- 200 --
hat sich jedes Sammelhaar in seine zwiebelförmige Basis zurück-
gezogen und der anfangs ganz haarige Griffel erscheint nun völlig
glatt. Dieses Einziehen der Haare und die damit verbundene Locke-
rung des Pollens schreitet von oben nach unten fort, so dass bei
Insektenbesuch das obere Griffelende zuerst pollenfrei wird. Wenn
alle Sammelhaare eingezogen sind, dann beginnt das dritte Blüten-
stadium, die Entwickelung der Narben. Die Narbenäste waren näm-
lich bis jetzt aufgerichtet und lagen mit ihrer papıllösen Oberfläche
so dicht aneinander, dass der Pollen nicht auf die eigentliche Narben-
fläche gelangen konnte; nun aber spreizen sich die Narbenäste aus-
einander, krümmen sich bogig zurück und bieten ihre entwickelten
Narbenpapillen auf ihrer Oberseite der Belegung mit Pollen dar. Die
Blütenbesucher sind vorwiegend Hummeln und Bienen, welche nicht
nur dem Nektar nachgehen, sondern oft auch in der glockenförmigen
Krone Nachtquartier und Obdach bei Regenwetter suchen. In Jüngeren
Blüten behaften sie sich mit Pollen und setzen denselben beim Be-
suche älterer Blüten auf deren mitten in oder vor der Blütenmündung
stehende Narben ab, vollziehen also immer Fremdbestäubung. Bei
ausbleibendem Insektenbesuche krümmen sich häufig die Narbenäste
so weit nach hinten zurück, dass ihre Spitzen mit dem noch nicht
abgeholten Pollen auf der Oberfläche des Griffels in Berührung
kommen, oder in abwärts hängenden Blüten von herabfallendem Pollen
getroffen werden können; so kann am Schluss der Blütezeit noch
spontane Selbstbestäubung eintreten.
In den hier geschilderten Punkten der Blüteneinrichtung zeigt
sich bei den verschiedenen Arten von Campamula grosse Gleich-
förmigkeit, allein darin geht H. MüöLLerR! etwas zu weit, wenn er
sagt: „Die Campanula-Arten stimmen in den wichtigsten Punkten
ihrer Bestäubungseinrichtung so vollständig überein, dass nur eine
einzige Art im einzelnen klargelegt zu werden braucht, und für die
übrigen dann eine kurze Hervorhebung der Abweichungen genügt.“
In Wirklichkeit sind in der Grösse, Färbung und Gestalt der Blüten,
in ihrer natürlichen Stellung und ihrer Zusammenordnung zu Blüten-
ständen doch so viele Verschiedenheiten innerhalb der Gattung vor-
handen, dass es sich wohl verlohnt, die hinreichend genau unter-
suchten Arten danach zu gruppieren.
Für die Art der Nektarbergung, für das Anfliegen der Insekten
und ihr Benehmen in der Blüte, sowie endlich für das Zustande-
* H. Müller, Alpenblumen etc. S. 401.