Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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dieser Krankheiten selbst hervorgehend betrachtet wird, worauf Hill zuerst 
aufmerksam gemacht hat, dem dann andere Schriftsteller nachfolgten. Mil- 
ling sagt von diesem Geruche Folgendes: „peculiari modo organa olfac- 
toria afficere dicitur, et diu vestibus, lectis, utensilibus inhaerens, prae- 
cipue ex eryptis, cutis et papillis Secerni videtur, atque a parietibus, 
quasi a Spongiis insugitur, posteaque iterum exhalatur, ut ergo iste odor 
Specificus diu remotis aegrotis ex illo loco, quo versati Sunt, liceat per- 
ceipi.“ Erhard sagt, er habe einen gewissen spezifisc<en Geruch, der sich 
von dem gewöhnlichen Krankenspitälergeruche unterscheide , in allen Jrren- 
häusern angetroffen. Burrows hält diesen Geruch für so <harakteristisch, 
daß er durch ihn allein die Krankheit erkennen will, er sagt?! „i consider 
it a patbognomic Symptom S0 unerring, that if i detected it in any 
person, 1 Should not hesitate to pronounce him insane, even thoug i 
had no other proof of it.“ Es läßt sich die Ansicht aufstellen, daß dieser 
durc<h die Erfahrungen genauer Beobachter konstatirte spezifische Geruch der 
psychischen Kranken als eine durch ihr Gehirnleiden bedingte Erscheinung 
angenommen werden kann, indem einerseits der wichtige Einfluß des Ge- 
hirnleben3s auf den Zustand der Sekretionen hinreichend bekannt ist, ander- 
seits auch diese Ansicht durc< die analogen Erfahrungen bekräftigt wird, 
daß auch bei Hirnleiden anderer Art, z. B. bei Meningitis im Zeitraume 
der Ergießung, bei der Encephalitis im Zeitraume der Eiterung, und bei 
der Gehirnerweichung ein ganz spezifischer Geruch der Ausdünstung beob- 
achtet wird; dabei ist auch die Erfahrung von Greding zu beachten, 
welcher bei mehreren Leichenöffnungen von psychischen Kranken fand, daß 
das Gehirn einen eigenthümlichen unangenehmen Geruch verbreitete, und 
zwar in Fällen, wo die Leichenöffnung so bald nach dem Tode vorgenom- 
men wurde, daß die Ursache davon nicht in eingetretener Fäulniß liegen 
konnte. Dürfen wir nun nach diesen erwähnten Behauptungen und Er- 
fahrungen bewährter Autoren den den psychisch Kranken eigenthümlichen 
spezifischen Geruch als bewährt und im Wesen der Krankheit selbst be- 
gründet annehmen, so wird er dann wohl auch für die Ausmittlung einer 
Simulation von Bedeutung sein und zwar in der Art, daß das Wahr- 
nehmen dieses Geruches während der Haft des verdächtigen Jndividuums 
in Verbindung mit andern Merkmalen auf eine wirklich vorhandene psychische 
Krankheit schließen läßt, ohne daß jedo< das Nichtvorhandensein dieses 
Geruches als Beweis für Simulation gelten dürfe. 
DD. 
Daß und wann ein Mangel des Geruchssinnes in forensischer Be- 
ziehung zur Sprache kommen könne, darüber findet sich Nichts in den ju- 
ridischen und gerichtgärztlihen Schriften. Nur bei Friedreich ist aus 
Stryck's tract. de jure Sensuum erwähnt, daß im Handel bei Dingen, 
deren Aechtheit sich durch den Geruch erkennen läßt, ein Verkäufer, der sie 
unächt liefert, von der Anschuldigung des absichtlihen Betruges entbunden 
werden kann, wenn er den Nachweis liefert, daß ihm der Geruchssinn fehlt. 
x. 
Daß die Sinnestäuschungen (Delirien der Sinne) von einem wich- 
tigen Einflusse auf die psychische Willensfreiheit sind und somit bei jedem 
Urtheile über die Zurechnungsfähigkeit berücsichtigt werden müssen, ist wohl 
allgemein anerkannt und auch darüber schon in diesen Blättern Jahrgang 
1857, Heft 3, S. 59, und Jahrg. 1858, Heft 4, S. 71 gesprochen worden.
	        

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