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Prof. Dr. Sieglin (Hohenheim) ist von dem Entgegenkommen
der Fabrikbesitzer nicht so durchweg überzeugt; auf mehrere Fabriken
hinweisend, betont er, dass bei gutem Willen viel zu machen sei und
dies auch thatsächlich geschehe, während in manchen Fällen, wo das
Übel geradezu gefährliche Erregung erzeuge, die Regierung sich schliess-
lich vor die Frage gestellt sehe, durch Schliessung der Fabriken die
Sache zum Abschluss zu bringen. Er hält auch, sich Fraas anschliessend,
die Ableitung der verseuchten Wasser in den Boden zum mindesten
für des Versuches wert und glaubt, dass eine Vergiftung des Grund-
wassers wohl nur sehr vereinzelt zu befürchten sei. In humoristischer
Weise stellt Redner die Fische als vorzügliches Reagens auf Fluss-
wasservergiftung vor; in ein verseuchtes Wasser gebracht, legt sich der
Fisch bald auf die Seite und wird er nicht gerettet, so stirbt er ab;
in frisches Wasser versetzt, erholt er sich rasch; so können uns die
Fische kundgeben von einer weitgehenden Vergiftung, und das Fisch-
sterben, wie es z. B. im Neckar stattfand, ist es auch, welches beun-
ruhigend die Aufmerksamkeit der weiteren Kreise erregt. — Prof. Dr.
Kirchner erörterte in eingehender, klarer Weise einige wichtige biolo-
gische Momente. Er teilte zunächst mit, dass am Kocher viele zer-
malmte kleinste Holzteile von einer Holzfabrik in den Kocher gelangten,
die jedoch im ganzen ohne Bedeutung wären. Die schleimigen, ganz
ähnlich in der Farbe aussehenden Massen, die alle Gegenstände über-
ziehen und den Kocher auf weiteste Entfernungen hin in grösstem Mass-
stab verunreinigen, werden gewöhnlich für Cellulose gehalten, die von
der Cellulosefabrik in Unterkochen stammt; wie sich Redner jedoch über-
zeugt hat, handelt es sich hier gar nicht um Cellulose, sondern um
die auch anderwärts unter ähnlichen Bedingungen nicht selten beobach-
teten Wasserpilze Leptomitus lacteus und (in Aalen) Sphaerotilus natans;
unter ungünstigen Vegetationsbedingungen wie hoher Temperatur sterben
diese Wasserpilze ganz rasch massenhaft ab und erzeugen durch ihre
Zersetzungsprodukte eine Verpestung des Wassers und der Luft. Auf
die Flussverunreinigung durch grüne Gewächse übergehend, äussert sich
Redner dahin, dass die Rolle derselben bei der Selbstreinigung der
Flüsse immerhin noch zweifelhaft sei, da, wie man sich leicht über-
zeugen könne, in stark verunreinigtem Wasser nur Wasserpilze und
wenig oder gar keine Algen sich finden, niedere und höhere grüne Ge-
wächse dagegen erst wieder auftreten, wenn die Reinigung des Wassers
bereits wieder bedeutend vorgeschritten ist. — Da die Zeit mit dieser
eingehenden, ganz unerwartete Resultate ergebenden Erörterung bereits
weit vorgeschritten war, so verzichtete der zweite Redner, Prof. Dr.
Sussdorf, aufs Wort; zum Schluss lud noch Prof. Dr. Hell auf den
Sonntag, den 23. d. Mts. in den Vormittagsstunden zu einer Besichti-
gung der Räume des neuen chemischen Laboratoriums ein.