Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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oder gar richtige Erkenntniß der Sache gar nicht plaßgreifen kann ; ihr Ausgangs- 
punkt und Fortgang bilden einzig die Bestrebung nach einem gelungenen effekt- 
vollen Wortspiel, mit dem sie sozusagen „den Nagel auf den Kopf getroffen“ zu 
haben glaubt, und von dessen Wirkung sie bei dem Leser die Anerkennung ihres 
„Jeistreichen Wesens“ erhofft. 
Diese Betrachtung drängt sich uns auf, als wir den donner3ötägigen Vortrag 
des Stuttgarter Professors mit den Kritiken einzelner Budapester Blätter über den 
Vortrag Jägers in der Hauptstadt und über die von dem Genannten propagirte 
Bekleidungstheorie verglichen. Nach den Schilderungen und Auslassungen dieser 
Journale erschien uns der Kleiderreformator schon im Vornhinein als -- gelinde 
gesagt =- eine überspannte Person, die mit den auffallend lächerlichsten Jdeen umgeht! 
Unsere Voreingenommenheit war um so begründeter, als die erwähnten 
Zeitungsquellen Stellen aus den Erläuterungen Jägers zitirten, 
welche an und für sich shon den Stempel derLächerlichkeittrugen! 
Und wir setzten ja mit Recht voraus, daß Organe der öffentlichen Meinung, die 
berufen sind, die der Allgemeinheit vorgeführten Erscheinungen zu sichten, zu prüfen 
und ehrlich zu beurtheilen, bei ernsten Besprechungen ernst und daher gewissen- 
h aft vorgehen werden, konnten, ja durften somit an die Möglichkeit einer =- sagen 
wir statt Verfälschung -- Verquantung von Worten nicht denken. 
Da dies aber dennoch der Fall ist, wie wir uns selbst am Donnerstag zu 
überzeugen Gelegenheit hatten, können wir nicht umhin, mit aufrichtigem Bedauern 
die Eingangs erwähnte Unverläßlichkeit, Oberflächlichkeit und -- welches ist das 
hier anwendbare gelindeste Wort? -=- der betreffenden Berichterstatter in einem 
Athem mit Geringsc<äßzung zu erwähnen. 
Eigentlich sollten wir all jene häßlichen Stellen namentlich des einen Buda- 
pester Blattes zitiren, da diese aber zu viel Raum in Anspruch nähmen, begnügen 
wir uns mit deren Markirung. 
Da ist die angeblihe „EntdeFXung“ der Seele durch Professor Jäger in 
hämischer Weise hervorgehoben, während der Stuttgarter Gelehrte thatsächlich bloß 
von seiner eigenartigen Bezeichnung des Seelenlebens spricht! Die 
hiemit in Verbindung gebrachte, komisch gemachte „Seelenriecherei“ ist ebenfalls 
bloß eine Verdrehung der Originalthejis Jägers, der die einfache, durch seine 
klare Motivirung “auf Grund medizinischer Fakten plausible Behauptung auffstellt, 
daß das, was man Seele nenne, nicht im geistigen, sondern im physischen 
Leben des menschlichen Körpers funktionire, und daher auch in 
physischer Weise wahrnehmbar sein müsse. 
Diese Anschauung, die zum Theil in das philosophische, zum Theil in das 
pathologische Gebiet der Wissenschaft greift, bot Professor Jäger den ersten Anlaß, 
und zwar vom zweiterwähnten Standpunkte aus, die Verhältnisse des Körper- 
zustandes beim Menschen einer eingehenden Forschung zu unterziehen und er ge- 
langte dabei zu den Resultaten, die er heute mit dem reichsten Materiale der Er- 
fahrungen. darlegt. 
Hier finden wir die passende Stelle zu der Erklärung, daß der Vortragende 
am Donnerstag schon durc< seine verblüffende Präzision in der Anführung von 
Daten, durch die tiefe Gründlichkeit seines Wissens und durc< die -- das ist viel 
werth -- Biederkeit seiner Worte uns für sich gewann. 
Bei diesem Punkte wollen wir einen Moment lang innehalten. Angenommen, 
aber nicht zugegeben, daß die Lehre Jägers eine irrige ist, so überzeugten 
uns die Worte des Urhebers dieser Lehre, daß er von ihr fest durc<drungen ist, 
daß sie das Glaubensbekenntniß seiner wissenschaftlihen Anschauung sei; er selbst 
ist somit frei vom Verdachte der Charlatanerie! Im ungünstigsten Falle könnte 
man ihn bloß als Opfer eines Jrrwahnes bezeihnen, und dann würde es sich 
von gebildeten Leuten ziemen, mit stillshweigendem Bedauern über die Sache hin- 
wegzugehen, die ja durch ihre Unhaltbarkeit sich selbst richten würde. Geradezu 
herzlos ist es aber, den Mann zur Zielscheibe eines gar billigen Spottes zu machen. 
Wenn gar nichts, so ist es die Vergangenheit eines Gelehrten, die uns Achtung
	        

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