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dann auf das Dach desselben nieder. Nachdem sie eine Weile dort gerastet, um-
kreiöten sie noch einigemale den Dom und flogen dann wieder über den See
davon in derselben Richtung, welche damals der ganze Schwarm genommen.
Waren dies Kundschafter ? Die Nachrichten, welche sie überbracht, mußten. gut
gewesen sein, denn noc< an demselben Abend kehrte die ganze Schaar in dichten
Schwärmen zurü> und machte auf dem Dome einen Heidenlärm, als ob das
Versäumte nachgeholt werden sollte.
Wir hatten guf unserm gewohnten Spaziergange die Wiederkehr der alten
Freunde mit großem Juteresse beobachtet. Als wir unsere Wohnung wieder be-
traten, trafen wir dort unseren Hausarzt, mit dem ich über die von mir. beob-
achtete Abreise der Krähen spra<. Als ich ihm nun die soeben erfolgte massen-
hafte Wiederkehr derselben erzählte, sagte er erstaunt: „Das ist allerdings ein
eigenthümliches Zusammentreffen! =- Seit gestern Abend ist kein Cholera-
fall mehr in Stadt und Umgegend vorgekommen.“ -- Jn der That,
wie mit einem Schlage war die Epidemie erloschen! Zwar trat der
Typhus nicht minder böSartig sofort an ihre Stelle; der schien aber die Krähen
nicht zu belästigen, denn sie behaupteten wieder ihr Standquartier auf dem Dome,
wie früher.
Wollen wir hier irgendwelche Zusammengehörigkeit mit der Cholera-Epidemie
einräumen , so ist den Thieren doh kaum ein so weit reichender Instinkt zuzu-
trauen, daß sie mit solcher Genauigkeit den Zeitpunkt des Erlöschens aus weiter
Ferne wittern konnten. Eher wäre anzunehmen, daß in der Zwischenzeit wieder-
Don iniehe Kunds<Hafter zur Stelle waren, die aber von mir nicht beobachtet
wurden.
Im Herbste 1853 trat ich in Königlich bayerische Dienste, und in München
selbst angestellt, erlebte ich dort die während der Weltausstellung heftig aus-
brehende Cholera-Epidemie, Meine Aufmerksamkeit richtete sich natürlich wieder
sofort auf die auch hier zahlreich hausenden Dohlen und Krähen. Auch hier
waren sie wie mit einem Zaubersc<hlage versch wunden, nur war ich
hier nicht wie in Ratzeburg im Stande, ihr sofortiges Entweichen mit dem Auf-
treten, wie ihre sofortige Wiederkehr bei dem Erlöschen der Epidemie beobachten
zu können,
Hat nun Jemand sonst noch derartige Beobachtungen gemacht? -- oder
weiß ein Naturkundiger anzugeben, aus welcher sonstigen Veranlassung diese ihr
Standqartier Jahr aus Jahr ein behauptenden Vögel plötzlich den Plaß für
längere Zeit wechseln, wenn nicht etwa zu strenge Winterkälte sie vertreibt ? --
So lange hierüber nicht Erfahrungsmäßiges aufgestellt werden kann, bleibt dieses
gleichzeitige Verschwinden und Wiederkommen immerhin eine recht auffallende Er-
scheinung, die wohl weiterer Beachtung werth sein dürfte.
. Sollten noh fernere Beobachtungen in dieser Richtung den Gedanken
näher legen, daß diese mit einem anerkannt überaus feinen Geruchsinne begabten
Vögel von der Cholera heimgesuchte Orte aus Naturtrieb meiden, so würde man
doc<h wohl zu der Annahme fommen müssen, daß auch die Luft während der
Cholera irgendwie schädlich geartet sei. F. v. Leveßow, -
Hiezu bemerke ih: Schon der alte Heim, der gewiegte berühmte
Berliner Arzt, und nach ihm Tausende von Aerzten haben nachge-
wiesen, daß man alle Infektionskrankheiten wie Sharlac<, Majern,
Pocken an dem eigenthümlichen Geruch der Hautausdünstung mit
Sicherheit erkennen könne, und so ist bekannt, daß auch die Cholera
mit der Entwicklung eines spezifischen Geruchs verbunden ist, den
män natürlich - besonders deutlich an den Ausleerungen wahrnimmt.
Nach den Angaben der Handbücher soll er spermaartig mit etwas
fauligem Charakter sein.