Ueber die Entstehung der vulkanischen Durch-
bohrungskanäle im Gebiete von Urach*.
Von Professor Dr. W. Branco in Hohenheim.
In seiner schönen Abhandlung über die Oberflächengestaltung
des Mondes berührt E. Svzss auch die Entstehungsweise der vul-
kanischen Durchbohrungskanäle im Gebiete von Urach, am NW.-Fusse
der schwäbischen Alb. Wie alles, was der Feder des hochverdienten
Autors entspringt, so ist selbstverständlich auch diese von ihm ge-
gebene Erklärung eine geistvolle. Sie ist zugleich eine so über-
raschend einfache, dass sie, wie das Ei des Columbus wirkend, den
Leser überzeugt. Trotzdem aber glaube ich im Folgenden darthun
zu können, dass diese Erklärung unserer vulkanischen Vorgänge bei
Urach, so bestechend sie auch an sich erscheinen mag, doch auf
die vulkanischen Erscheinungen dieser Art nicht angewendet werden
kann: Einmal, weil sie entschieden den Thatsachen widerspricht,
welche im Gebiete von Urach obwalten. Zweitens, weil sie auch
auf die an anderen Orten der Erde bisher bekannten Verhältnisse
dieser Art keine Anwendung gestattet‘. Drittens, weil Erscheinungen
von solcher Eigenart wie die fraglichen, welche in derselben Form
an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Verhältnissen auf-
treten, wahrscheinlich überall durch dieselbe Ursache entstanden sein
werden; so dass zur Erklärung derselben eine Hypothese wünschens-
wert ist, welche nicht nur für die eine Örtlichkeit, sondern gleich-
mässig für alle passt.
* Vortrag, gehalten bei der Generalversammlung in Stuttgart 1896.
' Es sei denn vielleicht in Schottland, wo das Carbon, in welchem die
Durchbohrungskanäle aufsetzen, möglicherweise ein Karstgebirge von solcher
Mächtigkeit sein könnte, wie Suess sie im Auge hat. Doch ist das, wie Suess
bemerkt, auch ihm selbst unbekannt.