Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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2) Cannstatt, den 15. Juni 1883. Mein lieber Herr Professor! Sie 
werden mir gütigst verzeihen, wenn ich Sie so nenne, denn eine an Liebe 
grenzende Hochachtung haben Sie sogleich beim ersten Zusammensein in 
meinem Herzen gewe>t durc< Jhr liebenswürdiges wohlwollendes Wesen ; 
obgleich ich noch vor zwei Jahren einer Jhrer heftigsten Gegner war, wie 
Sie aus meinen beiden Zeitungsartikeln wissen. 
- Da ich nun ein aufrichtiger Mann bin, der einen eingesehenen Jrr- 
thum abstreift, wie der Schmetterling seine Hülle, so sagte ich wie Fr. 
irt: 
„Die dur<h Irrthum zur Wahrheit reisen, 
Das sind die Weisen, 
Die beim Jrrthum beharren, 
Da3 sind die Narren!“ 
und wurde aus einem Saulus ein Paulus. 
Die Erfolge, welche ich bis jeht in der Wolle habe, können, obgleich 
ich dieselbe erst wenig über */+ Jahr trage, wunderbare genannt werden, 
denn verschiedene Uebelstände, mit denen ich vorher noch zu kämpfen hatte, 
sind zum Theil verschwunden, zum Theil so reduzirt, daß sie hoffentlich 
auch bald ganz verschwinden werden. | 
Selbst im Sommer hatte ich mir früher leicht Rachen- und Hals- 
entzündung, Husten u. s. w. zugezogen ; diese Disposition ist bedeutend ge- 
ringer vorhanden. Früh beim Erwachen ist mein Kopf leichter, auch er- 
wache ich zeitiger ; im Vergleich zu früher träume ich nur noch wenig und 
wenn dies einmal der Fall, nicht mehr so heftig; meine krankhafte Neig- 
ung zum Scwißen ist verschwunden und schwie ich dieses Jahr, wenn 
ich Kourirschritt mache, noch nicht so stark, als wenn ich im vorigen Jahr 
langsam gieng. J< litt sehr am Blasenkatarrh, welches Uebel jett ge- 
hoben ist, auch meim Magen hat sich gebessert (was ich besonders dem 
Leibgurt zuschreibe). Mein früher bestehendes Zerschlagenheitsgefühl in 
allen Gliedern «ut verschwunden, ebenso meine große Empfindlichkeit gegen 
Temperaturwechscl. Meine Nerven sind jeht gegen meine vorwollene 
Zeit golden zu nennen; Melancholie , die mich sehr plagte, ist in der 
Wolle fast verschwunden, auch ist die Aergerneigung bei mir viel geringer 
geworden und wenn ich mich noch ärgere, gibt es meist einen schnell vor- 
übergehenden Springzorn , besonders wenn ich gleich einen Ausgang ins 
Freie mache und Schnellschritt einschlage ; sowie ich im Schweiß bin, ist meine 
Unluststimmung einer Luststimmung gewichen. Besonders gut ist mein 
Humor, wenn ich den gestrikten Anzug von Herrn Entreß anziehe, so daß 
ich diese Kleidung „Lustkleidung“ nennen möchte. Bis vor kurzer Zeit 
war mein Gehirn ein Gewitterprophet : vor einem Gewitter hatte ich stets eine 
ganz spezifische Art Kopfsc<hmerz. Bon den letzten Gewittern habe ich 
nichts mehr verspürt, was nur der Wolle zuzuschreiben ist, weil ih am 
genannten Uebel schon seit 15 Jahren gelitten. Das Kraftgefühl in 
meinen Gliedern ist noch nie so vorhanden gewesen wie jebt ; auch meine 
geistige Leistungsfähigkeit ist eine bessere geworden. Meine Selbstbeherrsch- 
ung ist Echt 
Was für gute Erfolge meine Mutter (eine Gicht- und Herzkranke) 
in der Wolle hatte, ebenjo meine Schwester (eine Nerven- und Unterleibs- 
kranke), davon wird Ihnen, hochgeehrter Herr, noch extra Bericht abge- 
stattet werden. 
Fortseßung in der Beilage;
	        
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