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Behandlung des Vortrags, und doh ist meine Reform nicht nur eine
Konsequenz praktischer Versuche, sondern sie ist von mir auch
wissenschaftlich begründet worden, und hat dieser wissenschaftliche
Kern außerdem noch Konsequenzen nach verschiedenen anderen Richt-
ungen, theils theoretischen, theils praktischen.
Wie Sie im Verlauf des Vortrags sehen werden, ist es für
das praktische Erfassen meiner Bekleidungslehre durchaus nicht erfor-
derlich, die wissens<haftlihe Begründung ausführlicher zu besprechen,
da jeder Mensch bis zum Säugling herunter die natürliche Fähigkeit
besikt, das Wesentlihe von dem wahrzunehmen, was ich angebe.
Allein 2 Gründe bestimmen mich, vor Eintritt in meine Tagesordnung
einige Worte der wissenschaftlihen Seite zu widmen :
14. daß ich an dem Sit einer deutschen Hochschule, einer Pflege-
und L'hrstätte der Wissenschaft, und zwar vorzugsweise der hier in
Betra« t kommenden medizinischen Wissenschaft spreche ;
=. daß in allerjüngster Zeit ein zweiter praktischer Schritt, den
ich, gestüßt auf meine wissenschaftlihen Entde>ungen that, nämlich die
mos<usSähnliche, in den menschlichen Haaren ste>ende Substanz, isolirt
als Arznei, und zur Verbesserung von Genußmitteln zu verwenden,
in den Tagesblättern und auf der Bierbank mit Spott und Hohn über-
schüttet wird.
Nicht blos jeder Physiologe und Arzt, sondern jeder denkende
Mensc< kennt die Thatsache der Vererbung, d. h. die Thatsache,
daß in dem Ei eines Huhns jenes Etwas steckt, das aus dem form-
losen Dotter ein Hühnchen mit all' seinen spezifischen Eigenschaften
ma<ht. Das Gleiche gilt vom Keim jedes Geschöpfe3, also auch
vom Menschen : im winzigen Menschenkeim ste>t jenes Etwas, das
aus ihm nicht blos einen Menschen überhaup*, sondern einen individuell
ganz eigenartigen Menschen macht. Die Physiologie hat dieses von
ihr bs jeht noh nicht gefaßte Etwas, drie Gestaltungskraft,
vis formativa, genannt. IJ frage nun dreierlei :
4. ist es a priori ein Blödsinn, wenn Jemand sagt: dieses
unleugbar im Ei ste>ende Etwas ste>e auch noh in den Haaren und
Federn des fertigen Geschöpfes ?
2. daß dieses Etwas über ganz gewaltige physiologische Kräfte
verfügt, beweist sein Walten bei der Eientwickelung. Soll nun
dieses Etwas, wenn es wirklih in den Haaren ste>t und daraus
entnommen werden kann, auf einmal ein physiologisches Nichts wer-
den, wenn man es einem lebenden Geschöpf einverleibt ? Doch gewiß
ebensoweni.:, als wenn man das Spezifikum einer Arzneipflanze aus
der Pflanze abdestillirt und als Arznei verwendet.
= fennt die bisherige Physiologie, wie sie in den Handbüchern
und a. *' den Kathedern vorgetragen wird, dieses Etwas, das die
Wunder .der Vererbung hervorbringt ? Jeder ehrliche Physiologe und
Zoologe" wird mit „Nein“ antworten müssen.