Nachrufe und Ehrungen
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deutschen Raumes verglichen, und es wird gezeigt, daß diese — viel mehr als
vorher bekannt — ihre Verbiegungen, nicht nur ihre bisher fast allein beach-
teten Verwerfungen haben, und daß die Lage der heutigen Schichtstufen-
ränder in engem Zusammenhang mit der Großtektonik steht. Diese und
viele andere Erkenntnisse fanden ihren Niederschlag auch in WAGNERs Lehr-
buch „Einführung in die Erd- und Landschaftsgeschichte Süddeutschlands“,
in bestem Sinne eine Geologie für Jedermann, die seit ihrem ersten Erschei-
nen 1931 schon 2 Neuauflagen erlebt hat.
GEORG WAGNER hat uns auch die Augen über die Geschichte unserer
Flüsse geöffnet. Gerade die südwestdeutsche Landschaft mit dem Kampf
zwischen Donau und Rhein und mit der gleitenden Verlegung der Wasser-
scheiden, mit den gerade von WAGNER so trefflich analysierten „geköpften
Tälern“, besonders im Bereich der Alb, ist ein wunderbares Untersuchungs-
feld für solche Aufgaben. Wir hören aus WAGNErRs Worten freilich immer
wieder, wie vorsichtig wir bei den Deutungen sein müssen; er kämpft gegen
die Phantasie der „Fluviopoeten“ und gegen „primitive Milchmädchenrech-
nungen“, FRIEDRICH SCHILLER, den wir heute feiern, sprach von einem „vor-
eiligen Streben nach Harmonie, ehe man die einzelnen Laute beisammen
hat, die sie ausmachen sollen“, oder von einer „gewalttätigen Usurpation
der Denkkraft in einem Gebiete, wo sie durchaus nichts zu sagen hat“ (Über
die ästhetische Erziehung des Menschen, 13. Brief). Diese Strenge gegen-
über dem Stoff kennzeichnet WAGnenrs Arbeit, der nicht immer nur der lie-
benswürdige Gesprächspartner ist, sondern sehr kritisch sein kann, kritisch
aber namentlich auch gegen sich selbst, und dies ist zweifellos als Gegen-
gewicht zu der notwendigen schöpferischen Phantasie die entscheidende Be-
dingung für ein Werk, wie es WAGNER geschaffen hat.
Bei WAGNER gesellt sich zum Forscher noch in glücklicher Weise der be-
gabte Lehrer, der schon früh seine Schüler um sich scharte, der einst für die
Ausbildung der naturwissenschaftlichen Studienreferendare und als Mitglied
der entsprechenden Prüfungskommissionen eingesetzt war und eine große
Zahl von Studenten und Doktoranden mit Erfolg angeleitet hat; es sind
bedeutende Namen, die aus seinem Schülerkreis emporgewachsen sind. Die
Klarheit und Flüssigkeit seiner Darstellung selbst schwieriger Zusammen-
hänge gewinnt den Hörer wie den Leser, und diese ansprechende Form der
Lehrhaftigkeit zeichnet auch die Zeitschriften aus, die WAGNER Jahrzehnte
hindurch herausgegeben hat: Nämlich die Monatsschrift „Aus der Heimat“
— jetzt trägt sie den Namen „Natur“ — und die „Blätter des Schwäbischen
Albvereins“, in dessen Kreis WAGNER so lebhaftes Echo fand.
Wie so oft fielen auch hier dem Grundlagenforscher Ergebnisse zu, die
stark in die Anwendung reichen. Die Warnung: Vorsicht, Knollenmergel!
aus dem Munde WAGNERS hat manchen vor Schaden bewahrt. Im gleichen
Maß fühlt unser Freund die Verantwortung für das Ganze, wenn es um die
Rettung von bedeutsamen Denkmälern der Landschaft für Forschung, Lehre
und Erholung, damit also für die Allgemeinheit geht: Ich erinnere an sein
so sachkundig fundiertes Eintreten einst für den Hohenstoffeln, jüngst für
die Wutachschlucht und das Dettinger Hörnle, und jetzt für Hochrhein und
Bodensee; indem er sich unbekümmert gegen einen rücksichtslosen Primat