Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

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müsse, um die Fortpflanzungsfähigkeit zu erhalten. — Nun hatte schon 
WAGNER (1853), noch vor der Entdeckung der Parthenogenese, auch 
auf die zweite mit dem Befruchtungsvorgang regelmässig zusammen- 
hängende Thatsache mit grossem Nachdruck aufmerksam gemacht, 
nämlich dass bei derselben offenbar die körperlichen Eigentümlich- 
keiten beider Eltern vereinigt und auf die Kinder übertragen werden. 
In neuester Zeit (1885—86) ist nun WEIsMmANN durch diese Thatsache 
und durch die Thatsache der Parthenogenese dazu geführt worden, das 
Wesentliche der Befruchtung nicht in der angenommenen Belebung 
oder in einer Vereinigung entgegengesetzter „polarer“ Kräfte zu suchen, 
sondern eben gerade in der Vereinigung zweier Vererbungstendenzen, 
in der Vermischung der Eigenschaften zweier Individualitäten. Die 
sexuelle Fortpflanzung würde also danach die Folge haben, nicht 
nur vorhandene Anlagen zu verstärken oder abzuschwächen — eine 
Wirkung, welche jedem Tierzüchter bekannt ist — sondern vor 
allem auch immer neue Kombinationen von individuellen Merkmalen 
zu erzeugen. Durch die sexuelle Fortpflanzung wird also vor allem 
das Material von erblichen individuellen Charakteren geschaffen, mit 
welchem die Selektion arbeiten kann. 
Diese neue Befruchtungstheorie hat, trotzdem ihr die KErfah- 
rungen der Tierzüchter eine wertvolle Stütze gewähren, bereits ihre 
erste Formulierung in einem wichtigen Punkte verlassen müssen, 
nämlich, was die Auffassung des Befruchtungsvorgangs als ausschliess- 
liche Quelle der individuellen Abänderungen anbelangt. Im ganzen 
stellt aber diese Theorie im historischen Gang der Befruchtungslehre 
offenbar wiederum eine Art von Ruhepunkt in der Fragestellung dar, 
wie dies z. B. für die Kontakttheorie, in der Mitte des Jahrhunderts, 
galt, nur dass die Anregung, welche die erstere der beobachtenden 
Forschung gegeben hat und noch giebt, eine unvergleichlich grössere 
und vielseitigere ist, als dies bei der Kontakttheorie der Fall war. 
Aber ebenso, wie zur Zeit, als die Kontakttheorie aufgestellt 
wurde, bereits einige Beobachtungen schüchtern hervortraten, mit 
denen die Theorie nicht ganz zurechtkommen konnte, so gilt dies 
auch heute wieder, insofern auf dem Gebiet der Befruchtungslehre 
bereits wieder einige Thatsachen auf etwas Unbekanntes, noch gänz- 
lich Verschleiertes hinweisen. Gestatten Sie mir, dass ich Ihre Ge- 
duld noch wenige Augenblicke in Anspruch nehme, um Sie mit einer 
dieser Thatsachen bekannt zu machen. Es wurde erwähnt, dass 
beim Ei des Pferdespulwurms die väterliche und mütterliche Kern- 
substanz sich vollständig gleichartig verhalten und sich selbständig
	        
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