Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1883, Bd. 2, H. 1/15)

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machende Luftzug in der Hosenröhre machte sich geltend, und um ihn 
aufzuheben, machte man die Fußbekleidung immer höher, und kam so zu 
dem bis an die Wade heraufreichenden inneren S haftstiefel, wodurch der 
ganze Vorfuß um seine Ausdünstung gebracht, in eine stumpfsinnige, 
sc<werfällige Masse verwandelt wird. Und das ist noc< nicht alles: 
Da auch der Schaftstiefel den unangenehmen Luftzug nicht ganz auf- 
heben konnte, so wurde auch uoch die Unterhose erfunden, die am 
ganzen Bein die Ausdünstung beeinträchtigt und damit war die Kraft 
des Männerbein3 dahin, und mit ihr natürlich auch die ganze männliche 
Wohlgestalt. An die Stelle ves Tanzens und Springen3 trat das 
Ho>en und aus dem Ebenbild Gottes wurde eine Krötengestalt mit 
di>em Bauch und liederlichen Beinen. 
Mit dieser Faconänderung des Körpers war ein neuer Wende- 
punkt gegeben. Jm Anfang dieses Jahrhunderts sehen wir den Pan- 
talon noch ganz eng, allein mit dem dien Bauch und dürren Bein ist die 
enge Hose zweimal unmöglich und so entstand die Schlotterhose, 
in welcher troß Schaftstiefel und Unterbeinkleider jene Luftcirculation 
stattfindet, die alle übeln Körperausdünstungen aufsammelt und durch 
die Cravatte heraus in die Luft bringt, die wir athmen. 
Nun: All diesen Unsinn hat die Frau nicht mitgemacht, 
sie blieb der Cülotte, dem langen Strumpf und den leichten niederen 
Schuhen oder wenigstens dem Schnürschuh treu und springt und tanzt 
deßhalb troß ihres langen Oberkleides flott wie ein Tiroler. 
- Es ist überhaupt nicht uninteressant, den Vergleich zwischen mo- 
derner Männer- und Frauentracht vollends durchzuführen. 
Ein weiterer Vortheil zu Gunsten der Frau ist, daß sie stets die 
Lenden gürtet und sich damit die in Nr. 10 von Jahrgang 1 geschil- 
derten Vortheile sichert. 
Ferner bekleidet die Frau ihren Oberleib stet3 dicht anliegend, 
so daß die Kleiderluft nicht aufsteigen und die Athmungsluft verpesten 
kann. Das gleiche thut sie mit den Rokärmeln; wenn sie sich auch 
einmal verirrt zum gesundheitsshädlichen weiten Nockärmel, so kehrt sie 
doch immer rasch zurü> zur eng anliegenden Armbekleidung. 
Ein weiterer Vortheil ist, daß ihre Kleider aus weit dünneren, 
also: weit durchlässigeren Geweben hergestellt werden als die der Herrn, 
deren Kleiderstoffe fast elephantenhautdi> sind. E3 kann nicht scharf 
genug getadelt werden, daß die Kleidermacher selbst die Die der Herren- 
kleiderstoffe immer weiter und weiter steigern, wobei sie bei den Tuch- 
machern willige Unterstüßung finden, denn, je dicker der Stoff, desto 
mehr Kunstwolle kann darunter hineingepanscht werden. 
I< berühre hier einen Punkt, in dem ich selbst im Kampf mit 
den fkonzessionirten Kleidermachern stehe, die eben in ihre „soliden“ 
Stoffe vernarrt sind. Ich bitte bei dieser Gelegenheit meine wollenen 
Freunde, mich in diesem Kampf = was ja zu ihrem eigenen Besten 
ist == genügend zu unterstüßen, diese Elephantenhäute energisch zurück- 
zuweisen und die porösen Stoffe zu verlangen.
	        
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