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Zum Scluß möchte ich Sie auf ein, wie mir scheint, vorzügliches
Propagandamittel aufmerksam machen, nämlich Herstellung eines Jägerianer-
kalender5, worin Sie für Jägerianer und solche, die es werden wollen,
alle Normalregeln 2c. populär zusammenstellen und wo auch eine Stelle
ist für Darstellung der Nationaltracht.
Jena, Leutrastraße 110. Dr. Grävell.
Zu vorstehender Zuschrift möchte ich (Jäger) mir nur folgende
Bemerkungen erlauben:
Wie das vorgeschlagene Kostüm aussieht, kann man natürlich erst
beurtheilen, wenn es in Natura vorliegt, aber ich befürc<hte, daß die Ab-
knöpfbarkeit der Dekoration auf technische und mechanische Schwierigkeiten
stoßen wird. Ueber den Shlips läßt sich diSputiren, allein fest steht, daß
die monotone Brustfläche eine Unterbrechung so oder so erheischt.
Den Namen „Nationaltracht“ möchte ich nicht mit vem Namen
„Bolychromie“ vertauschen, weil leßterem das ideale Moment, ohne das
jol<he Sachen nicht gehen / fehlt. Die Hauptschwierigkeiten liegen bei der
Sache im ersten Anfang, und nach allem scheint mir dieser erste Anfang
bereits überwunden zu sein; es haben doch jeht wenigstens einmal eine
Anzahl Leute die Courage praktisch voranzugehen, das beweist die in der
Julinumer enthaltene Mittheilung aus Hamburg und die nachstehende aus
der Feder des Herrn E. E. H. Böhme, Vorstandes des Dresdner
Jägerianerverein3:
„Mit großer Freude theile ih Jhnen zunächst mit: Der Bann ist
gebrohen! Die Beinbekleidungsreform hat auch in Dresden begonnen!
Seit dem 1, Juli d. J. gehe ich muthig und dreist, ja mit einer guten
Portion von Stolz unter die Hunderte von bedauernswerthen Gaffern
hinein, mit enganliegenden Tricothosen bekleidet, den Kopf mit breitkrämpigem
Hute bede>t, die Brust mit der goldbefranzten Kravatte geschmückt. Der
kurzschößige Normalro> ist dunkelblau ; Hut naturbraun, Handschuhe desgl.
Beinkleid kameelhaarnaturfarbig, Kravatte blau mit Goldfranze, Schuhe
gleichfalls Kameelhaar mit ganz sc<malem Besatz und Patentklappverschluß.
Am Dienstag, den 1. Juli, feierte gerade unser Herr Kriegsminister sein
50 jähr. Offiziersjubiläum; sein Grundstü> mit weitläufigem Garten liegt
an der Promenade; die zum Theil im Garten stattsindenden glänzenden
Festlichkeiten, u. a. großes Konzert 2c. hätten bereits in den Nachmittag3-
stunden Tausende von Menschen in diejen Theil der Promenaden geloct,
die sich da lustwandelnd und mitgenießend ergingen. Das war nun gleich
ein vortreffliches Terrain; in straffer Haltung, mit pathetis<em Schritte,
mischte sich der Normalgekleidete unter die Spaziergänger, wobei sich die
Gaffergesells<aft übrigens rec<ht feig benahm. Mir entgegenkommend ge-
traute sich niemand mich ernstlich anzusehen, aber, wenn sie sich in Sicher-
heit hinter mir dünkten, dann blieben sie gruppenweise stehen und zischelten
und gestikulirten mir na<. Es gab freilich manche recht hämische, beißende
Spottrede zu hören, aber den Wollenen störte es nicht. Äbends war
kleiner Klubabend und Vorstandssizung im Jägerianerverein und siehe da,
meine Vorstellung genügte, um 5 Herren unaufgefordert das Versprechen
abzulo>en, daß sie mir ehebaldigst nachfolgen wollen. Am Mittwoch nahm
ich Gelegenheit, mich an einem Stammtisch in „Saazer Hopfenblüte“ vor-
zustellen, der von Mitgliedern des Königl. Hoftheaters lebhaft frequentiert
wird. Soviele deren zugegen waren, fanden alle die Tracht kleidsam und