Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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für sie haben, und nicht mit Reflexionen ihnen beikommen 
wollen. Es ist Schade, daß man nicht weiß, ob der vortreffliche Berliner Arzt 
Heim, der als Diagnostiker so berühmt war, und die Hautausschläge durch den 
Geruch aufs Feinste unterschied, niht auch durch dasselbe Organ etwa moralische 
Individualitäten herausgewittert ?“ 
Hieran reihe ich folgende mir vor wenigen Tagen gemachte Mit- 
theilung eines mir bekannten Ladenbesiter5: Derselbe bemerkte, daß jeden 
Tag zu bestimmter Stunde ein Hund an seiner Ladenthüre erschien und 
eine bestimmte Stelle derselben mit seinem Urin verunreinigte. Um der 
Sache ein Ende zu machen, paßte er hinter der Ladenthüre verste>t auf, 
und verseßte dem Hund, während er pißte, einen derben Schlag. Seitdem 
erscheint nicht blos der betreffende Hund nicht mehr, sondern es erscheinen 
immer wieder Hunde, die an die betreffende E>e hinschnüffeln, aber sofort 
mit eingezogenem Schwanz davonrennen und zwar troßdem, daß jetzt schon 
mehrere Wochen darüber vergangen sind. 
Das5 ist eben der große Contrast: Nicht blos die andern „Studirten“, 
auch unsere Aerzte sißen vom 7. bis zum 22. Lebensjahre in der Sc<hul- 
stube, in Secirsälen, Krankenhäusern und Laboratorien, wo sie nur Worte 
hören, den Tod und die Unnatur sehen, während das Volk mitten im 
Leben sißt, und das Leben beobachtet, und deswegen weiß letzteres weit 
mehr, als unsere Büchergelehrsamkeit sich träumen läßt; leßtere nennt all" 
das, was aus der Volksbeobachtung hervorgeht, und wofür sie natürlich 
lediglich kein Verständniß hat: Aberglauben. J< greife in Folge einer 
Einsendung aus der Scrift „der Aberglaube des Mittelalter3“ von 
C. Meyer, Professor in Basel, folgendes heraus: 
Seite 223 steht: „um Tauben an das Taubenhaus zu gewöhnen, 
legte man einen Stri> in dasselbe, durch welchen ein Mensch erwürgt 
worden war.“ Das ist unter allen Umständen ebenso probat, wie die 
heutige Praxis, daß man das Futter derselben mit Menschenharn anmacht, 
oder daß man alle Tauben zusammen mit Anisöl anschmiert. Man muß 
eben allen einen gleichen Geruch beibringen, dann sind sie zusammengewöhnt. 
Seite 223 steht weiter: „um das Vieh vor Wölfen zu schüßen, be- 
stri< man dasselbe mit einer Wolfshaut.“ Auch das ist natürlich voll- 
kommen probat, da am Vieh jetzt der Angstduft des getödteten Wolfs hängt, 
Seite 226 steht: „im Keller muß, wenn ein Todter im Hause ist, 
das Weinfaß geklopft werden, sonst steht der Wein um.“ Ob das. probat 
ist, weiß ich nicht, aber daß der Wein üble Gerüche anzieht, und dann 
„ein Mistbeet für die gestankliebenden Bakterien wird“, das weiß die 
Praxis längst. In Frankreich darf nie eine weiblihe Person in einen 
Weinkeller, weil der Menstruationöduft vom Weine angezogen wird, und 
dies das Umstehen zur Folge haben kann. J< habe darüber ganz spezielle 
Mittheilungen von einem Weinhändler, der diese unserer Schulweisheit 
entspringende Mißachtung dieses sogenannten „Aberglauben3“ mit dem 
Verlust einer ganzen Weinernte bezahlen mußte. 
Seite 236: „ste>t man Std De vom Bettstroh, auf welchem ein 
Todter gelegen auf das Feld, so kommt kein Vogel in die Saat.“ Das 
ist wiederum völlig natürlich ; denn der Todesduft ist für die meisten Thiere 
fürchterlich und dieser hängt sich in die Holzfaser. 
. Seite 227: „wenn einem Branntweintrinker Branntwein gereicht 
wird, welcher durch einen Todtenlappen geseiht wurde, so verliert er die
	        
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