Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

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hat sich jedes Sammelhaar in seine zwiebelförmige Basis zurück- 
gezogen und der anfangs ganz haarige Griffel erscheint nun völlig 
glatt. Dieses Einziehen der Haare und die damit verbundene Locke- 
rung des Pollens schreitet von oben nach unten fort, so dass bei 
Insektenbesuch das obere Griffelende zuerst pollenfrei wird. Wenn 
alle Sammelhaare eingezogen sind, dann beginnt das dritte Blüten- 
stadium, die Entwickelung der Narben. Die Narbenäste waren näm- 
lich bis jetzt aufgerichtet und lagen mit ihrer papıllösen Oberfläche 
so dicht aneinander, dass der Pollen nicht auf die eigentliche Narben- 
fläche gelangen konnte; nun aber spreizen sich die Narbenäste aus- 
einander, krümmen sich bogig zurück und bieten ihre entwickelten 
Narbenpapillen auf ihrer Oberseite der Belegung mit Pollen dar. Die 
Blütenbesucher sind vorwiegend Hummeln und Bienen, welche nicht 
nur dem Nektar nachgehen, sondern oft auch in der glockenförmigen 
Krone Nachtquartier und Obdach bei Regenwetter suchen. In Jüngeren 
Blüten behaften sie sich mit Pollen und setzen denselben beim Be- 
suche älterer Blüten auf deren mitten in oder vor der Blütenmündung 
stehende Narben ab, vollziehen also immer Fremdbestäubung. Bei 
ausbleibendem Insektenbesuche krümmen sich häufig die Narbenäste 
so weit nach hinten zurück, dass ihre Spitzen mit dem noch nicht 
abgeholten Pollen auf der Oberfläche des Griffels in Berührung 
kommen, oder in abwärts hängenden Blüten von herabfallendem Pollen 
getroffen werden können; so kann am Schluss der Blütezeit noch 
spontane Selbstbestäubung eintreten. 
In den hier geschilderten Punkten der Blüteneinrichtung zeigt 
sich bei den verschiedenen Arten von Campamula grosse Gleich- 
förmigkeit, allein darin geht H. MüöLLerR! etwas zu weit, wenn er 
sagt: „Die Campanula-Arten stimmen in den wichtigsten Punkten 
ihrer Bestäubungseinrichtung so vollständig überein, dass nur eine 
einzige Art im einzelnen klargelegt zu werden braucht, und für die 
übrigen dann eine kurze Hervorhebung der Abweichungen genügt.“ 
In Wirklichkeit sind in der Grösse, Färbung und Gestalt der Blüten, 
in ihrer natürlichen Stellung und ihrer Zusammenordnung zu Blüten- 
ständen doch so viele Verschiedenheiten innerhalb der Gattung vor- 
handen, dass es sich wohl verlohnt, die hinreichend genau unter- 
suchten Arten danach zu gruppieren. 
Für die Art der Nektarbergung, für das Anfliegen der Insekten 
und ihr Benehmen in der Blüte, sowie endlich für das Zustande- 
* H. Müller, Alpenblumen etc. S. 401.
	        
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