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R. SCHMIDT
Varianten
Der Carex humilis-Magerrasen tritt auf dem vorderen Berg in mehreren
kleinflächig abwechselnden Varianten auf, wobei insbesondere die Unter-
schiedlichkeit der Bodenbildung als Ursache anzusehen ist.
Typische Variante mit Linum tenuifolium: An be-
sonders exponierten, stark geneigten Stellen, wo teilweise das rohe Gestein
zu Tage tritt und die Mächtigkeit des sandigen Kalk-Rohbodens (mull-
artige Pararendzina) 30 cm nicht oder nur kaum überschreitet, sind die Ver-
hältnisse besonders extrem und können als typisch angesehen werden.
Lichtbedürftige und wärmeliebende Pflanzen gedeihen hier besonders gut,
weil sie kaum durch Konkurrenz beeinträchtigt werden. Zu jeder Jahreszeit
lassen sich diese Flächen durch aspektbildende oder wenigstens auffallende
Pflanzen von der Umgebung unterscheiden. Im Frühjahr ist es Carex hu-
milis, die hier — wie aus der Vegetationstabelle (Tabelle I) hervorgeht -
ihr Optimum erreicht. Bald darauf folgt etwa Mitte Juni Linum tenui-
folium (Schmalblättriger Lein), der sich auf diese Flächen beschränkt. Seine
weißen feinrot geaderten Blüten fallen jedem aufmerksamen Spaziergänger
auf. Nach KIRCHNER (1888) war er früher auf fast allen Heiden des Stutt-
garter Talkessels (13 Fundorte!) auf flachgründigen, steinigen Böden mit
sonst spärlichem Bewuchs zu finden. Heute ist noch ein Vorkommen auf
dem Klingenkopf bei Endersbach bekannt, wo wir einen Magerrasen ähn-
licher Ausbildung antreffen. Auch in anderen Gegenden seines Verbrei-
tungsgebietes gilt Linum tenuifolium als Zeiger für den Übergang vom
Mesobrometum zum Xerobrometum (siehe OBERDORFER 1957) und ist für
das Klima und den Boden auf dem Kappelberg typisch. Ende Juni über-
nimmt Anthericum ramosum (Ästige Graslilie) die Hauptrolle und über-
zieht die ganze Fläche mit ihren weißen Blütensternen. Sie gehört eben-
falls zu den Pflanzen des südöstlichen Florenelements und ist äußerst licht-
bedürftig. In solcher Menge wie auf dem Kappelberg findet man sie in
unserem Gebiet nur auf den steinigen Felsabhängen der Schwäbischen Alb,
wo keine anderen Pflanzen ihr das Licht streitig machen. Gleichfalls auf
Grund der Lichtbedürftigkeit bevorzugen auch Asperula cynanchica (Hü-
gelmeister) und Medicago falcata (Sichelluzerne) diese extremen Flächen
(siehe z. B. auch v. RocHow 1952 u. Kumn 1937). Das Arealspektrum dieser
Variante zeigt besonders deutlich die bereits genannte eigenartige pflan-
zengeographische Zusammensetzung dieses Magerrasens. Die kontinental-
submediterranen Arten stechen hier besonders hervor.
Eine mesophile Ausbildung ohne besondere Trennarten leitet zu der
Genista sagittalis - Variante über, die sich in kleinen Mulden einstellt,
wo sich Feinerde halten kann (Rendzina-Braunerde) und der Wasserhaus-
halt ausgeglichener ist. Organische Bodenbestandteile werden hier offen-
sichtlich nicht so schnell abgebaut, so daß der Boden oberflächlich leicht
versauert ist. Der mit Indikatorpapier ermittelte pH-Wert liegt mit 5,6
etwa um 0,7 unter dem pH-Wert der typischen Variante. Der Boden wird
auf Grund des besseren Wasserhaushaltes auch leichter entkalkt. Der Kar-
bonatgehalt sinkt deshalb im Bodenprofil nach oben hin ab (s. Abb. 1, Nr.