Nachrufe und Ehrungen
Es darf zunächst Herr Professor Dr. GEORG WAGNER genannt werden, der
am 26. Juli 1965 seinen 80. Geburtstag begangen hat. Er entstammt einer
bäuerlichen Familie in Künzelsau, besuchte dort das Lehrerseminar, legte
nach vorübergehender Verwendung im Volksschuldienst in Schwäbisch Hall
die Reifeprüfung ab und widmete sich dann in Tübingen und München dem
Studium der Naturwissenschaften. Er schloß mit der Doktorprüfung bei dem
Geologen KoxEen in Tübingen und mit den Dienstprüfungen für das Lehr-
amt an Höheren Schulen und wurde Professor am Lehrerseminar in Nagold.
Der im 1. Weltkrieg ernsthaft Verwundete übernahm dann einen Lehrauftrag
an der Wilhelms-Oberrealschule in Stuttgart, Nun folgten die Habilitation
in Tübingen, vorübergehende Vertretung des Geologen an der Hochschule
n Hohenheim, Tätigkeit am Tübinger Gymnasium und nach dem letzten Krieg
lie außerordentliche Professur für Allgemeine und Angewandte Geologie
am Geologisch-Paläontologischen Institut in Tübingen. Auch noch nach der
Emeritierung 1953 war unser Freund WAGNER unermüdlich forschend und
lehrend tätig.
Es ist schwierig, aus einem so reichen Leben in wenigen Minuten auch nur
Stichproben zu geben. Der Einzelne ist versucht, das in den Vordergrund zu
-ücken, was er selbst an der so lebendigen Wissensquelle dieses Mannes
geschöpft hat. Ich erinnere mich der Tage, da wir gemeinsam lernend und
lehrend über die Dünen der Kurischen Nehrung zogen, zusammen mit der
damals noch vollzähligen Familie, den zwei Söhnen, von denen der eine im
Krieg fiel, und den zwei Töchtern, und vor allem mit der allseits verehrten
Frau des Hauses; auch sie ist nun nicht mehr unter uns. Was bei einer
solchen Begegnung packt, das ist das Lebendigwerden der Landschaft. Wir
verstehen, daß sie ein veränderliches Wesen — veränderlich im geologischen
Zeitmaßstab — darstellt, daß unsere Landschaft ihre Geschichte hat und aus
ihrer Geschichte gedeutet werden kann.
Dieser Gedanke war WAGNER bereits bei den Geländebegehungen für
seine Dissertation über den Hauptmuschelkalk und die Lettenkohle Frankens
vertraut. Die Doktorarbeit galt aber vor allem der stratigraphischen und pa-
läogeographischen Darstellung der genannten Schichtengruppe. Was WAGNER
hierbei vor mehr als einem halben Jahrhundert durch Vergleich der Schich-
renprofile von Aufschluß zu Aufschluß erarbeitet hat, wurde richtungwei-
send für ähnliche Untersuchungen anderer und bildet — von ihm selbst in
weiteren Arbeiten ergänzt und vervollkommnet — noch heute einen wesent-
lichen Besitz der geologischen Landeskunde. Die eben berührte Formenbil-
dung der Landschaft als Funktion des geologischen Baues ist von WAGNER
buchstäblich erwandert worden, auf weiten Exkursionen, die sich von der
engeren fränkischen Heimat aus auf Schwaben, auf ganz Süddeutschland,
ja gelegentlich bis in den Orient ausdehnten. Er hat diese Ergebnisse in
zahlreichen Abhandlungen anschaulich geschildert, in einer auch für den
Nichtfachmann verständlichen Weise. Seiner Feder entstammen über 300
Veröffentlichungen, darunter mehrere Bücher. Eine wesentliche Frucht die-
ser Erfahrungen ist in extenso dargelegt in der Tübinger Habilitationsschrift
‘1929) über „Junge Krustenbewegungen im Landschaftsbilde Süddeutsch-
lands“. Hierin werden die Höhenlagen der verschiedenen Schichten des süd-