Ein anderes Beispiel, mit dem Eiermann uns zeigte, wie Einfachheit im Einsatz
der Mittel zu Baukunst führen kann. Das sind die Häuser aus den Jahren 1946
bis 1948 in Hettingen, heute ein Ortsteil der Stadt Buchen im Odenwald. Bei
Kriegsende verließ Eiermann Berlin und ging nach Buchen im Odenwald, wo
er oft während seiner Jugendzeit die Ferien verbrachte. Aus Buchen stammte
sein Vater, und anknüpfend an diese familiären Bindungen ging Eiermann bei
Kriegsende nach Buchen, wo er übrigens auch begraben ist. In jener Zeit gab
es keine Baustoffe, weder Stahl noch Zement, noch sonst etwas. Aber
Eiermann hat trotzdem gebaut: mit Lehm! Die Häuser in Hettingen bei Buchen
sind Lehmhäuser, die lediglich mit hochgestellten gebrannten Mauerziegeln
verkleidet sind. Er hat den Lehm nicht in einer übertriebenen und unange-
brachten Materialgerechtigkeit gezeigt, sondern mit einem dauerhaften
Material verkleidet. Er hat die Lehmhäuser aber auch nicht verputzt, sondern
ein fügbares Material verwendet. Hervorzuheben ist hierbei, daß Eiermann in
einer Zeit, in der wir alle Hunger hatten und wenig Aussicht bestand, einmal
satt zu werden, die Kraft hatte, diese Wohnhäuser in der Maßordnung der
Ziegelsteine zu konstruieren. Aus dem Maß der Ziegelsteine entwickelte er die
Gebäudelänge, die -breite und die -höhe. Das Material war in jeder Beziehung
viel zu wertvoll, um zerschlagen zu werden. Auch die Maße der Fenster und
Türen sind exakt in die Ordnung der Mavuerziegel eingefügt. Fenster werden
nicht versetzt, sondern eingefügt. Andere Bauten in jener Zeit mit dem Schein-
argument der Wohnungsnot, sind in jeder Beziehung minderwertige Bauwerke,
die schon nach kurzem saniert werden mußten. Ganz anders der Zustand der
Lehmhäuser nach nahezu 50 Jahren! Eiermann zeigte uns, wie man mit
einfachen Mitteln technisch richtig, langfristig beständig und baukünstlerisch
bewundernswert baut.