Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1892, Bd. 11, H. 1/12)

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Haut u. s. w. aus dem Körper entführt werden. Häufen sich diese Teile 
im Blute an, so ist die gleiche Geschichte wie bei der Einatmung konzen- 
trierter, also übelriechender Stoffe: das Allgemeinbefinden verschlechtert fich, 
der Mensch wird krank, sieh. Gelingt es, diese Duftstoffe auszuscheiden 
oder zu verdünnen, so tritt Gesundheit, Wohlbefinden, Genesung ein. Jäger 
faßt dieses zusammen in die Schlagworte: „Gesundheit ist Wohlgeruch“, 
„Krankheit ist Gestank“ oder „Krankheit ist Konzentration“, „Gesundheit ist 
Verdünnung“. Bekanntlich haben Kranke einen üblen Geruch, so daß 
Jäger auch da das Richtige traf. Was nun zur Verdünnung oder Aus- 
stoßung dieses ganz richtig bezeichneten „Selbstgiftes“ dient, ist ihm will- 
kommen: Schwitkuren, Bewegungskuren, Bäder zur Erregung der Haut- 
thätigkeit u. |. w. 
Soviel für den, der bereits krank ist. Wer gesund bleiben will, soll 
nun alles meiden, was den Stand der Duftstoffe in seinem Körper erhöht. 
Er soll also immer für reine Luft sorgen und dann für eine rasche Aus- 
stoßung aller auszuscheidenden Teile. Dabei spielt nun die Haut eine so 
vedeutende Rolle. Auf diese Weise kam Jäger zur Bekleidungsfrage. 
Wa3 ven Hautausscheidungsvorgang unterdrückt, ist gesundheitsschädlich ; 
z. B. ein wasserdichter Kautschukmantel wirkt nach kurzem Tragen bereits 
auf die Stimmung verschlechternd. Leinenwäsche sog begierig die üblen 
Riechstoffe an sich und gab sie besonders im warmen und nassen Zustande 
an die Umgebung ab. Wer damit bekleidet in geschlossenem Raume ruhig 
sibt, atmet also neuerdings einen Teil seiner Ausscheidung ein. Aehnlich 
war es mit der Baumwolle und sonstigen Pflänzenfasern. Die Tierwolle 
trug nun den Sieg davon. Sie behielt jene konzentrierten Duftstoffe nicht 
an sich, sondern nur jene feinen hochverdünnten und daher belebenden, die 
Jäger den Gesundheitstoff nennt. Damit war es aber noch nicht gethan. 
Der Tierwolle hatten schon vor ihm Hufeland, Pettenkofer u. s. w. 
die höchste gesundheitliche Wirksamkeit zuerkannt. Jäger schloß weiter: 
wenn die Hautausscheidung das höchste erreichbare Maß erreichen soll, muß 
ihr jedes Hindernis aus dem Wege geräumt werden. Daher ist er gegen jede 
Art Fütterung der Kleider und verlangt für Ober- und Unterkleider Trikot- 
stoffe, die der Ausscheidung das geringste Maß von Widerstand entgegenseßen. 
Jägers Gegner und Neider haben sofort ihre Stimme erhoben, 
daß Wolle verweichliche. Die genauesten Untersuchungen ergaben, daß nicht 
die Wolle dey Sündenbo> war, sondern nur die age Befolgung der An- 
ordnungen Jägers. Wer über dem Wollhemde ein gestärktes Leinenhemd 
oder gefütterte Röcke trug, wodurch die flotte Hautausdünstung gehemmt 
wurde, konnte mit Recht über Verweichlichung klagen ; aber die Wolle war 
nicht schuld. Verweichlichung, d. h. das Weichwerden der Muskeln u. s. w. 
entsteht durch die Aufspeicherung der konzentrierten Duststoffe im Körper. 
Damit wird auch der Stand de3 Gewebewasser3 erhöht. Umgekehrt wird 
durch eine flotte Entspeicherung dieser Duftstoffe der Körper entwässert und 
abgehärtet, das Muskelfleifch viel straffer und das Gemeingefühl besser. 
Jäger faßte bekanntlich die Vorzüge seines „Wollregimes“ in das 
Schlagwort „wetterfest , seuchenfest , affektfest“ zusammen. Unsere Aufgabe 
war hier nur, zu zeigen, welche Gründe ihn bestimmten, diese Bekleidungs- 
art als die beste zu empfehlen. Darüber herrschen eben die absonderlichsten 
Vorstellungen. Wer näheres davon wisien will, der lese sein Buch „Mein 
System“ und die „Entde>ung der Seele“.
	        

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