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QLustgefühl. Die Sinnesempfindung hat dann die „Lustschwelle“ überschritten.
Mit zunehmender Tonstärke treten, nach Ueberschreitung der „Zornschwelle“,
Zorn, dann Angst und eventuell noch stärkere Affecte ein.
Eine 2. Gruppe von Ursachen bilden die <hemischen Einwirkungen, über
welche Ges<hmac>- und Geruchsinn wachen und nicht umsonst hat der Fran-
zose für „riechen“ und „fühlen“ nur das eine Wort „seutir“, denn mit
Riechen und Schmecken ist stet3 ein Gemeingefühl verbunden, mit physika-
lischen Eindrücken nicht immer.
Jeder Geruch giebt eine besondere Gefühlscurve, und treten diese
Kundgebungen mit einer erstaunlichen Sicherheit und Deutlichkeit auf; die
„Nichtse" homöopathischer Medicamente rufen oft Stürme von Empfindungen
hervor. Wenngleich Viele den gleichen Gesc<hma> resp. Geruch haben, muß
doch die individuelle Verschiedenheit in Ges<hmacsfragen hier wieder betont
werden.
Auf Schiller wirkten faule Aepfel poetisch, erhebend, bei Anderen
thut dies der Champagner; des Einen Stimme wird durch ein rohes Ei,
die de3 Anderen durch Rosinen, Compot u. s. w. geklärt; analog bewirken
verschiedene Ursachen nach der Jndividualität verschiedene Gemeingefühle,
Alle der Athmungsluft beigemengten Stoffe erzeugen Affekte, ohne
daß dies bisher ausreichend beachtet worden wäre. Gerade über die fein-
sten Gerüche, die wir einathmen, vermögen wir uns meist keine Rechenschaft
zu geben, der Nervenmesser aber thut. es.
Als 3. Gruppe von Ursachen für Gemeingefühle sind dann noch die
Vorstellungen zu nennen, mittelst derer der Geist auf das Empfinden wirkt.
- Manke Gemeingefühle eines Mitmenschen sind leicht dur) Geruch
zu ermitteln. Jst Jemand übersättigt oder berauscht, so riechen wir die-
selben flüchtigen Stoffe, die bei ihm die betreffenden Gefühle hervorgerufen
haben und die nun von ihm auf uns überströmen. Aerzie =- leider nur
viel zu wenige =- haben sehon früher Krankheiten gerochen; gar manche
Mutter erkennt den Gesundheitsstand ihres Kinde3 am Geruch; Gesundheit
giebt sich, besonders aus dem Haar des zu Prüfenden als „nicht unangenehmer
Geruch“ kund, sie macht sich allerdings der oberflächlichen Beobachtung nach
dem Sate wenig bemerkbar: bene olet, quod non olet.
Man riecht aber auch die Angst, den Zorn und andere Affecte dieser
Categorie. So sehr auch der Gebrauch des Geruchorganes mit zunehmender
Kultur vernachlässigt worden ist, hat sich das Bewußtsein diejer Fähigkeit
doch hier und da erhalten. Es tritt uns theils in der Sprache des Volkes,
theils bei Dichtern =- die durchaus feinfühlig sein müssen um wirkliche
Dichter zu sein -- entgegen. So sagt man wohl: „er verduftet“, oder
unter Umständen etwa3 drastischer: „er fährt ab mit Gestank.
Um die feineren „Lustgefühle“ beachtet zu sehen, müssen wir uns
an die feiner organisirten Dichter wendenz sie kennen „den Duft geliebter
Personen“, vergleichen Damen mit Blumen, und die Damen riechen auch
wirklich oft =- nicht immer und Jedem -- fein, also angenehm.
Uebrigens wissen alle weniger civilisirten Völker, Indianer, Steppen-
bewohner 2c. davon mehr als wir, denen der Geruchsinn allmählig durch
mancherlei Hülfsmittel , die die Kultur brachte, entbehrlicher geworden ist.
Eine hochwichtige Frage ist nun die, ob die mit jedem Affecte stets
verbundene Ausvünstung, die Dr. Jäger riecht und ziffermäßig mißt, nur
ein. Begleiter des betreffenden Gefühles oder mehr, nämlich der eigentliche
Zorn-, Angst- 2c. Stoff ist.