Full text: Jahreshefte des Vereins für Vaterländische Naturkunde in Württemberg : zugl. Jahrbuch d. Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (Bd. 53, 1897)

geübter Hand durch eine Uhrwerksbewegung zu ersetzen verbieten. 
Dass aber auch Bewegungen des Standortes die Sicherheit der Beob- 
achtungen beeinträchtigen können, davon überzeugen sich die 
Forscher dann und wann durch Beobachtung von Veränderungen 
und Schwankungen der feinen Wasserwagen, welche zur Feststellung 
der Richtung des Horizontes gebraucht werden, oder durch Wahr- 
nehmung von Veränderungen am Stande der Quecksilberspiegel, die 
als Nadiranen die senkrechte Richtung nach unten zu ermitteln 
dienen, Schwankungen, die häufig sich nachträglich als Anzeichen 
von oft in fernen Erdteilen aufgetretenen Erdbeben erweisen. Solchen 
astronomischen Niveauapparaten gegenüber, die bei Veränderungen 
der Lotlinie schon für wenige Hundertel einer Sekunde deutliche 
Ausschläge geben, ist das feinste Bleilot eines Baumeisters ein grober 
Apparat, und wo letzteres dem prüfenden Auge den Eindruck unver- 
änderlicher Starrheit des Erdbodens giebt, sind erstere geeignet, den 
Erdboden in täglich und jährlich veränderlicher Neigung und mannig- 
fach in unregelmässiger Bewegung begriffen erscheinen zu lassen. 
SıGMunND GÜNTHER giebt im zweiten Bande von GERLAND’s Bei- 
trägen zur Geophysik bei Besprechung des Einflusses der Luftdruck- 
schwankungen auf die festen und flüssigen Bestandteile der Erd- 
oberfläche die Geschichte der von den Astronomen und den Erd- 
bebenforschern gemachten Untersuchungen der Bodenbewegungen. 
Besonders sind daraus zu erwähnen die Versuche des Franzosen 
D’ABBADIE, der seit 1863 mit seiner Nadirane nicht nur peri- 
odische Veränderungen der Richtung der Lotlinie infolge des Stei- 
gens und Fallens des nahen Meeres beobachtete, sondern auch 
andere Lotlinienänderungen, deren Ursache er in einer durch Mond 
und Sonne erzeugten täglichen Formänderung der Erdkruste suchen 
zu müssen glaubte, ferner die Versuche des Genfer Astronomen 
PLANTAMOUR, der von 1878 ab Beobachtungen an zwei sehr empfind- 
lichen Wasserwagen anstellte, welche in nordsüdlicher und ostwest- 
licher Richtung nebeneinander aufgestellt waren. Diese Versuche 
zeigten sowohl eine grössere langandauernde Neigungsänderung des 
Bodens von Genf, als auch kleine tägliche Schwankungen der Lot- 
linie zwischen ungefähr 7 Uhr morgens und 7 Uhr abends. Dazu 
kommen die seismologischen Untersuchungen besonders in Italien 
durch BerrteLLt, Rossı u. a., in England durch die Brüder G. H. DARwIN 
und H. Darwıs und in Japan durch Mınne, welche das häufige Auf- 
treten unzählbarer kleiner und kleinster Bodenerzitterungen und 
Bodenschwingungen unzweifelhaft nachwiesen. 
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