Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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An dieses „Nein“ knüpft sich nun eine Alternative: 
Entweder hat in diesem Fall die Physiologie eine Entde>ung 
dieses Etwas in Rechnung und Aussicht zu nehmen, und wenn Je- 
mand mit dem Anspruch auftritt, dieses Etwas resp. einen Theil davon 
entdeckt und außerdem gefunden zu haben, daß dieses Etwas nicht 
blos die Gestaltungskraft, sondern auch no< beim Erwachsenen die 
Lebenskraft resp. einen wesentlichen Theil derselben repräsentirt, dessen 
Anspruch vorurtheil5los und gründlich zu prüfen und ein entschiedenes 
Verdikt: ja oder nein abzugeben, 
oder man sagt: das zu entde>en ist unmöglich, und der Mann, 
der das entdeckt haben will, ist a priori ein Narr! 
Gut! was bedeutet die zweite Alternative? Antwort: ein nie- 
ders<hmetterndes Armuthszeugniß für die Wissenschaft im Ganzen und 
speziell für den wichtigsten Zweig derselben. 
Waz53 ist das höchste Gut des Menschen? Doh gewiß die Ge- 
sundheit! Wem überträgt der Staat und der Einzelne diese Sorge? 
Dem Urzt. Auf welcher Hauptwissenschaft fußt die ärztliche Kunst? 
Auf dor Physiologie. Denn die jehige Medizinschule nennt sich die 
physipwlogöp e. 
Wenn +» nun wirklih wahr ist, daß die Physiologie jenem 
Etwas oogenüb“". das man im Keim Gestaltungskraft, im Erwach- 
senen Loben: >>*t. nennt, machtlos ist, was ist dann das Pferd, 
auf dem dies 1: Viedizin reitet? eine impotente Mähre! und der 
physiologische Arz“. "x diese Impotenz zugesteht, zieht sich den Boden 
unter den eigenen Füßen weg. 
Und noch einer anderen Wissenschaft schlägt der ins Gesicht, 
der meine Angabe a priori für Unsinn erklärt, nämlich der Astronomie. 
Die Astronomen haben die gleiche Erfahrung wie alle Prak- 
tifer nemacht, daß die verschiedenen Personen auch bei Aufwendung 
gleicher Willenskraft und Sorgfalt in der Ausführung einer willkür- 
lihen Bewegung, 3. 2. der Notirung eines Sterndurc<ganges , nicht 
gleich flink sind, daß jeder sich um eine gewisse Zeit verspätet, und 
diese Verspätungsgröße nicht blos bei verschiedenen Personen ver- 
schieden groß ist, sondern auch bei der einzelnen Person unter ge- 
wissen Verhältnissen varürt. 
Mit Hilfe des feinsten und sinnreichsten Zeitmesser8, den es 
gibt . des Chronoskops von Hipp, pflegen die Astronomen seit 
Jahrz:jnten die Zeitdauer dieser individuell verschiedenen Verspätung 
zu m<,,. ". nennen die Ziffer die persönliche Gleichung und stellen 
sie in iure astronomischen Rechnungen ein. 
Hier gibt es nun wieder nur eine Alternative: 
4. wenn man die Verspätungsgröße, ihre individuelle Differenz 
und ihre Variation wirklich messen kann, dann muß dieje Messungs- 
methode auch anwendbar sein, um die Ursachen zu studiren, durch 
welche diese Differenzen und Variationen hervorgerufen werden. -
	        
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