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dann weiß man wahrhaft nicht, ob man weinen oder lachen soll. Also
dazu hat der Mann von seinem 6. bis zu seinem 22. Jahr studirt,
daß er nicht einmal weiß, wo ihn der Schuh drückt und daß er sich
schämen muß vor seinem Weib, der gegenüber er so unbehülflich ist,
wie ein Säugling. J< wende mich deßhalb auch in dem Stück nicht
mehr an die Männer, sondern schließe meine Auseinandersezung mit
der inständigen Bitte an die Frauen: „Ziehen Sie doch gefälligst
Ihre Herrn zwekmäßiger und ges<hmacvoller an.
Jäger.
lautet:
Meine Berliner Vorträge.
(Schluß.)
Das Referat der Deutschen Warte über den zweiten Vortrag
1. Die Entde>ung der Seele.
Im zweiten Theil seines Vortrags wies Herr Dr. Jäger zunächst
auf den Unterschied hin, der zwischen Sinnesempfindungen und Gemein-
gefühlen zu machen sei. --
Eine Sinnesempfindung wird von einem einzelnen Sinne unter Mit-
betheiligung des Geistes auf Grund einer von außenher ergangenen Anregung
absolvirt. Solche Anregungen geben z. B.: ein Ton, ein Lichtstrahl, eine
Berührung u. s. w. Ein Gemeingefühl dagegen äußert sich als eine Ver-
änderung unseres ganzen Körperzustandes; alle Theile partizipiren daran,
was sich an Stimme, Bewegung einzelner Glieder, Herzgang, Athem, Wechsel
in der Spannung der Blutgefäße (blaß oder roth werden), in Hautthätigkeit
und Absonderungen kund giebt. Solche Gemeingefühle sind beispielsweise :
Hunger, Durst, Angst, Freude, Zorn, Ekel u. s. w.
Diese Gemeingefühle mißt Dr. Jäger und gewinnt dabei für ihren
Umfang das präcise Maß der Zahl.
Jedes Gemeingefühl verräth sich unfehlbar in den Fingerspißen, was
man leicht constatiren kann, wenn man eine Frau in verschiedenen Seelen-
zuständen beim Stri>en beobachtet. Dr. Jäger benußt als Nexvenmesser
eine Uhr, deren Zeiger nur dann läuft, wenn ein Fingerdruck ihn mit dem
sehr schnell laufenden Räderwerk in Verbindung bringt bezw. erhält; dann
ist aber seine Angabe eine ungemein feine. Ist nun ein Seelenzustand zu
bestimmen, so giebt Dr. Jäger möglichst mechanisch eine Reihe kurzer Finger-
drücke, deren Kraft mit großer Genauigkeit durch das Fortschreiten des Uhr-
zeigers kundgegeben wird. Aus einer Reihe von Beobachtungen lassen sich
dann Curven bilden, die den Wechsel der Nervenkraft in den einzelnen
Momenten veranschaulichen (Zorn zeigt starken unregelmäßigen Wechsel,
Lust einen mehr rythmischen 2c.) ; und es ergeben sich von demselben Beobachter
aus dem gleichen Gemeingefühl stets wieder dieselben Curven.
Am Pulsgange kann man ähnliche Messungen machen , ähnliche --
aber kaum so feine -- Beobachtungen an den Zitterbewegungen der. frei-
gehaltenen Fingerspißen.
Unter den mannigfachen Ursachen eines Affectes bilden eine 1. Gruppe:
die einzelnen Sinnesempfindungen von einer gewissen Stärke.
3. B. Während ein sehr schwacher Ton noch gar kein Gemeingefühl
verursacht, erwet ein mäßig starker bei den Meisten ein angenehmes, d, h.