Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1884, Bd. 3, H. 1/12)

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Beilage zu Prof. hr. G. Jägers Monatsblatt. 
Stuttgart. MB 2. Februar 1884. 
Das Zukunftskoslüm bei meinem Wiener Vortrag. 
Da in manchen Kreisen auch durch die Zusammenstellung der Urtheile 
der Wiener Blätter über mein Auftreten in Wien der Zweifel nicht be- 
seitigt worden ist, als habe ih zum Mindesten durch das Erscheinen im 
Normal-Galakostüm am Schluß meines Vortrags etwas Unpassendes be- 
gangen , so übergebe -ich hierüber folgenden Aufschluß der Oeffentlichkeit : 
Ich hätte in dieser Richtung in zweierlei Weise unpassend handeln 
können, 1. wenn ich eine an und für sich unpassende, unschöne und unan- 
ständige Kleivung getragen hätte, 2. wenn ich eine zwar an und für sich 
passende Kleidung an einem unpassenden Ort getragen hätte. 
ad 1: in dem Urtheil eines Wiener Blattes „daß ich mit dieser 
Kleidung getrost in jeder Cirkusarena hätte erscheinen können“ , liegt der 
Beweis, daß die Kleidung an und für sich nicht unpassend war. Der 
Cirkusmann trägt diese Kleidung einmal, weil sie zwe>mäßig ist, indem 
sie ihm den freien Gebrauch seiner Glieder ermöglicht, und Zheitens weil sie 
schön ist und seine Gesundheit beshüßt. Ein weiterer Beweis ist, daß 
diese Kleidung durch mehrere Jahrhunderte in ganz Europa die herrschende 
war, daß man sie an dem Schauspieler auf dem Theater bei historischen 
Ausziige und in größter Verbreitung auf den Gemälden unserer Künst- 
er sieht. 
ad 2: ein Krönung3ornat, die Galauniform eines Beamten oder 
eines Soldaten wird sofort unpassend, wenn die Betreffenden damit allen- 
falls spazieren gehen oder auf der Jagd herumlaufen würden, und so 
wäre es von mix unpassend gewesen, wenn ich in diesem Kostüm in Wien 
auf den Straßen herumgegangen wäre. E53 frägt sich also nur, ob die 
Gelegenheit, bei welcher ich das Kleid benüßte, die passende war, und das 
beantworte ich mir unbedingt mit „ja“. Jn einem Vortrag, welcher über 
die spezielle Kleidung handelt, mußte doch diese Kleidung als Demon- 
strationsobjekt gezeigt werden, und es kann sich höchstens darum fragen, 
ob es nicht besser gewesen wäre, sie nicht selbst anzuziehen, sondern gemalt 
zu zeigen. 
Anfangs wollte ich das; ich wandte mi<ß an zwei meiner Schüler, 
aber dieselben hatten keine Zeit; dann beauftragte ich einen Künstler damit, 
allein die Bilder, die ich erhielt, waren nicht auf meine Jdee eingegangen ; 
an und für sich recht gut, aber für diesen Zwe> nicht brauchbar; da ich 
nun die 3 Hauptstü>e: Ro>, Beinkleid und Schuh besaß, so entschloß ich 
mich noch wenige Tage vor der Abreise mir das fehlende vierte Stü machen 
zu lassen und da3 Kleid selbst anzuziehen, weil ich dadurch auch dem Ein- 
wand begegnen konnte, das sehe gemalt gut aus, aber ob in Praxi sei 
eine andere Frage. 
. Id finde es unpassend, wenn ein Pfarrer etwas predigt, was ex 
nicht glaubt, wenn ein Moralprediger die Moral, die er predigt, nicht selbst 
ausübt, wenn einer sich für einen Heilkfünstler ausgiebt, und selbst krank
	        
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