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Zur Nationalstrachtfrage.
Zu dieser erhalte ich folgende zwei Zuschriften:
„Von Zhrer Jdee, in Bayreuth zusammenzukommen, um über das
Zukunftskostüme zu berathen, bin ich sehr eingenommen und verspreche
mir viel davon. Es ist höchste Zeit, daß man energisch gegen den herrschen-
den französischen Kleiderunfug vorgeht.
I< will auch hinkommen, um Vorschläge in Betreff Einführung einer
kleidsamen Nationaltracht anzugeben. J< habe mich nämlich schon seit
frühester Jugend mit diesem Problem beschäftigt und ehe ih no< Jhr
Wollregime kannte, ja ehe Sie selbst daran dachten, hatte ich schon die-
selben Ansichten in Betreff Schnitt, Farbe 2c. adoptirt, die Sie für die richtigen
halten.
I< glaube aber, daß der Einführung einer neuen Tracht sich große
Schwierigkeiten entgegenstellen werden. Dahin rechne ich vor allem die
unglaubliche Geschmadlosigkeit, die bei uns durchgängig herrscht, den gänz-
lihen Mangel an Farbensinn, der erst ganz allmählich gewe>t werden kann,
den Mangel an gesundem JndividualisSmus und die Feigheit, die nicht zu-
läßt, sich öffentlich in einer „auffallenden“ Kleidung zu zeigen. Als ob
das wahrhaft Schöne nicht immer auffallend wäre? J< glaube daß man
diese Uebelstände nicht anders beseitigen kann als durc< Bildung von Vereinen
und möglichst lebhafte Wirksamkeit derselben. Es existixen bis jeht 6
Jägerianervereine, vie sich leicht zu Schuß und Truß zu einem Cartellver-
band zusammenschließen könnten. J< möcdte nun befürworten, daß jeder
Verein sich eine Clubtrac<t wählt, die die Mitglieder, wenn sie sich einen
neuen Anzug machen lassen, einfa< adoptiren. Auf diese Weise werden
Viele den Mut" finden, sich von der alten Tracht frei zu machen. Denn
sie wissen, sie sichen mit ihrer „auffallenden“ Tracht nicht allem da. Da
Sie nun in Jhrem Monatsblatte bedeutende materielle Unterstüßung für
die Vereine angezeigt haben, so wäre es vielleicht nicht unpraktisch, wenn
Sie dieselbe in der Weise einführten, daß jedem Verein3mitgliede, das sich
diese Clubtraut machen läßt, eine gewisse Ermäßigung gewährt wird. Durch
diesen praktischen Vortheil wieder ließe sich gewiß Mancher bestimmen ein-
zutreten, der es sonst nicht gethan hätte. Namentlich möchte ich dabei auf
die Studenten hinweisen, die meistens nicht viel Geld übrig haben, auf
deren Unterstüßung es aber für die Zukunft in dieser Sache wesentlich
ankommt.
345 glaube aber, daß die Jägervereine allein die Sache nicht in die
Hand nehmen können ; dazu sind ihre Tendenzen zu sehr mit Ihrem ganzen
System verquickt. Die Neuschaffung einer Nationaltracht ist aber so etwas
wichtiges , daß man besser einen 5 ad hoc stistet. Da nun bei der
neuen Trach: entschieden das Auffallendste die Rückkehr zur Polychromie
ist, so halte ic, es für das beste, einen großen Verein der „Polychromisten“
ins Leben zw rufen.
Die P. ychromie in der Kleidung ist ja nur eins der vielen Momente,
in denen sich die neue Kunstströmung zu erkennen gibt, die auf allen Gebieten
eine Rückkehr zur Polychromie erstrebt. Deßwegen würde auch, davon bin
ich überzeugt, dieser Verein gerade bei den Künstlern, den Malern, Architekten,
Archäologen u. s. w. Anklang finden. 3) denke mir diesen Verein nun
etwa in der Weise wie den Au natien . Wagnerverein: eine Central-
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