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zur Teilung vorbereiten. Bei den Eiern gewisser Krustaceen wurde
nun neuerdings gefunden, dass die Selbständigkeit der beiden Chro-
matinsubstanzen sich nicht nur bei der ersten Teilung des Kies
zeigt, sondern sich auch bei einer ganzen Reihe von weiteren Tei-
lungen in bestimmten Zellen forterhält. Schliesslich findet sich in
dem ziemlich weit entwickelten Embryo beim ersten Auftreten der
Anlage der Geschlechtsorgane inmer noch die väterliche und mütter-
liche Kernsubstanz nicht nur räumlich getrennt vor, sondern auch
der physiologische Zustand der beiden Kernhälften ist, wie aus dem
verschiedenen Ansehen der beiden Chromatingruppen geschlossen wer-
den darf, ein verschiedener. Diese Ungleichheit der beiden Kern-
hälften würde aber darauf hinweisen, dass die chemischen Wechsel-
wirkungen zwischen jeder der beiden Chromatingruppen einerseits
und dem Zellleib anderseits verschiedenartige, zum mindesten ver-
schieden intensive sind. „In diesen Wechselwirkungen muss aber
das liegen, was wir heutzutage Beherrschung der Zelle durch den
Kern nennen. Es wäre also denkbar, dass die beiden Kernhälften
in einer Art von Konkurrenz hinsichtlich der Beeinflussung des Zellen-
lebens miteinander stehen und dass dieser Wettkampf der väterlichen
und mütterlichen Kernsubstanz gerade in dem verschiedenen morpho-
logischen Ansehen der beiden Gruppen seinen Ausdruck findet.“ Ich
möchte vermuten, dass es nicht ganz aussichtslos ist, auf diesem
Wege allmählich eine morphologische Grundlage zu erhalten für die
Behandlung gewisser specieller Vererbungsfragen, vor allem des viel-
besprochenen Problems der Geschlechtsbestimmung.
Ich habe versucht, Ihnen die historische Entwickelung und den
heutigen Stand der Befruchtungsiehre zu schildern. Wenn auch der
Satz von der internationalen Wissenschaft für immer zu Recht be-
stehen soll, so dürfen wir doch mit Genugthuung feststellen, dass
es neben einigen belgischen Forschern hauptsächlich den deutschen
Biologen vorbehalten war, neue Wege auf diesem Gebiet zu bahnen.
Zahlreiche Engländer und Amerikaner haben sich neuerdings diesen
Bestrebungen mit Erfolg angeschlossen und wir dürfen es wohl als
eine Verheissung weiteren fruchtbringenden Zusammenwirkens be-
grüssen, wenn soeben der französische Zoologe Yves DELÄGE einen
dringenden Appell an seine Landsleute richtet, den Forschern des
Nachbarlandes auf dieses Gebiet zu folgen und so mitten hineinzu-
greifen in die Allgemeine Biologie, d. h. in die Erforschung
der Bedingungen und Ursachen der Lebensäusserungen in der Zelle,
im Individuum und in der Species.
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