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die Katastrophe eingetreten, hat es vollends keinen Zweck mehr. '
Endlich, was meine Ansicht über das heutige ärztliche Spezialisten- .
tum und die ärztliche Messerwirtschaft ist, das wissen meine Leser '
auch so wie so ungefähr. =- Soweit hatte ich geschrieben, als mir
die Beilanye zur „Vossischen Zeitung“ vom 3. Juli, die folgendes
enthält, dur<g die Güte eines Lesers des Monatsblattes zur
Hand kam.
„Dem Andenken Kaiser Friedrich8 widmet das amtliche „Korre-
spondenzblatt der Aerztekammer“ einen Nachruf, in welchem es heißt:
„Wie unser Stand der glorreichen Regierung Kaiser Wilhelms 1. so herr-
liche Errungenschaften verdankt, so durften wir auch von einer längeren Re-
gierung Kaiser Friedrihs nur Gutes erwarten. Verband uns Aerzte doh
mit ihm dieselbe Devise: „Aufklärung und Licht!“ Unser Streben nach
Erforschung und Erkenntnis der Natur, worin ja allein das Heil der ärzt-
lichen Wissenschaft und Kunst liegt, würde in Kaiser Friedrich einen mächtigen
Schirmherrn gefunden haben. Und daß unser Wissen und Können noh der
Aufklärung und des Lichtes bedarf, hat der teure Entschlafene an sich selbst
erfahren. Das Studium seiner Leidensgeshichte wird wertvoll und frucht-
bringend für uns alle sein, wird uns Aerzten ein ebenso wehmütiges als
teures Vermächtnis bleiben. Heute können wir uns dieser Leidensgeschichte
gegenüber der Gefühle der Unvollkommenheit und Ohnmacht
um so weniger erwehren, als so viele hervorragende Vertreter unseres Standes
berufen waren, an der Behandlung teilzunehmen. Sie alle, wenn auch
abweichend von einander in ihrem Urteil, hatten doh sicher nur den einen
Wunsc< =- zu helfen. Alle setzten ihr Bestes daran. Wie wäre es
anders möglich angesichts eines solchen Preises, angesichts der Rettung des
edelsten und unglüFlichsten Fürsten , der je auf einem Thron gesessen hat!
Kaiser Friedrich hat ausgerungen und sein Leben, sein Leiden wird uns Aerzten
stets eine Mahnung sein, Aufklärung und Licht zu suchen und zu verbreiten!“
- Wenn das Leiden und Sterben Kaiser Friedrich 3, wie
dieser Nachruf in Aussicht stellt, zur Folge hat, die ärztliche Welt
Deutschlands zur Demut, zu Einkehr und Umkehr und Wiederge-
winnung eines größeren Maßes von Belehrungsfähigkeit zu bringen,
so ist das Martyrium auf dem Throne nicht umsonst gewesen.
Der Kniebistag.
Dieser ist diesmal ausgefallen. Als im Lauf des 14. Juni nach
Stut*zärt die Nachricht kam, es stehe bei Kaiser Friedrich sehr be-
denkli6. sagte ich den Kniebistag ab. Meine Erwägung war die: es
war kia" dat von diesem erneuten Anfall keine Genesung zu erhoffen
wa" UU J jul) ich nur zwei Möglichkeiten vor Augen : entweder er-
fol,4 die dutastrophe vor. dem Kniebistag und dieser fällt in die Trauer-
zeit oder dieselbe verzögert sich noh, dann ist dex Zustand des: hohen
Patienten jedenfalls derart, daß öffentliche Festlichkeiten unmöglich sind,
wenn auch nicht offiziell, so doch wenigstens dem Gefühle nach. Daß
dann die Katastrophe schon andern Tags eintraf und die Beisetzung
schon am 48. Juni erfolgte, das konnte man nicht: voraussehen, nament-