Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

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der Kernsubstanz in die Tochterkerne bewirkt werde, in dem Sinn, 
dass jede „differente Qualität“, die im Mütterkern enthalten ist, auf 
jeden der beiden Tochterkerne übergeht. 
Gleichzeitig (1884) konnte der Botaniker STRASBURGER den Nach- 
weis führen, dass bei den Phanerogamen von der ganzen Pollenzelle, 
welch letztere der tierischen Samenzelle entspricht, überhaupt nur der 
Kern in die Eizelle gelangt, und vermochte damit den 0. HEerTtwic’schen 
Satz, wonach die Befruchtung auf der Kernkopulation beruhe, dahin 
zu ergänzen, dass das Wesentliche der Kopulation und also der Be- 
fruchtung in der Vereinigung der Kernsubstanz des mütterlichen 
und väterlichen Individuums beruhe. 
Von dem Gedankengang Rovx’ und der Schlussfolgerung STRAS- 
BURGER’S blieb nur noch ein Schritt zur Anbahnung einer Vererbungs- 
lehre zu thun. Dieser Schritt wurde beinahe gleichzeitig von dem 
Botaniker STRASBURGER (1884), den Anatomen O. HErtwıic (1885) und 
KÖLLIKER (1885) und dem Zoologen WEIsmANN (1885) gethan. 
Dieselben gingen auf die Thatsache zurück, dass das Kind, 
welcherlei Geschlechts dasselbe auch ist, sowohl Eigenschaften des 
Vaters als der Mutter zeigen kann. Es müssen also in jedem Falle 
alle Vererbungsanlagen des Vaters vor der Befruchtung im Kern 
der Samenzelle gewissermassen konzentriert sein, da ja nur dieser 
Bestandteil der Samenzelle bei dem Befruchtungsprozess sich be- 
teiligt, und dasselbe muss natürlich dann auch für die Vererbungs- 
anlagen der Mutter bezüglich des Kernes der HKizelle gelten. 
Nun zeigen aber nach einer Entdeckung vAN BEneDEn’s am Ei 
des Pferdespulwurms (1883), die bald darauf von BoveErı bestätigt 
und ergänzt wurde, die beiden Kerne zur Zeit der Kopulation die 
gleiche Zahl und das gleiche Aussehen der Chromatin- 
schleifen. Diese und einige andere Thatsachen machten es wahr- 
scheinlich, dass von den verschiedenen Bestandteilen des Kernes die 
Chromatinschleifen die wichtigste Rolle spielen, wie denn auch 
der ganze Vorgang der Kern- und Zellteilung, bei der es auf eine 
möglichst genaue Verteilung gerade der Chromatinsubstanz 
anzukommen scheint, auf diese Bedeutung hinweist. 
Die genannten Forscher kamen also zu der Ansicht, dass die 
Chromatinsubstanz des Kerns das von NäGz11 theoretisch erschlossene 
Idioplasma darstelle, d.h. „die organisierte, eine komplizierte, feinste 
Struktur besitzende, von einer Generation auf die andere sich über- 
tragende Vererbungssubstanz“. Von der besonderen, je nach Species 
und Individuum verschiedenen Molekularstruktur dieser Substanz soll
	        
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