Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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vom Geruchssinn, mit welchem diese Menschen sowohl das Geschlecht als 
den Volköstamm von Personen ermitteln, welche sich an einem Ort befun- 
den oder einen Weg beschritten haben. Ebenso ist es bekannt, daß die 
Ausdünstung der Menschen riechbar ist und daß es Mensc<en gibt, welche 
einen eigenthümlihen Geruch um sich her verbreiten; daß sich der Geruch 
der Geschlechter von einander unterscheide, ist durch die Erfahrung bestätigt. 
E53 kann nun nicht bestritten werden, daß einzelne Menschen auch in kul- 
tivirten Ländern eine ungewöhnliche Schärfe eines oder des andern Sinnes 
besißen, und ist dieses vom Gesicht und Gehör gewiß, so ist kein physischer 
Grund vorhanden, weßhalb es nicht auch vom Geruche möglich sein sollte, 
und es fehlt nicht an Beispielen von Menschen, deren Geruchsfinn auf eine 
für sie quälende Weise ungewöhnlich scharf ist; überdieß ist es auch mög- 
lich, diesen Sinn wie alle übrigen durc) Uebung zu schärfen uad zu einer 
wunderbaren Empfindlichkeit zu steigern. Dieses vorausgeschi>t, so ist kein 
Grund vorhanden, an der Möglichkeit zu zweifeln, daß S<. nicht auch 
eine besondere Schärfe des Geruchssinnes besigen könnte. Prüft man die 
vorliegenden Akten, so ergibt sich aus vielen Zeugenaussagen, daß Sch. 
auch wirklich einen ungewöhnlich scharfen Geruchssinn besit, und daß er 
von demselben ein inneres Bewußtsein (Perception) besitzt; es ist aber auch 
kein genügender Beweis vorhanden, daß er einen absichtlihen Betrug mit 
dieser seiner Eigenschaft unternommen, und man könnte höchstens annehmen, 
daß er in einer Selbsttäuschung befangen wäre, und später, und nachdem man 
seine Eigenschaft benußt, sich auch anderer Beobachtungen bedient, als des 
Geruches, w9von aber auch "nirgends ein Beweis vorliegt; endlich ist auch 
durch die meisten Zeugenaussagen ermittelt, daß seine Bemühungen zur 
Ausforschung entwendeter Sachen und der -Thäter von offenbarem Erfolg 
begleitet gewesen sind. Sch. ist nach und nach, und gleichsam durch die 
Mensc<en, welche seine Hilfe begehrten, dahin geleitet , Anforderungen ge- 
ringer Summen von Belohnung jür seine Dienste zu fordern; aber es 
findet sich nirgends in den Akten ein Beweis, daß er, wie Charlatane oder 
Betrüger , seine Eigenschaft als Riecher ausgeboten hätte. Darüber, daß 
er die Eigenschaft eines starken Geruches wirklich besißt, gibt eine Auf- 
klärung seine eigene Ausfage, die er vor Gericht bei feiner Vernehmung 
machte; er sagte: „als ich ungefähr zehn Jahre alt war, nahm ich eine 
besondere Geruchsfähigkeit wahr; ich te nämlich aus der Ausdünstung 
eines nicht gesehenen Menschen, wenn er kurze Zeit vorher bei einer Sache 
oder Wohnung gewesen war, den Menschen selbst auffinden aus dem 
Wiedergeruch seiner Ausdünstung; diese neue Eigenschaft wurde bald be- 
kannt, und ich wurde zeitig von Personen gebraucht, um über den Ort, 
wo eine Sache gestohlen worden war, zu berichten, und dann an die Per- 
sonen gewiesen, die man des Diebstahls wegen in Verdacht hatte; nicht 
immer, aber sehr oft ist mir dieses geglüct; ich verspüre nämlich jene 
Eigenschaft nicht immer, sondern nur zu wiederkehrenden Zeiten.“ Jn 
einer spätern Vernehmung sagte er, daß man an seinem ersten Dienst- 
orte seinen Geruchssinn wahrgenommen, und zwar dadurch, daß man ver- 
schiedene Gegenstände in der Stube und andern Behältnissen verste>te und 
ihn aufforderte, die verste>ten Gegenstände aufzusuchen und herbeizuschaffen, 
welches ihm auf eine staunenswürdige Weise gelang, und man ihn nachher 
gebrauchte, entwendete Gegenstände herbeizuschaffen und die Diebe zu er- 
mitteln. Ev sagt selbst: „Jn dem Auffinden der Gegenstände und der Diebe 
hatte ich viel Glück und kam auf die Spur der Diebe auf die Art und
	        

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