Die Blüteneinrichtungen der Campanulaceen.
Von Prof, Dr. O. Kirchner.
Die Mannigfaltigkeit der Blüteneinrichtungen innerhalb einer
und derselben natürlichen Pflanzenfamilie pflegt in solchen Fällen
besonders gross und in die Augen fallend zu sein, wo auch im morpho-
logischen Aufbau der Blüten bei den einzelnen Gattungen bedeutende
Unterschiede hervortreten, wie z. B. bei den Ranunculaceen, Scrofu-
lariaceen u. a. Dagegen ist man geneigt, für Familien, deren Gat-
tungen nach demselben Schema aufgebaute Blüten besitzen, auch
eine grosse Gleichförmigkeit der Blüteneinrichtungen von vornherein
anzunehmen. Wenn dies auch bei manchen Familien, z. B. den
Umbelliferen und Cruciferen, im grossen und ganzen zutrifft — ob-
wohl auch hier immer mit bemerkenswerten einzelnen Ausnahmen —
so giebt es wieder andere Familien, welche innerhalb des Rahmens
eines sehr gleichbleibenden Blütenbaues aller Gattungen dennoch
eine reichhaltige Mannigfaltigkeit in den Blüteneinrichtungen auf-
weisen. Zu ihnen gehört die Familie der Campanulaceen, auf welche
sich die folgenden Beobachtungen und Betrachtungen beziehen. Sie
ist ein treffendes Beispiel dafür, in einer wie ausserordentlich mannig-
fachen Weise das Thema eines in morphologischer Hinsicht ein-
förmigen Blütenbaues zu Variationen befähigt ist, welche zu beträcht-
lichen und wichtigen Unterschieden in den Bestäubungseinrichtungen
der Blüten Veranlassung geben.
Die Familie der Campanulaceen ist hier in ihrem engeren Sinne,
im Umfange von DE CAnDoLLE’s Prodromus aufgefasst, mit Ausschluss
der nach dem Vorgange von BEnTHAM und HookKER von SCHÖNLAND
in den Natürlichen Pflanzenfamilien *! zu dieser Familie hinzugezogenen
Cyphiaceae, Lobeliaceae und Sphenocleaceae.
* Engler und Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien. IV. Teil, 5. Abt,
1889. S. 40—70.
Jahreshefte d. Vereins f, vaterl. Naturkunde in Württ, 1897.
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