Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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Zur Nationalstrachtfrage. 
Zu dieser erhalte ich folgende zwei Zuschriften: 
„Von Zhrer Jdee, in Bayreuth zusammenzukommen, um über das 
Zukunftskostüme zu berathen, bin ich sehr eingenommen und verspreche 
mir viel davon. Es ist höchste Zeit, daß man energisch gegen den herrschen- 
den französischen Kleiderunfug vorgeht. 
I< will auch hinkommen, um Vorschläge in Betreff Einführung einer 
kleidsamen Nationaltracht anzugeben. J< habe mich nämlich schon seit 
frühester Jugend mit diesem Problem beschäftigt und ehe ih no< Jhr 
Wollregime kannte, ja ehe Sie selbst daran dachten, hatte ich schon die- 
selben Ansichten in Betreff Schnitt, Farbe 2c. adoptirt, die Sie für die richtigen 
halten. 
I< glaube aber, daß der Einführung einer neuen Tracht sich große 
Schwierigkeiten entgegenstellen werden. Dahin rechne ich vor allem die 
unglaubliche Geschmadlosigkeit, die bei uns durchgängig herrscht, den gänz- 
lihen Mangel an Farbensinn, der erst ganz allmählich gewe>t werden kann, 
den Mangel an gesundem JndividualisSmus und die Feigheit, die nicht zu- 
läßt, sich öffentlich in einer „auffallenden“ Kleidung zu zeigen. Als ob 
das wahrhaft Schöne nicht immer auffallend wäre? J< glaube daß man 
diese Uebelstände nicht anders beseitigen kann als durc< Bildung von Vereinen 
und möglichst lebhafte Wirksamkeit derselben. Es existixen bis jeht 6 
Jägerianervereine, vie sich leicht zu Schuß und Truß zu einem Cartellver- 
band zusammenschließen könnten. J< möcdte nun befürworten, daß jeder 
Verein sich eine Clubtrac<t wählt, die die Mitglieder, wenn sie sich einen 
neuen Anzug machen lassen, einfa< adoptiren. Auf diese Weise werden 
Viele den Mut" finden, sich von der alten Tracht frei zu machen. Denn 
sie wissen, sie sichen mit ihrer „auffallenden“ Tracht nicht allem da. Da 
Sie nun in Jhrem Monatsblatte bedeutende materielle Unterstüßung für 
die Vereine angezeigt haben, so wäre es vielleicht nicht unpraktisch, wenn 
Sie dieselbe in der Weise einführten, daß jedem Verein3mitgliede, das sich 
diese Clubtraut machen läßt, eine gewisse Ermäßigung gewährt wird. Durch 
diesen praktischen Vortheil wieder ließe sich gewiß Mancher bestimmen ein- 
zutreten, der es sonst nicht gethan hätte. Namentlich möchte ich dabei auf 
die Studenten hinweisen, die meistens nicht viel Geld übrig haben, auf 
deren Unterstüßung es aber für die Zukunft in dieser Sache wesentlich 
ankommt. 
345 glaube aber, daß die Jägervereine allein die Sache nicht in die 
Hand nehmen können ; dazu sind ihre Tendenzen zu sehr mit Ihrem ganzen 
System verquickt. Die Neuschaffung einer Nationaltracht ist aber so etwas 
wichtiges , daß man besser einen 5 ad hoc stistet. Da nun bei der 
neuen Trach: entschieden das Auffallendste die Rückkehr zur Polychromie 
ist, so halte ic, es für das beste, einen großen Verein der „Polychromisten“ 
ins Leben zw rufen. 
Die P. ychromie in der Kleidung ist ja nur eins der vielen Momente, 
in denen sich die neue Kunstströmung zu erkennen gibt, die auf allen Gebieten 
eine Rückkehr zur Polychromie erstrebt. Deßwegen würde auch, davon bin 
ich überzeugt, dieser Verein gerade bei den Künstlern, den Malern, Architekten, 
Archäologen u. s. w. Anklang finden. 3) denke mir diesen Verein nun 
etwa in der Weise wie den Au natien . Wagnerverein: eine Central- 
A
	        
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