Full text: Professor Dr. G. Jägers Monatsblatt : Zeitschrift für Gesundheitspflege u. Lebenslehre (Jg. 1892, Bd. 11, H. 1/12)

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und eigentlih Unnötigste für das Leben, denn wie viele hundert- 
tausende von Lebewesen giebt es, die gar keine Knochen besißen! 
Besehen wir uns jeht nur einmal die Folgen. Wenn jemand 
an eine neue Sache kommt, so sind die ersten Eindrücde die 
wichtigsten und die bleibendsten, je weiter man vordringt, 
um so blasierter wird man, um so schwieriger findet das Folgende 
neben dem vorangehenden Plaß im Gedächtnis und die Folge ist die 
gleiche wie mit der Stube und dem Buch: der Heilkünstler wird 
den Knochen gar nicht mehr los, mit Knochen garniert er sein 
Zimmer, Knochen läßt sich der Student auf seine Pfeife malen, Knochen, 
Totenköpfe hängt er an seine Uhrkette, und wenn er später in seinem 
Beruf noh sogenannte „wissenschaftlihe Neigungen“ hat, so wird er 
Mitglied der „anthropologischen Gesellschaft“, die sich hauptsächlich mit 
der Auspuddlung alter Knochen besaßt und de8halb zum Woppenschild 
den Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen hat. Von jekt an ist sein 
oberste Autorität in wissens<hastlihen Dingen der Knochenheilige 
Vir<ow, der Vorsikende eben dieser anthropologis<hen Gesellschaft. 
Dafür, daß ich hiebei auc< aus eigener Erfahrung rede, will ich 
nur folgendes anführen. Troßdem ich mich shon vom se<hsten Leben8- 
jahre bis zum 19ten hartnädig troß Schule mit dem lebenden Tiece, 
erst mit Insekten , Amphibien und Reptilien , später mit praktischer 
Ornithologie beschäftigte, fuhr mir auf der Hochs<hule der Knochen doch 
jo sehr in den Leib, daß ich anfieng , eine Knohenfammlung anzu- 
legen, die allmählich auf etwa 800 Schädel und 200 Ekelette -- meist 
von Lögeln = anwuc<h3, daß ich mir ein Mensc<enskelett mit künst- 
lien Bändern, Muskeln und Nerven anfertigte, meine Doktorschrift über 
den Scultersehnenknohen der Vögel schrieb , eine zweite Abhandlung 
über das Wirbelkörpergelenk der Vögel und eine dritte über das 
Längenwac<hs8tum der Knochen. Erst im 35sien Lebensjahr gelang es 
mir endgiltig, den Knochen l08 zu werden und wieder voll an Natur 
und Leben heranzugelangen. 
Und noh. eins : Der Umstand, daß der Kno hen das erste ist, 
was man dem Schüler bietet, hat weiter die verhängni8volle Folge, 
daß dieser eine vollständig falsche grundlegende Vorstellung vom Leben 
giebt. Die materielle Grundlage des Leben3 st niht 5er Knochen, 
sondern die lebendige Zelle und die unterscheidet sih vom toten 
Knochen, mit dem der Student anfängt, nicht bloß a ua litativ, nament- 
li< dadur<, daß sie lebt, sondern auch quantitativ, sie ist eine 
Finesse, der Knochen eine Nohheit oder Pluwpheit. Also die erste 
Vorstellung, die der angehende Schüler vom Leben gewinnt, ist eine 
rohe, plumpe, Dieser Eindrucd bleibt unverwis<bar, 
die rohe Vorstellung vom Leben und seinem Getriebe bleibt und das 
Ende vom Lied ist eine rohe, plumpe Behandlung8weise der Krankheiten, 
Vorliebe für plumpe <irurgis<he Eingriffe, überhaupt für die mit 
groben Mitteln arbeitende Chirurgie und in der inneren Heilkunst für
	        

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