Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 43, 1887)

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Ansicht ging dahin, dass, wer dieses Geschlecks entbehren könne, 
besser thue. 
Die Badeeinrichtungen waren im unteren Stockwerk des Bad- 
hauses. Das Wasser wurde getragen, und im Eingiessen warmes 
und kaltes gemischt. Die Bäder konnten in den Stuben oder im 
Badhaus genommen werden. Die Einrichtung der Einzelbäder datiert 
erst seit 1554, wurde übrigens deshalb weniger empfohlen, weil da- 
bei kein geiststärkender Diskurs mit Badkompagnons möglich sei. 
„In jedem hölzernen Zuber schwimmet ein Stock, mit welchem man, 
wo etwas zu erinnern, dem Badbedienten mit Klopfen ein Signal 
geben kann. Unten am Boden des Zubers stecket ein Zapfen, den 
der Gast aufziehen und das Wasser ablaufen lassen kann.“ Der Zuber 
wurde mit Brettern bedeckt, über dieselben ein Teppich gebreitet 
und darauf die Sanduhr gestellt Im Bad, heisst es, soll man weder 
essen, trinken noch schlafen, auch nicht Kartenspielen, sondern sich 
etwas vorlesen lassen, oder mit andern Badkompagnons eine kurz- 
weilige Unterredung halten, die nicht von nachsinnlichem oder ver- 
driesslichem Inhalt ist. Die Zeit des Badens war eine halbe bis zwei 
Stunden, an jedem Tage eine Viertelstunde mehr. Der Doktor fügt 
übrigens bei, dass das zweistündige Sitzen im Zuber nicht allen 
Naturen anständig sei. Der Doktor schrieb sie vor in skrupulösester 
Erwägung des jeweiligen Krankheitszustandes. 
Wir wollen nun einem Göppinger Kurgast auf seiner Tages- 
laufbahn folgen, wobei wir am besten Gelegenheit haben, die ver- 
schiedenen Leute und Stände von damals kennen zu lernen. 
Wenn die Sonne wohl aufgegangen ist, und der Schlaf 7—8 
Stunden gewähret hat, dann betet er zuerst, was unser Doktor fromm 
empfiehlt, die traurige Zeit beklagend, wo niemand mehr Freude 
dran habe, und der Doktor sich sogar hüten müsse, zu viel geist- 
liches bei den Patienten zu reden, wenn er anders sein gutes Ver- 
trauen bei ihnen erhalten wolle; alsdann waschet und kämmet er 
sich — was letzteres als nützlich empfohlen war, obwohl bei den 
fürnehmsten Edelleüten nicht beliebet — und ergehet sich drauf ein 
wenig im Freien, damit die Natur lustiger zum Trinken werde. Um 
6 Uhr geht er nüchtern zur Quelle und trinkt ein frisches ungewärm- 
tes Gläslein nach dem andern fein gemächlich mit Auf- und Ab- 
spazieren, nicht mit Rennen über Stock und Stein, so manche thun, 
als ob sie Bären erlaufen sollten. Zuweilen geniesst er dazwischen 
eine Magenstärkung, z. B. Anisconfect oder überzuckerte Sachen. 
Um 7 Uhr geht er entweder ins Bad oder ins Grüne, spazieret lang-
	        
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