Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

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Die Anordnung der Blüten ist eine sehr mannigfache; vom 
biologischen Standpunkte aus ordnen sich die Blütenstände in zwei 
durch Übergänge miteinander verbundene Gruppen, von denen die 
erste die rispigen, traubigen und ährigen Inflorescenzen umfasst, die 
von reicher Verzweigung und Vielblütigkeit bis zur Armblütigkeit, 
ja Einblütigkeit herabsinken; die zweite Gruppe enthält die klein- 
blütigen Arten mit kopfigen Blütenständen, welche biologisch als 
Blumengesellschaften aufzufassen sind. 
Die Blüten der ersten Gruppe sind an Grösse sehr verschieden, 
häufig jedoch höchst ansehnlich, wie z. B. bei Campanula Medium L. 
und C. latifoli@a _L., ferner bei der chinesischen U. nobilis LınD_., 
deren Kronen die Länge von 8 cm erreichen, und bei Ostrowskia 
magnifica REGEL aus Buchara, deren Blüten die grössten und prächtig- 
sten der ganzen Familie sein sollen; anderseits fand ich die kleinsten 
mir bekannt gewordenen chasmogamen Blüten bei Wahlenbergia 
Schimperi Hocast., wo die Kronen nur eine Länge von ca. 2 mm 
erreichen. 
Die einfachste Form des Blütentypus innerhalb dieser Gruppe 
der Campanulaceen scheint mit in der Gattung Specularia Hzeıst. 
vertreten zu sein, insofern als die Form der Krone hier noch nicht 
vertieft, sondern radförmig oder weittrichterförmig ist und die Staub- 
fäden an ihrem Grunde noch nicht die sonst sehr häufig vorkommende 
Verbreiterung zeigen, welche zum Schutze des Nektars gegen Regen 
und unwillkommene Besucher dient. Die Blüteneinrichtung von 
S. Speculum DC. ist u. a. von KERNER* beschrieben worden. Die 
violette, im Grunde mit einem blassgelben oder weisslichen Saftmal 
versehene Krone breitet sich bei Tage beckenförmig und mit der 
Mündung nach oben gerichtet aus, indem sie sich morgens zwischen 
7 und 8 Uhr öffnet; nachmittags schliesst sie sich wieder und bleibt 
auch bei Regenwetter und nasskalter Witterung geschlossen. Sobald 
die Blüte sich zum ersten Mal geöffnet hat, springen die Antheren, 
welche seitlich dicht aneinander anschliessen, nach innen auf und 
setzen ihre Pollen auf die zarten Haare ab, mit denen die Aussen- 
seite des säulenartig mitten in der Blüte emporstehenden Griffels 
besetzt ist. Die entleerten Antheren schrumpfen zusammen, trennen 
sich von einander und die verwelkten Staubblätter sinken in den 
Blütengrund, die mit Pollen bedeckte Griffelsäule dient Insekten als 
Anflugplatz, welche den auf dem Discus im Blütengrunde abgeson- 
1 A. Kerner, Pflanzenleben. Bd. II. S. 212 f., 365 f. 
13*
	        
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