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Auch in puncto Kopfbede>ung gebührt der Frauentracht
der Vorzug:
4) sind die Damenhüte durchweg poröser, leichter, als die ver-
zweifelten wasser- und dampfdichten , viel besser zu einem Kochtopf
taugenden Herrenhüte.
92) seht die Dame ihren Hut vernünftiger auf, indem sie ihn
nicht auf die nate Stirnhaut hereinzieht, sondern ganz auf dem be-
haarten Kopftheil ruhen läßt. J< schreibe es hauptsächlich auch diesem
Umstand zu, daß kahlköpfige Frauenzimmer weit seltener sind als kahl-
köpfige Herrn.
So ist also die Frauenkleidung in allen Stücken hygienisch besser
als die der Herrn, und daß sie auch weit ges<madvolle» ist als die
Herrentracht, die gegenwärtig geradezu den Gipfel der Geschmaclosig-
keit erreicht hat, fann auch nicht bestritten werden. Was ich aber noch
besonders hervorheben will, ist, daß die Frau die Herrin der Mode
ist, und der Mann der Sklave derselben. Erstere beugt sich keiner
Mode auf die Dauer, sondern wirft die Moden um wie Kartenhäuser,
wenn sie ihr nicht mehr gefallen oder sonstwie nicht passen. Der Mann
dagegen erklärt jede Abweichung von der einmal herrschenden Mode
für „unmöglich“. Wie viel haben die Herrn schon geschrieben und
geredet gegen Fra> und Cylinder, und wenn man ihnen zumuthet, dem
praktischen Ausdru> zu geben, so heißt's „es geht nicht, es geht wahr-
haftig nicht“, und man sperrt und ziert sich wie ein verschämtes Frauen-
zimmer.
Unsere Künstler sind in der Verdammung unserer modernen
Tracht einstimmig; wenn es die historische Treue nicht erfordert, so
malen sie die moderne Herrentra<t auch nie, sondern halten sich an
antike oder Renaissance- oder Cülottistentrac<t =- entweder die des
vorigen Jahrhunderts, oder die unserer modernen Cülottisten, d. h. die
Volkstrachten unserer Bergbewohner. Wenn man aber einem Künstler
zumuthet, mit der modernen Tracht zu brechen und sich zu den Trach-
ten zu bekehren, die er malt, ich glaube, lieber ließe er sich Blut abzapfen.
' In der neueren Zeit geht durc< alle Industrie und alles Hand-
werk der Zug zur Renaissance, man holt den Baustil derselben, drängt
das ganze Kunstgewerbe, die Möbelindustrie, die Sc<mutfabrikation 2c.
in den Geshma> der Renaissance. Man errichtet altdeutsche -Wein-
stuben und Bierstuben und Rathhauskeller. Die Frau erklärt, sou-
verain wie sie ist auf dem Gebiet der Mode: „gut, ich thue mit!“ und
kleidet sich bereitwillig 3 1a Grethen, und der Herr? -=- statt wie
sichs gehört und von selbst verstehen sollte, in das Kostüm von Doktor
Faust zu schlüpfen, bringt es fertig in dieser Renaissance - Umgebung
in s<warzem Fra, Cylinder und Trompetenhose dazustehen wie ein
Stück Gerümpel, das man in der Eile beim Aufräumen des Zimmers
vergessen hat.
Wenn man das so recht überdenkt und dabei noh hört, daß
diese Jammerfigur sich gebärdet, als ob sie Herr der Schöpfung sei,