Inspirationen für Paola A Ili 
gen, Ausstellungen und Bauten. neue Lebensweise tut not. die brasilianischen Villen und a0 Anton) 
Sein bekanntestes Projekt wa- Architektur ist nur einer der die Gartenhäuser über den Dä- 
ren die Ausstellung: Architecture Faktoren in der großen Revolu- chern von New York. Gebaut in 
without Architectsund das Buch. tion des Lebens. aber der Archi- Abstraktion vom Mittelmeer- Aus: domus. Nr. 697
	        
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