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für sie haben, und nicht mit Reflexionen ihnen beikommen
wollen. Es ist Schade, daß man nicht weiß, ob der vortreffliche Berliner Arzt
Heim, der als Diagnostiker so berühmt war, und die Hautausschläge durch den
Geruch aufs Feinste unterschied, niht auch durch dasselbe Organ etwa moralische
Individualitäten herausgewittert ?“
Hieran reihe ich folgende mir vor wenigen Tagen gemachte Mit-
theilung eines mir bekannten Ladenbesiter5: Derselbe bemerkte, daß jeden
Tag zu bestimmter Stunde ein Hund an seiner Ladenthüre erschien und
eine bestimmte Stelle derselben mit seinem Urin verunreinigte. Um der
Sache ein Ende zu machen, paßte er hinter der Ladenthüre verste>t auf,
und verseßte dem Hund, während er pißte, einen derben Schlag. Seitdem
erscheint nicht blos der betreffende Hund nicht mehr, sondern es erscheinen
immer wieder Hunde, die an die betreffende E>e hinschnüffeln, aber sofort
mit eingezogenem Schwanz davonrennen und zwar troßdem, daß jetzt schon
mehrere Wochen darüber vergangen sind.
Das5 ist eben der große Contrast: Nicht blos die andern „Studirten“,
auch unsere Aerzte sißen vom 7. bis zum 22. Lebensjahre in der Sc<hul-
stube, in Secirsälen, Krankenhäusern und Laboratorien, wo sie nur Worte
hören, den Tod und die Unnatur sehen, während das Volk mitten im
Leben sißt, und das Leben beobachtet, und deswegen weiß letzteres weit
mehr, als unsere Büchergelehrsamkeit sich träumen läßt; leßtere nennt all"
das, was aus der Volksbeobachtung hervorgeht, und wofür sie natürlich
lediglich kein Verständniß hat: Aberglauben. J< greife in Folge einer
Einsendung aus der Scrift „der Aberglaube des Mittelalter3“ von
C. Meyer, Professor in Basel, folgendes heraus:
Seite 223 steht: „um Tauben an das Taubenhaus zu gewöhnen,
legte man einen Stri> in dasselbe, durch welchen ein Mensch erwürgt
worden war.“ Das ist unter allen Umständen ebenso probat, wie die
heutige Praxis, daß man das Futter derselben mit Menschenharn anmacht,
oder daß man alle Tauben zusammen mit Anisöl anschmiert. Man muß
eben allen einen gleichen Geruch beibringen, dann sind sie zusammengewöhnt.
Seite 223 steht weiter: „um das Vieh vor Wölfen zu schüßen, be-
stri< man dasselbe mit einer Wolfshaut.“ Auch das ist natürlich voll-
kommen probat, da am Vieh jetzt der Angstduft des getödteten Wolfs hängt,
Seite 226 steht: „im Keller muß, wenn ein Todter im Hause ist,
das Weinfaß geklopft werden, sonst steht der Wein um.“ Ob das. probat
ist, weiß ich nicht, aber daß der Wein üble Gerüche anzieht, und dann
„ein Mistbeet für die gestankliebenden Bakterien wird“, das weiß die
Praxis längst. In Frankreich darf nie eine weiblihe Person in einen
Weinkeller, weil der Menstruationöduft vom Weine angezogen wird, und
dies das Umstehen zur Folge haben kann. J< habe darüber ganz spezielle
Mittheilungen von einem Weinhändler, der diese unserer Schulweisheit
entspringende Mißachtung dieses sogenannten „Aberglauben3“ mit dem
Verlust einer ganzen Weinernte bezahlen mußte.
Seite 236: „ste>t man Std De vom Bettstroh, auf welchem ein
Todter gelegen auf das Feld, so kommt kein Vogel in die Saat.“ Das
ist wiederum völlig natürlich ; denn der Todesduft ist für die meisten Thiere
fürchterlich und dieser hängt sich in die Holzfaser.
. Seite 227: „wenn einem Branntweintrinker Branntwein gereicht
wird, welcher durch einen Todtenlappen geseiht wurde, so verliert er die