Zersetzte Kalkbank
zz
3
dicke Kalkspatbestege, die von jüngeren Bewegungsbahnen durchschlagen
und stellenweise linsig zerschert sind. Fast durchweg ist der grobkristalline
Kalkspat weiß. Die zersetzte Schaumkalkbank stößt scharf an beiden Brü-
chen ab; sie ist in schon zerstörtem Zustand zerschnitten und vertikal ver-
stellt worden, denn nirgends lenkt die farbige Zermürbungszone in eine
der beiden Verwerfungen ein. Also ist die Umwandlung der Kalkbank älter
als die Kleintektonik. Die gesamte Bruchtektonik im mittleren Tauberland
ist älter als das Tal, denn sie ist überall morphologisch ausgeglichen; also
muß auch die Veränderung der Schaumkalkbank älter als das Taubertal in
heutiger Gestalt und Tiefe sein.
Durch welche Umstände ist diese seltsame Erscheinung zustandegekom-
men? Diese einzelne dünne Bank, die über eine größere Fläche hinweg
völlig zersetzt wurde, war härter und daher stärker zerklüftet, als die Kalk-
lagen über und unter ihr; also war sie auch besser wasserleitend. Ehe die
Auflösung dieser Bank vollendet war, müssen beträchtliche Wassermengen
ihren Kluftraum durchmessen haben. So exponiert am Talrand und so hoch
über dem Vorfluter hätte sich das Wasser in der Bank kaum lange gehalten;
sehr wahrscheinlich dürfte es sich um sehr langsam unter dem Vorfluter
ziehendes Grundwasser gehandelt haben, das von der damaligen Oberfläche
her gespeist wurde. Um Kalksteine lösen zu können, muß das durchströ-
mende Wasser einen bestimmten Gehalt an gelöster gasförmiger Kohlen-
säure enthalten. Zwar bringt eingesickertes Wasser stets gelöstes Kohlen-
dioxid aus der Atmosphäre mit, das beim Lösungsvorgang verbraucht wird;
so kann man allenfalls die Bildung linearer Hohlräume, nicht aber ein flä-
chenhaftes Zerstörungswerk verstehen. Letzteres wäre dann leicht vorstell-
bar, wenn das auf Klüften stehende oder langsam fiießende Wasser auch
innerhalb des Gesteinskörpers ständig neu mit Kohlendioxid versorgt würde.
Gerade im Umkreis des Bad Mergentheimer Kurbezirks ist diese Möglichkeit
gegeben, denn bereits in geringer Tiefe unter dem Talboden stehen noch
heute kohlensäurehaltige, stellenweise sogar kohlensäuregesättigte Mineral-
wässer. Das vulkanogene Gas entstammt einem verborgenen peripheren
Tiefenherd, der sich immer noch in einer über Jahrmillionnen hinweg
dauernden Schlußphase der Entgasung befindet. Sicherlich war in größerer
Vergangenheit die Entgasung noch stärker als heute.
Man darf sich also vorstellen, daß in einem wenig unter Talniveau liegen-
den geringmächtigen Wasserleiter von der damaligen Oberfläche Wasser ein-
sickerte; auf verhältnismäßig wenigen Klüften der überlagernden, ziemlich
gut abdichtenden Orbicularis-Schichten gelangte es in die zerklüftete Schicht.
Hier traf es mit der aus großen Tiefen aufsteigenden Kohlensäure zusam-
men; auch sie breitete sich flächenhaft unter dem nur an wenigen Stellen
durchlässigen Dach der Orbicularis-Schichten aus und wurde von unten her
ständig ergänzt. In diesem Wasserleiter bewegte sich also dauernd ein sehr
aggressives Wasser; dieses vermochte die durchströmende Schicht flächenhaft
zu zersetzen. Sie war sehr angreifbar, denn sie bot nicht nur Kluftflächen
dar, sondern auch feinste Wege an der Grenze zwischen Kalk- und Dolo-
mitkristallen. Kalk wurde weggeführt, Ton angereichert, freigelegte Kalk-
und Dolomitkörner blieben zurück: im lockeren Rückstand schied sich Eisen