Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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artig bekleidende Ritterhose, welche die Grundlagen der herrlichen Trachten 
des Mittelalter3 bildet; jener Trachten, die wir heute nur noch pla- 
tonisch bewundern und beneiden dürfen im Theater, sowie im Lirkus, 
wo der Fußsportmann par excellence, der Seiltänzer und Parforce- 
springer, sie trägt, und die wir aus ihrer Verborgenheit wieder hervor- 
ziehen, so oft wir bei festlichen Aufzügen, Kostümbällen 2c. das vollste 
Maß von Festfreude und Lebenslust durc< unsern Körper pulsiren lassen 
und uns wieder fühlen wollen als Ebenbilder Gottes im Gegensaß zu 
vem Alltag3- und Jammerzustand , in welchem wir nichts sind als ein 
Kunstproduft aus der Hand des Schneiders. Die Lebenslust und Tanz- 
freudigkeit, welche das ganze mittelalterliche Leben <harakterisirt, ist ohne 
diese Beinbekleidung gar nicht zu verstehen. Nur in Ungarn beim 
Czarbastänzer, der die mittelalterliche Hose heute noh trägt, kann man 
sich einen Begriff davon machen, daß man im Mittelalter seine Trink- 
geshirre mit der Devise zieren konnte: „Tanzen und Springen 
ofällt von allen Dingen,“ während man heute auf die Trinkgeschirre 
schreiben sollte: 
Ho>en und Hocken und wieder Ho>en 
Das ist der Zwe> von diesem Schoppen. 
Als der 30 jährige Krieg der Fröhlichkeit des Mittelalters ein 
jähes Ende machte, wurde die Trikothoje am Knie in 2 Theile ge- 
schnitten und zerfiel in Kniehose (Cülotte) und Wadenstrumpf. Das 
war zwar ein Rückschritt in hygienischer und gymnastischer Richtung, 
weil die Cülotte bald weit und damit sanitär schlecht wurde, und weil 
mit dem Knieband und mit dem Uebereinandergreifen von Cülotte und 
Strumpf ein die gleihmäßige Blutvertheilung im Bein hindernder Faktor 
geschaffen war. Immerhin ist der Cülottist aber noch ein Pegasus 
gegenüber dem in der französischen Revolution auftauchenden Sans3- 
cülotten. So wurden nemlich jene Menschen genannt, welche die 
damals herrschende Cülotte ablegten und im richtigen Gefühl, daß sie 
jelbst Narren waren, die stereotype Narrenhose des Theaters, die 
Hose des Bajazzo, Pierrot oder Pantalone, wie der Theater- 
narr in den verschiedenen Ländern benannt wurde, zu ihrer Bekleidung 
wählten. Von lekterem Namen trägt unser heutiges Männer-Beinkleid 
die Bezeihnung Pantalon. 
Ist es nicht eine Schmach , insbesondere für uns Deutsche, daß 
wir unsere herrliche altdeutshe Tracht dem von den Narrenköpfen der 
französischen Revolution erfundenen SanscülottiSmus geopfert haben ? 
Das ist die entnervende französische Herrenmode, die zweifel5ohne unter 
vem Beifall der Pariser Buhldirnen entstand, die es sicher bald heraus- 
fanden, daß in diesem Beinkleid das starke Ges<le<ht zum 
s<wachen wird. Mit der Sanscülottenhose war auch der Ruin der 
Fußbekleidung beim Manne unaufhaltsam. Bis hahin herrschte der 
niedere leichte Schuh, der, selbst wenn von Leder, doch eine gute 
Ausdünstung dem Fuß garantirt, allein der war mit der Trompeten- 
hose niht mehr zu halten. Der aufsteigende, Knie und Knöchel kalt
	        
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