Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

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es den genannten Forschern zufolge abhängen, welche specifische und 
individuelle Eigentümlichkeiten das aus dem befruchteten Ei sich ent- 
wickelnde neue Individuum besitze. Kleine Abweichungen im Bau dieser 
Struktur werden entsprechende Variationen im einzelnen Individuum 
hervorrufen, ebenso wie jeder Tier- und Pflanzenspecies besondere speci- 
fische Eigentümlichkeiten dieser Struktur vonvornherein zukommen. 
Welche dynamische oder chemische Vorgänge nun im einzelnen 
den Zusammenhang zwischen Abänderungen in der Beschaffenheit 
der Kernsubstanz und entsprechenden Abänderungen in dem sich 
entwickelnden neuen Organismus vermitteln, darüber wurden von den 
erwähnten Forschern verschiedene Vermutungen und Hypothesen auf- 
gestellt, auf welche näher einzugehen hier nicht der Ort ist. Ich 
möchte hier nur die Auffassung kurz besprechen, zu welcher die ge- 
nannten Autoren und besonders WzısMmANn bezüglich der Bedeutung 
des Befruchtungsvorganges gelangt” sind. 
Fast durch alle Zeugungstheorien bis auf die neueste Zeit geht 
der Grundgedanke, dass die Befruchtung eine Vereinigung zweier 
gegensätzlichen Kräfte, eines männlichen und weiblichen Prinzips, 
etwa nach Art der Vereinigung der beiden Elektricitäten, darstelle und 
dass durch diese Vereinigung das Leben neu angefacht werden müsse. 
Es handle sich also um eine Belebung des Eies, ebenso wie man bei den 
einzelligen Tieren, speciell bei den Infusorien, die periodisch eintretende 
Konjugation zweier Individuen als einen Verjüngungsprozess ansah. 
Diese Belebungs- oder Verjüngungstheorien gingen aus von der 
einen bei der Befruchtung hervortretenden Thatsache, dass im all- 
gemeinen nur dann das Ei sich weiterentwickelt, wenn es sich mit 
der Samenzelle vereinigt hat, also von dem Satz, dass eine der 
beiden Geschlechtszellen für sich allein nicht entwickelungsfähig 
sel. Dieser Satz erlitt nun freilich bereits Ende der 50er Jahre eine 
bedenkliche Erschütterung durch die von SıEBoLD und LEUCKART ge- 
machte Entdeckung von der Jungfernzeugung oder Parthenogenese 
bei den Bienen, d. h. von der Entwickelung unbefruchteter Eier zu 
Drohnen, eine Entdeckung, welcher im Laufe der Zeit eine Reihe 
entsprechender Befunde von regelmässig periodischer oder gelegent- 
licher Parthenogenese bei anderen Formen folgt. Diejenigen Ver- 
treter der Belebungstheorie nun, welche vorurteilsfrei genug waren, 
die Thatsachen der Parthenogenese anzuerkennen, betrachteten nun- 
mehr dieselbe als den Nacherfolg einer in früheren Generationen 
vorausgegangenen Befruchtung und dachten sich, dass der Belebungs- 
oder Verjüngungsvorgang mindestens von Zeit zu Zeit eingreifen
	        
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