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dieser Krankheiten selbst hervorgehend betrachtet wird, worauf Hill zuerst
aufmerksam gemacht hat, dem dann andere Schriftsteller nachfolgten. Mil-
ling sagt von diesem Geruche Folgendes: „peculiari modo organa olfac-
toria afficere dicitur, et diu vestibus, lectis, utensilibus inhaerens, prae-
cipue ex eryptis, cutis et papillis Secerni videtur, atque a parietibus,
quasi a Spongiis insugitur, posteaque iterum exhalatur, ut ergo iste odor
Specificus diu remotis aegrotis ex illo loco, quo versati Sunt, liceat per-
ceipi.“ Erhard sagt, er habe einen gewissen spezifisc<en Geruch, der sich
von dem gewöhnlichen Krankenspitälergeruche unterscheide , in allen Jrren-
häusern angetroffen. Burrows hält diesen Geruch für so <harakteristisch,
daß er durch ihn allein die Krankheit erkennen will, er sagt?! „i consider
it a patbognomic Symptom S0 unerring, that if i detected it in any
person, 1 Should not hesitate to pronounce him insane, even thoug i
had no other proof of it.“ Es läßt sich die Ansicht aufstellen, daß dieser
durc<h die Erfahrungen genauer Beobachter konstatirte spezifische Geruch der
psychischen Kranken als eine durch ihr Gehirnleiden bedingte Erscheinung
angenommen werden kann, indem einerseits der wichtige Einfluß des Ge-
hirnleben3s auf den Zustand der Sekretionen hinreichend bekannt ist, ander-
seits auch diese Ansicht durc< die analogen Erfahrungen bekräftigt wird,
daß auch bei Hirnleiden anderer Art, z. B. bei Meningitis im Zeitraume
der Ergießung, bei der Encephalitis im Zeitraume der Eiterung, und bei
der Gehirnerweichung ein ganz spezifischer Geruch der Ausdünstung beob-
achtet wird; dabei ist auch die Erfahrung von Greding zu beachten,
welcher bei mehreren Leichenöffnungen von psychischen Kranken fand, daß
das Gehirn einen eigenthümlichen unangenehmen Geruch verbreitete, und
zwar in Fällen, wo die Leichenöffnung so bald nach dem Tode vorgenom-
men wurde, daß die Ursache davon nicht in eingetretener Fäulniß liegen
konnte. Dürfen wir nun nach diesen erwähnten Behauptungen und Er-
fahrungen bewährter Autoren den den psychisch Kranken eigenthümlichen
spezifischen Geruch als bewährt und im Wesen der Krankheit selbst be-
gründet annehmen, so wird er dann wohl auch für die Ausmittlung einer
Simulation von Bedeutung sein und zwar in der Art, daß das Wahr-
nehmen dieses Geruches während der Haft des verdächtigen Jndividuums
in Verbindung mit andern Merkmalen auf eine wirklich vorhandene psychische
Krankheit schließen läßt, ohne daß jedo< das Nichtvorhandensein dieses
Geruches als Beweis für Simulation gelten dürfe.
DD.
Daß und wann ein Mangel des Geruchssinnes in forensischer Be-
ziehung zur Sprache kommen könne, darüber findet sich Nichts in den ju-
ridischen und gerichtgärztlihen Schriften. Nur bei Friedreich ist aus
Stryck's tract. de jure Sensuum erwähnt, daß im Handel bei Dingen,
deren Aechtheit sich durch den Geruch erkennen läßt, ein Verkäufer, der sie
unächt liefert, von der Anschuldigung des absichtlihen Betruges entbunden
werden kann, wenn er den Nachweis liefert, daß ihm der Geruchssinn fehlt.
x.
Daß die Sinnestäuschungen (Delirien der Sinne) von einem wich-
tigen Einflusse auf die psychische Willensfreiheit sind und somit bei jedem
Urtheile über die Zurechnungsfähigkeit berücsichtigt werden müssen, ist wohl
allgemein anerkannt und auch darüber schon in diesen Blättern Jahrgang
1857, Heft 3, S. 59, und Jahrg. 1858, Heft 4, S. 71 gesprochen worden.