ist es nötig einige Dinge in Erinnerung zu Domenig vollzogen, und ich meine, daß wird.
rufen. Prix und Swiczinsky haben sicham einige Aspekte seiner Arbeit in diesen Zu Derrida zurückkommend, fällt auf,
Ende der siebziger Jahre von ihrer an- Jahren auch auf die Coop Einfluß ausüb- daß die subjektzentrierte, anthropomor-
fänglichen technoiden Haltung, als sie ten. Domenig hatte in der Mitte der sech- phe Dimension der Himmelblau-Projek-
Emotionen und psychische Zustände ziger Jahre (damals noch im Team mit Eil- te im Widerspruch steht zur Absicht der
durch spielerische Environments sichtbar fried Huth) eine Bautheorie erarbeitet, „Dekonstruktion“, die heroische, logo-
und greifbar machen wollten, abgewandt. die vom Gedanken der räumlichen Flexi- zentrische und anthropomorphe Konzep-
Die Diskrepanzen, Brüche und Spannun- bilität ausging. Gebäude sollten aufwech- tionder Vernunft in Frage zu stellen; auch
gen der Großstadtrealität sollten nicht selnde Anforderungen geschmeidig rea- wenn die ersten Skizzen der Coop jeweils
mehr durch Apparate dargestellt und ab- gieren können, sollten wachsen, „blind“ und impulsiv gezeichnet werden
reagiert werden, sondern sollten sich als schrumpfen, sich deformieren lassen. Mit und obwohl in den Himmelblau-Räumen
bauliche Realität unmittelbar materiali- der Forderung nach der beweglichen Hül- im Sinne Scharouns kein besonderer
sieren. „Unsere Räume sind pulsierende le wurde von den drei grundlegenden Standort vorgegeben wird und so der
Ballons‘“, hatten die Coop 1968 geschrie- räumlichen Komponenten —- Innenraum, Mensch selbst immer im Zentrum des
ben, „Unser Herzschlag wird zum Raum, Außenraum, Begrenzung — die letztere Raums sich befindet - Anti-Rationalität
unser Gesicht ist Hausfassade“. Ähnlich zum ausschließlichen Thema. Die dazu und gewollte Zufälligkeit folgen zwar
wie „Hausrucker & Co.“ experimentier- entwickelten Modelle orientierten sich ähnlichen Motiven, reichen aber nicht
ten sie damals mit einem Design, das — am Bild organischer Zellstrukturen. Die hin, um dies ein „dekonstruktives Verfah-
vom Vorbild der Flipper-Automaten aus- tragende Konstruktion wurde als „kon- ren zunennen. Die Widersprüche werden
gehend — technische Geräte zur Verstär- turbildendes Gerippe“ definiert, das mit noch deutlicher, mißt man den Totalitäts-
kung und Verräumlichung individueller abschließenden Häuten überzogen wird. anspruch (Architektur „muß“ brennen /
Gefühle anbot. Anstelle von konventio- Die Anpassung der Volumen an die je- So „müssen“ Gebäude dastehen...) an
nellen Wänden sollte der Bewohner der weils erzeugten Aktivitäten sollte mit Hil- dem, was gerade Derrida über die „Sehn-
„Villa Rosa“ von den elektronisch über- fe spezieller Gelenkteile und austausch- sucht nach Totalität“ aussagt.
setzten Projektionen etwa der Gesichts- barer Tragstäbe nach den Verformungs- Genau genommen war der (mit Mühe
muskelkontraktionen, also von einer fast mustern von ebenflächigen Viereck-bzw. und nur für Sekunden zum Brennen ge-
immateriellen, sich ständig verändernden Sechsecknetzen vor sich gehen. Die Uto- brachte) „Flammenflügel“ ein atavisti-
„vierten Haut“ umhüllt sein. 1977/78 pie kinetischer Veränderbarkeit und or- sches Projekt, verglichen mit dem aus La-
zeichneten Prix & Swi dann nicht mehr ganhafter Bewegungsfähigkeit, die „at- Sserstrahlen gebildeten Hologramm einer
luftige, therapeutische Maschinen, son- mende“ Gebäude erzeugen und die Fes- riesigen Fackel, die heuer bei „ars electro-
dern aggressive Pfählungen oder Zerreis- seln der gewohnten, festgefügten Gehäu- nica“ in Linz über die Donau hinwegflog,
sungen bestehender Bauten. Ich erinnere se sprengen sollte, schrumpfte in der Pra- wie auch das Maschinen-Styling des Lon-
mich beispielsweise an eine Skizze, wo xis dann zum formalen Abbild. Dynamik doner Lloyd-Gebäudes letztlich einem
Olbrichs Secession von einer riesigen Na- und Bewegung, als prozeßhafte, vom Pathos des 19. Jahrhunderts verpflichtet
del schräg durchbohrt wird. In der Reiss- Nutzer zu steuernde Qualitäten dem Bau- bleibt und der Ästhetik einer vollverka-
Bar (1977) wurden der „Riß“ durch den werk zugedacht, erstarrten etwa in Do- belten, entkörperlichten elektronischen
Raum und die „Fesselung“ einer dem _menigs Z-Bank (1975-79) zur skulptural Simulationswelt bereits anachronistisch
Ambiente vorgeblich innewohnenden _deformierten Fassade, zum verknautsch- erscheinen muß.
