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Ursachen beruhende, naturnothwendig in bestimmter Richtung
geschehende Fortschreiten der Entwickelung das wesentlichste
Princip der Umbildung der Formen sei, das Nützlichkeitsprineip
ein allerdings mächtig eingreifender, aber doch nur ein das Ge-
gebene, beziehungsweise das Werdende modificirender Faktor.
Aus weiteren Thatsachen ferner schloss ich, es beruhe die
Entstehung neuer Arten wesentlich auf dem Stehenbleiben der
Formen auf verschiedenen Stufen der naturnothwendigen Entwicke-
lung und ich nannte diese Entwickelung die genepistatische*,
Die Entwickelung geht meiner Ansicht nach also aus consti-
tutionellen Ursachen einen bestimmten Weg: es bilden sich be-
stimmte Formen, ähnlich wie Krystalle bestimmter Art aus einer
Mutterlauge emporschiessen, neue Formen, weil die Constitution,
allerdings unter dem Einfluss äusserer Einwirkungen, sich im Laufe
der Zeiten ändert. Aber die Fortentwickelung geschieht nicht,
ausschliesslich nach einer Richtung, sondern in baumförmiger
Verzweigung, weil bedeutende äussere Einwirkungen sie ablenken
können und weil die Correlation solche Ablenkung hochgradig
verstärken kann. Der Correlation, d. i. der Thatsache, dass
irgend Varliren eines Theiles eines Organismus auch Varlüren
bestimmter anderer Theile zur Folge hat, glaubte ich schon vor
Jahren ** eine hervorragendere Bedeutung bei der Umbildung der
Formen, speciell bei der Entstehung der Arten zuschreiben zu
müssen, als neuerdings geschehen ist. Auch sie besteht ja
offenbar in naturnothwendigen Aeusserungen der augenblicklichen
Zusammensetzung des Organismus, in Aeusserungen, welche neu
und plötzlich, wie sprungweise hervortreten, weil jene Zusammen-
setzung eine andere geworden ist. So können auf Grund der
letzteren Aenderung in gewissem Grade unvermittelt neue Gestal-
tungen entstehen, ähnlich wie nach Schütteln des Kaleidoskops in
diesem sich neue Figuren zeigen — es fehlen dann Zwischenformen.
Als in erster Linie wichtig für die Artenbildung bezeichnete
ich aber eben die Genepistase: das Stehenbleiben einzelner For-
* Von y&vos Verwandtschaft, Geschlecht und &xziorasıs Stillstand.
** Zoologische Studien auf Capri II, Lacerta muralis coerulea,
ein Beitrag zur Darwin’schen Lehre. Leipzig, Engelmann, 1874.