Sprengkraft durch riesige Schrauben ten, metallischen Panzer. Was leicht, sen- Die Arbeit von Coop Himmelblau zählt
wörtlich und direkt Gestalt. Und „Hot sibel, formneutral gedacht war, wurde zur jedenfalls in das breite Feld antiklassi-
Flat“ (1978) paraphrasierte ebenfalls das festgelgten, individualistischen Form-Ge- scher und expressiver Tendenzen, die
zitierte Bild eines „von der Lenksäule bärde. konstruktivistisches Formmaterial im
durchstoßenen Brustkorbs“. War Domenigs Vision im Sinne von Einzelnen gan} unterschiedlich benützen.
Die Aggression, die sich da Luft mach- Härings Leistungsform funktionalistisch Ihr Design hat für die achtziger Jahre eine
te, war einerseits gegen die damals domi- begründet, mit Betonung auf der physi- unbestreitbare Signifikanz und Ausstrah-
nierenden, restaurativen Tendenzen der schen Wandelbarkeit des Gebäudes, so lung. Als buchstäbliche „Verwerfung“
Postmoderne gerichtet. Andererseits war Himmelblaus Vision stärker formali- klassischer und konstruktivistischer Sy-
zeigten sich die Coop von der Härte und stisch begründet, mit Betonung auf der steme bleibt ihre postindustrielle Expres-
Brutalität des metropolitanischen Alltags psychischen (psychedelischen) Perfor- sivität jedoch vor allem ein ästhetischer
mehr und mehr fasziniert. Statt klinischer mance des Umraumes (der „Mind-Ex- Aufstand. Unter diesem Blickpunkt der
Apparate und weichem Kunststoff, die pander“) als Spiegelbild der Psyche, als ästhetischen Provokation treten die in-
auf sinnliche Reize und Spannungen des subjektives, bewegliches Stimmungs-Or- haltlichen Aussagen in den Hintergrund
Subjekts mit immateriellen Simulationen nament); beiden Haltungen gemeinsam und ermöglichen dieser Haltung erst jene
reagieren, formten Prix & Swi von daan ist das Umschlagen von der Idee zum ge- Freiheit von der Welt, die noch deren Un-
harte Architekturen, die als fixierte Su- frorenen Bild von der Idee, und gemein- tergang zum Medienereignis, den ge-
perzeichen und bauliche Totalität nunun- sam ist auch die vitalistische Gestik, die pfählten Brustkorb zum Kunstwerk wer-
vermittelt die permanente Dekomposi- mehr oder weniger abstrahierte, anthro- den lassen kann.
tion, Kontraktion und Zersplitterung, die pomorphe Komponente der Bauplastik. Prix & Swi kommentierten ihren Ent-
chaotische Sinfonie der Großstadtdyna- Seit dem „Roten Engel“ gehört das wurf für die Reiss-Bar oft auch mit einem
mik in Szene setzen sollten. War vorher strukturbildende Rückgrat, das als schrä- Zitat von W.C. Warden: „Das Faszinie-
dem Bewohner die subjektive Ausfor- ger Pfahl eine Situation durchdringt, flan- rendste an San Francisco ist, in einer Stadt
mung eines neutralen „Null-Raumes“ zu- kiert von ausscherenden oder aufgewor- zusein,die aufeinem Riß in der Erdkruste
gedacht, so zogen die Coop nun den _fenen Flügelteilen und Hüllflächen bei steht, und niemals das Gefühl dafür zu ha-
schöpferischen Akt wieder an sich, ver- Prix & Swi zum Repertoire, das vom ben“. Offenbar haben sie aus dem, was
dichteten ihn im Moment der intuitiven Dachbodenausbau bis zum städtebauli- hier gemeint ist, das Gegenteil herausge-
Skizze und übersetzten den grafischen chen Lay-Outvariierte Ausformungener- lesen. Denn Warden sagt ja nichts ande-
Impetus des Durchstreichens, der steilen, fährt. Ob beim Wohnhausprojekt für res als: Nicht der Riß ist das Faszinieren-
schrägen Linie und der schnellen, konter- Wien2., oder beim Entwurf für die Adap- de, sondern die Tatsache, daß man damit
karierenden Schraffuren in die windschie- tierung des Ronacher-Theaters — die zer- — und generell mit der Schizophrenie der
fen, dramatischen Verwerfungen indu- brochene Geometrie schiefwinkelig ver- Zeit- leben kann, und vermutlich nur le-
strieller Baufragmente. kanteter Gitterträger bildet jeweils ein ben kann, wenn man dies nicht ständig in
Eine ganz ähnliche Wandlung hatte mit Chassis, das von schnittigen Deckflügeln theatralischer Inszenierung vor Augen
zeitlicher Phasenverschiebung Günther und Wandschürzen organhaft umflattert hat.
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